Jurek Becker – "Bronsteins Kinder"

Jurek Becker –

In der Bibliothekt der Süddeutschen Zeitung sind ein paar wunderbare Bücher verlegt worden. So auch dieses hier: Bronsteins Kinder von Jurek Becker.

Diese Buch ist mehr als “ein deutsches Sittengemälde” – wie Biermann auf dem Klappentext schreibt.
Es ist auch mehr als nur die Frage “Darf einer, der mit dreißig geschlagen wird, mit sechzig zurückschlagen”.

Bronsteins Kinder sind auch nicht nur die Hauptfigur, Bronsteins Sohn Hans und die (in kaum einer Rezension erwähnte) Tochter Elle. Es sind dies die Kinder der gesamten Generation der 70-iger im gewesenen Ländchen: meine Generation.

Vor allem deshalb bin ich überrascht, das ich das Buch bisher noch nicht gelesen habe. So kommen hier doch zwei Gründe zusammen, die meinen Lesegewohnheiten sehr entgegenkommen (eigentlich sind es sogar drei): Ein Buch über jüdisches Leben in Deutschland, ein Buch über eine Zeit in der DDR, die ich ebenfalls erlebt habe und drittens ist Becker ein Schriftsteller, den ich schon geraume Zeit kenne (Der Boxer, Jakob der Lügner).

Beckers Buch ist eine Abrechnung mit dem Umgang der DDR mit dem jüdischen Gedenken. “Antifaschistisch”, “demokratisch”, “nicht judenunfreundlich” nannte sich dieses Land. Und doch… gab es kaum jüdisches Leben in der DDR – die Neue Synagoge zu Berlin wurde erst 1988 wieder aufgebaut und Menschen wie die Brüder Andre und Wolfgang Herzberg erzählten, wie schwer es in der “Hauptstadt der DDR” war, jüdischen Glauben zu praktizieren. (Man denke auch nur an das seltsam ungeklärte diplomatische Verhältnis der DDR zum Staat Israel, dem man als “Judenstaat” hofierte wegen der unendlichen Schuld, die Deutschland (also auch die DDR) auf sich geladen hat in den Jahren des Dritten Reiches… und zum Andren wurde Arafat’s PLO mit Waffen und militärischem Wissen ausgerüstet… Aber diese zweischneidige Politik war und ist keine Erfindung des Ländchens…)
All dies spielt mit, wird angedeutet, wenn in “Bronsteins Kinder” die Geschichte eines Deutschen Juden (Arno Bronstein) erzählt wird, der mit Freunden – die wie er im Konzentrationslager der Nazis saßen – eine ehemaligen Aufseher gefangen halten und zum Geständnis foltern. (Weil sie zwar wissen, dass dieser von offiziellen Gerichten sofort zu langjähriger Haft verurteilt wird, aber der Staat von ihnen nicht als Interessenvertreter wahrgenommen wird, da es ein deutscher Staat ist.)

Der Sohn Hans, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, kommt dahinter. Und ist nicht in der Lage, seinen Vater zu verstehen (aber wer kann mit 18 seine Eltern verstehen?); noch ist jener bereit, sich zu erklären. So kommt es zu einer immer größeren Entfremdung der beiden Sprachlosen. (Während die Schwester Elle – in einer geschlossenen Anstalt lebend – die Dinge klar sieht und ausspricht.)

Mich hat dies Buch sehr bewegt. Und ich denke, wer sich in einen Teil der Gedankenwelt der DDR der 1970-iger Jahre eindenken will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Sowenig wie der, der die jüngere deutsche Geschichte ehrlich sich ansehen möchte, über Schuld und Sühne nachdenken möchte, ohne hier je Partei ergreifen zu können. Beide Parteien haben Recht. Beide Unrecht. Und ich sehe keinen Kompromiss – sowenig wie die Protagonisten des Buches.

Meine Hoffnung ist, dass die Zeit Wunden heilt und ein Besinnen auf die jüdischen Traditionen in der deutschen Kultur wieder geschieht. Wenn ich jedoch die Braune Brut marschieren sehe…

Nic


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