Vor einiger Zeit habe ich ja drüber geschrieben, was Rabbi Breitowitz bei seinem Vortrag erzählt hat. Obwohl wir ihm fast zwei Stunden lang Fragen stellen konnten – und soweit ich mich erinnere gab es insgesamt fünf wirklich interessante Fragen – war ich nur dazu in der Lage drei wiederzugeben.
Damals war gerade Schabbat und es wäre nicht so gut angekommen, wenn ich mir Notizen gemacht hätte (Neben sehr vielem anderen ist auch das Schreiben am Schabbat verboten), also musste ich alles aus der Erinnerung wiedergeben.
Aus irgendeinem Grund denke ich speziell in den letzten Tagen immer wieder über das nach, worüber im Vortrag gesprochen wurde – und auch die Erinnerung an die beiden verbleibenden Fragen kehrte (glücklicherweise!) zurück, deshalb schreibe ich sie nieder, bevor sie mir wieder entfliehen wollen.
Frage: Wenn Gott allmächtig und allwissend ist, dann kennt er doch auch die Zukunft. Was bringt es uns dann zu beten?
Antwort: Ein Mensch erinnert sich im Normalfall linear in die Vergangenheit zurück und wenn er die Zukunft wüsste, dann würde er ebenso linear in die Zukunft denken. Doch nur weil wir uns in einer bestimmten Denkweise handeln heißt das weder, dass Gott genauso denkt, noch dass wir überhaupt in der Lage wären Sein Denkschema zu verstehen.
Kann man davon ausgehen, dass Gott selbst die Zukunft nicht kennt?
Die Antwort auf diese Frage würde in Anbetracht des möglicherweise völlig anderen Denkschemas sehr schwer zu finden und man kann nur Vermutungen anstellen – vielleicht ist auch die Zukunft nicht vorgezeichnet, die möglichen Wege aber bekannt.
Der Häretiker von Minsk
Warum wir tatsächlich auf diese Geschichte zu sprechen gekommen sind weiß ich um ehrlich zu sein nicht mehr, durch den Kopf gegangen ist sie mir allerdings oft genug und ich habe durch sie einen sehr guten Grund bekommen, das Neue Testament lesen zu müssen.
(Noch eine kurze Anmerkung: Ein Häretiker ist so etwas wie ein Ketzer)
Ein Jude hatte genug von seiner Religion und wollte aus dem jüdischen Volk ausscheiden. Um dies zu erreichen – sollte er zum Häretiker von Minsk gehen, der angeblich unter allen Häretikern der Größte ist und sobald er seinen „Segen“ hat kann er sich vom Judentum verabschieden.
Er macht sich auf den Weg nach Minsk und fragt dort in der hiesigen Gemeinde, wo denn der große Häretiker sei. In der Synagoge ist er.
Etwas verwirrt, aber entschlossen macht er sich auf den Weg in die Synagoge, um ihn dort aufzufinden – auf Anfrage dort stellt sich heraus, dass er gerade im Betraum ist.
Da steht er auch und legt sich gerade Tfillin (Wir erinnern uns: Die ledernen Bänder, die sich gläubige Juden beim Gebet um Kopf und Arm binden), als er fertig ist spricht ihn der potentielle Aussteiger an und sagt ihm, er wolle mit der mosaischen Religion nichts mehr zu tun haben.
Der Häretiker gibt ihm recht, fragt aber:“Kennst du die Mischna oder den Talmud?“
„Nein, ich kenne keines von beiden und will damit weder etwas zu tun haben, noch damit in Verbindung gebracht werden!“
„Aber du wirst doch zumindest den Tanach (jüdische Version des Alten Testaments) kennen?“
„Nein, den habe ich nicht gelesen, er interessiert mich auch nicht!“
„Die Tora (Fünf Bücher Mose’) hast du aber gelesen?“
„Auch die Tora ist mir egal. Ich lese so etwas nicht!“
Daraufhin machte der Häretiker von Minsk einen etwas besorgten Eindruck, denkt kurz nach und antwortet ihm schließlich: „Und wieso willst du dann kein Jude mehr sein? Du kennst doch keine einzige der Schriften, du weißt doch nicht einmal aus was du überhaupt austreten willst“
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