Kaplan & Masson - Die Chaostheorie [Carlsen] - Ligne claire zwischen Zitat & Ironie

Kaplan & Masson - Die Chaostheorie [Carlsen] - Ligne claire zwischen Zitat & Ironie
Neues aus dem Hause Carlsen oder altbekanntes? Beim ersten, flüchtigen Blick in den ersten Teil von Kaplan & Masson fühlt man sich sofort an den Langzeitklassiker des Verlags - Blake & Mortimer erinnert, das Szenario, der Strich, die Figuren. Wollen uns die Hanseaten etwa alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen?
Ich denke meine Antwort muss ein Jein sein - ein sehr bestimmtes, klares Jein. Natürlich wird hier zitiert, dass sich die Balken der Buchwurmsiedlungen biegen, gleichzeitig ist der Comic aber mehr als nur eine Hommage - er ist eine Weiterentwicklung, Fortschreibung, vielleicht sogar eine Art Vollendung. 
Diese Ermittler ähneln zwar ihren Vorgängern, aber anders als diese, dienen sie nicht mehr der Festigung problematischer Ideen. Die in den 1950ern beginnende Serie hat sich den "milden" paternalistisch-kolonialen Blick lange konsequent erhalten & es herrschte in ihr ein durchaus stereotypes Modell der Ost-West-Binarität, der Name des sinistren Gegenspielers macht es deutlich. Die beiden neuen Partner sind da politisch deutlich progressiver.
Und abseits dieser Differenz - politische Themen kritischer darzustellen und sie auch kommentierend im Szenario einzusetzen - finden wir eine weitere spannende Abweichung. Diese Figuren sind nicht asexuell, wie ihrer Vorgänger - sie lieben, knutschen, zerwühlen Laken - ihre Welt ist glaubwürdiger, lebensnäher, weniger konstruiert. 
Und auch der Strich ist nicht vollkommen linientreu, zwar bedient er sich fast durchgehend an dem bekannten grafischen Ausdrucksmittel der ligne claire, bricht aber auch die Schale dieser Stils bewusst auf. Manche Szenen wirken stark durch den zuspitzenden Funny geprägt, andere bedienen sich eher am Zeichenvorrat der Satire und der politischen Karikatur.
Auch die im ersten Teil entworfene Geschichte wäre im bräsig-herablassenden Kosmos eines Blake & Mortimer's nicht denkbar. Zu deutlich sind die realpolitischen Bezüge, das kritische Ausstellen und Hinterfragen der Tätigkeit  des Geheimdienstes und die dezidiert pazifistische Grundnote des gesamten Albums. 
Aber Kaplan & Masson jetzt nur als zeitgemäßere Form des Agentencomic zu beurteilen, würde dem phantastischen Storyboard Unrecht tun, denn der erste Teil dreht sich um nicht weniger als um die realste der reale Nachkriegsgefahren - die Chance der selbstgewählten atomaren Auslöschung der Menschheit. Und um die Skrupel, derer die die Waffen schufen und um die Chancen einer weltweiten Ächtung dieser Waffen. Alles wird im Rahmen eines Agententhillers erzählt - schnell, elegant & ansprechend.
Vielleicht kann man von einem symbolischen Vatermord und den symphatischen Sohnespflichten sprechen - denn man erkennt beides. Einerseits grenzen sich Convart & Thibert sehr bewusst von den offensichtlich verehrten Vorbildern (und auch von deren teilweise fragwürdigen Szenarien) ab und entwickeln gleichzeitig einen unverkrampften & kritischen Unterton, der ihnen erlaubt das Genre des leichtfüssigen-ironischen Agententhrillers zu retten. Durch das Einfügen drastischer Bilder und  reflektierender Subtexte sprechen sie dieser Comicform ein offensichtlich kritisches Potential zu. Durchdachtes, elegant visulisiertes Nachdenken über Grundlegendes und keine kopfschwere Bleiwüste ohne Unterhaltungswert. 
Das Debüt funktioniert, es besitzt Situationskomik, Sprachwitz, nimmt seine Figur ernst & ebenso gerne auf die Schippe, wechselt sowohl grafisch als auch erzählerisch sehr gekonnt zwischen Zitat &  Ironisierung. Man darf gespannt auf den Fortsetzung - vielleicht werden wir gerade Zeugen des Entstehens einer neuen Langzeitserien, 60 Jahre sind zu überbieten, will man das Vorbild entthronen - ein ehrgeiziges Ziel.

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