Kann der Go-Computer bald auch komponieren?

Lee Sedol hat das Match gegen den Computer verloren.

Lee Sedol hat das Match gegen den Computer verloren.

Jetzt hat die Maschine also auch Bauchgefühl!

„Schockiert“ zeigte sich der Go-Meister Lee Sedol über die kreative und intuitive Art, wie der Computer DeepMind gegen ihn spielte. Der 37. Zug der zweiten Partie war gar so revolutionär, dass Lee erstmal aus dem Zimmer flüchtete, um seinen Kopf unter kaltes Wasser zu halten. Einen solchen Zug habe es in 2500 Jahren Go-Spiel noch nie gegeben, waren sich Beobachter einig. Die selbstlernende Maschine hat ihn auf eigene Faust erfunden.

Wenn der Computer nun ein solch intuitives und unberechenbares Spiel wie Go weiterdenkt, kann er dann womöglich auch bald die Musik revolutionieren? Ausgeschlossen ist es nicht: Auch Musik ist formalisiert darstellbar, und ihre Strukturen sind nicht notwendigerweise komplexer als die des Go-Spiels (bei dem es mehr Zugmöglichkeiten gibt als Atome im Universum).

Darum halte ich es für durchaus möglich, dass ein Computerprogramm von ähnlicher Komplexität wie AlphaGo nicht nur unerhört neue Spielzüge, sondern auch unerhört neue Partituren entwerfen könnte. Was freilich ungleich fatalere Konsequenzen für uns Komponisten hätte als die jetzigen Ereignisse für Go-Spieler: denn während der Reiz eines Brettspiels in sich selbst liegt, kommt es bei Kompositionen aufs fertige Werk an. Obwohl es seit bald zwei Jahrzehnten Schachcomputer gibt, die stärker als die besten menschlichen Spieler sind, wird das Schachspiel dadurch nicht obsolet. Sollte es jedoch Computer geben, die bessere Musik als die besten Komponisten schrieben, gäbe es keinen Grund, die minderwertigen Erzeugnisse humaner Urheber auf die Konzertprogramme zu setzen.

Dennoch glaube ich nicht, dass es soweit kommen wird. Aus folgendem Grund:

Schach und Go haben nicht nur eine ungleich größere Community als alle experimentellen Musikrichtungen (auf die es allein ankommt, wenn es um Grenzüberschreitung geht), sondern vor allem sind es Spiele, an deren Ende bei aller zwischenzeitlichen Komplexität ganz einfache Resultate stehen: Sieg, Niederlage, Remis. Ich habe keine Ahnung von Go, aber ich verstehe trotzdem, was da in Seoul passiert ist: der Computer hat gewonnen. Wahrscheinlich können nur einige hundert Go-Meister weltweit die ganze Tragweite der entscheidenden Züge ermessen. Aber das spielt keine Rolle: die Reduktion am Ende – Sieg, Niederlage – verstehen Millionen. Und deshalb verfolgen Millionen das Spiel, und deshalb entsteht eine entsprechende Aufmerksamkeit und ein entsprechender Markt, der es lohnend erscheinen lässt, ein Programm wie AlphaGo zu entwickeln.

Bei Musik ist das anders. Nicht nur, dass ästhetische Kriterien subjektiv eingefärbt sind – was für den einen pure Langeweile ist, ist für den anderen eine Glanzleistung subtil-ziselierten Komponierens –, sondern vor allem, dass es keine finale Reduktion gibt, macht eine entsprechende Entwicklung höchst unwahrscheinlich. Denn auch in der Musik könnten nur einige hundert oder tausend Menschen die volle Tragweite einer wahrhaft revolutionären computergenerierten Partitur ermessen. Und dabei bliebe es. Die Millionen an den Fernsehbildschirmen hätten kein handfestes Resultat – „AlphaMusic gewinnt gegen Helmut Lachenmann!!“ – sondern sie müssten der Ansicht der Experten glauben. Das ist unbefriedigend, das schafft keinen Markt, und deswegen dürfte auf absehbare Zeit niemand Interesse haben, dem Go-Computer vergleichbare personelle und materielle Ressourcen in eine Komponiersoftware zu stecken.

Ein anderer Fall wäre freilich dann, wenn wir uns eine Metaebene weiterschwingen und uns vorstellen, dass Computer irgendwann selbst entscheiden – ohne dass Menschen dabei etwas zu sagen haben – einen Komponiercomputer zu konstruieren… dann würde der (menschlich gedachte) Markt keine Rolle mehr spielen, und wir könnten vielleicht die unglaublichen Partituren doch noch hören. Aber das ist, wie Michael Ende zu sagen pflegte, wieder eine andere Geschichte…


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