Katajun Amirpur + Reinhard Witzke – "Schauplatz Iran"

[Erstveröffentlichung: 21. August 2009]

Katajun Amirpur + Reinhard Witzke – Schauplatz Iran

Es wundert wohl wenig, dass ich gerad jetzt dieses Buch gelesen habe. Wenn, dann wundert, dass ich es erst jetzt tat. Bin ich doch nicht erst seit gestern an diesem Land und der Politik interessiert. Und aktuell geht mir dieses Thema besonders nahe, wie man dem Blog und meinen Twitter-Mitteilungen entnehmen kann.

So kam das Buch mir eher zufällig in die Hände – und das zum bestmöglichen Zeitpunkt.
Erzählt es doch die Geschichte des Landes von 1779 (Begründung der Katscharen-Dynastie) bis zu den – inzwischen vorletzten – Wahlen im Jahre 2004.
Ich möchte gar nicht so viel zum gesamten Buch schreiben. Es ist gut, wenn auch manchmal schwer zu lesen: wenn Begriffe verwandt werden, die (mir) fremd sind und unerklärt bleiben. Doch ist das Buch sachlich und flüssig geschrieben; spannend gar, wenn man so dicht verbandelt mit dem Schicksal des Landes und der Menschen ist.
Wer immer Interesse hat an diesem manchmal so fremden Land, wer den Mut hat, auch einmal zu versuchen zu verstehen, weshalb ein Volk in der Lage ist, jahrzehntelang zu ertragen und nicht aufzubegehren (JETZT, ENDLICH! tat es das!)… der sollte dieses Büchlein lesen.

Amirpur und Witzke beschreiben ein Land in einer Übergangsphase gekonnt, einfach und sehr fundiert. Wer sich einen Überblick über den Iran verschaffen will, sollte dieses Buch lesen.  (Quelle: Amazon)

Am Interessantesten erscheint mir das fünfte und letzte Kapitel des Buches zu sein. Überschrieben ist es mit “Perspektiven für die Islamische Republik Iran”.
Die Autoren versuchen, nicht in die Zukunft zu schauen (wie gesagt, das Buch erschien 2005), und legen sogar Pessimismus an den Tag, wenn sie ausdrücken, dass das iranische Volk zu hoffnungslos ist, um eine Revolution wie ’79 zu beginnen. Wir wissen, dass die beiden irrten!

Entscheidender aber dürfte eine Erfahrung sein, die die Menschen in Iran gemacht haben: die Erfahrung des real existierenden Islamismus. [...] Die Politik der Konservativen… hat dazu geführt, dass die Menschen sich in Scharen von diesem System abwenden. (Seite 124)

Viele wenden sich nicht nur vom System ab, sondern auch von der Religion. Empirische Untersuchungen lassen vermuten, dass es in keinem anderen islamischen Land so viele säkular und areligiös eingestellte Menschen gibt wie in Iran.  (Seite 125)

Nach einem Exkurs über den horrenden Drogenkonsum im Lande stellen Amirpur und Witzke fest, dass die Menschen unter Depressionen leiden, die ein Aufbegehren gegen den Staat unwahrscheinlich machen.
Sie schreiben über Geistliche, die ihre Religion mit Füßen getreten sehen, weil diese Politik mache. “Den einzigen Ausweg sieht er [Ajatollah Sanei] in einer neuerlichen Trennung von Staat und Religion.”

Die letzten Sätze des insgesamt sehr empfehlenswerten Buches:

Das heißt nicht, dass in Iran die nächste Revolution ansteht. Dazu fehle die charismatische Führerpersönlichkeit und eine im Ausland wie im Inland gut organisierte Opposition… Und trotz aller Rückschläge im Reformprozess: immerhin hat sich eine bewusste, politisch interessierte Öffentlichkeit herausgebildet. Es gibt erste, kleine Ansätze zivilgesellschaftlicher Organisationen und vor allem eine Gesellschaft, die eine Liberalisierung der öffentlichen Sphäre will. All das ist durchaus zukunftsträchtig. Denn es gibt einen unabweislichen Grund, warum die Reform letztlich gewinnen wird und warum einen theokratischen Staatsmodell die Zeit abläuft: weil ihm schlicht die Gesellschaft abhanden gekommen ist. [...]
Das ist der Grund, warum es immer noch Hoffnung gibt auf eine demokratische Islamische Republik Iran. (Seite143)

Nic


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