Joy

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Joy

9Biopic

Die Erfolgsgeschichte der Erfinderin des selbstauswringenden Wischmobs klingt jetzt auf den ersten Blick nicht wie etwas, das eine/n unter normalen Umständen ins Kino locken würde – nicht mal, wenn Hollywoods schauspielerische A-Liga winkt. Ein zweiter Blick zahlt sich hier aber aus, denn neben seinem Cast kann das Biopic vor allem mit seiner ungewöhnlichen Erzählweise und hohem Unterhaltungswert punkten.

Joy ist ein Familienfilm. Das nicht im Sinne eines vergnüglichen Kinonachmittags mit Popcorn und Kindergeschrei, sondern ein Film, der einen unbeschönigten und doch liebevollen Blick auf Familienstrukturen und -konflikte wirft. Und gerade letztere gibt es hier zu Genüge. Die Mutter (Virginia Madsen), die in ständiger Realitätsflucht nur noch für ihre Soaps lebt, der (geschiedene) cholerische Vater (Robert De Niro=, der, von der aktuellen Freundin rausgeschmissen, sich zwischenzeitlich im Keller einquartiert, wo allerdings schon der Ex-Mann (Édgar Ramírez) haust. Dazu kommen noch die eifersüchtige Halbschwester, die gut zuredende Großmutter und (noch am pflegeleichtesten) die zwei Kinder. Und inmitten dieser dysfunktionalen Familie steht die alles zusammenhaltende Joy (Jennifer Lawrence), kreativer Kopf und technisch begabt, die ihre eigenen Träume im alltäglichen Chaos scheinbar schon hinter sich gelassen hat. Als ihr dann doch irgendwann alles zu viel wird, folgt nicht der Amoklauf, sondern der Ausbruch und das in Form der Entwicklung eines, in einem Heureka-Moment erdachten, innovativen Wischmobs. Natürlich gibt es keine Erfolgsgeschichte ohne Rückschläge und der Weg bis zum großen Verkaufserfolg ist ein steiniger, der durch allerlei Konflikte und das zwischen Unterstützung und Paternalisierung schwankende familiäre Umfeld nicht gerade erleichtert wird.

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David O. Russell (Silver Linings, American Hustle) greift bei Joy erneut auf sein Erfolgsduo Jennifer Lawrence/Bradley Cooper zurück, wobei letzterer hier nur in einer kleineren Rolle als Geschäftspartner zu sehen ist und erstere für ihre Performance erneut den Hauptrollen-Oscar abstauben könnte. Neben der durchwegs gelungenen Ensembleleistung, ist es vor allem der ungewöhnlichen, sprunghaften Erzählart des Filmes zu verdanken, dass selten Langeweile aufkommt. Anstatt die Geschichte chronologisch abzuspulen, wechselt die Erzählung immer wieder die Zeit- und Realitätsebenen – von Rückblenden in die Kindheit der Protagonistin bis zu Traumsequenzen im Soapstil – und die pointierten Dialoge tragen nicht nur einen großen Teil zur Dynamik der Handlung bei, sondern sorgen auch für die eine oder andere komödiantische Aufheiterung. Bei aller vordergründigen Heiterkeit und Verspieltheit, rückt der ernste Grundton aber nie in den Hintergrund, denn hier geht es nicht in erster Linie um Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern um einen handfesten Klassen- und Geschlechterkampf.

Im Kern zeigt Joy, auf seine verschroben liebevolle Art, wie wichtig (weibliche) Emanzipationsschritte und eine unnachgiebige „No Bullshit“-Mentalität nicht nur im Hinblick auf Selbstverwirklichung und die persönliche Ermächtigung sind, sondern auch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Das Ganze anhand der Entstehungsgeschichte eines auf dem Homeshoppingkanal vertriebenen Haushaltsgegenstandes zu illustrieren, mag paradox klingen, funktioniert aber ganz wunderbar. Das nicht zuletzt aufgrund der grandiosen Darbietung von Jennifer Lawrence, die den Zwiespalt ihrer Figur zwischen Unsicherheit und Renitenz authentisch verkörpert. Derzeit ist auch kaum eine andere Jungschauspielerin denkbar, die die clevere, selbstbewusste (Geschäfts-)Frau glaubhafter repräsentieren könnte.

Menschen mit Berührungsängsten feministischen Ansätzen gegenüber dürfen sich hier entspannt zurücklehnen. Der klare emanzipatorische Impetus, der Joy zum Schwingen bringt, wird dem Publikum weder mit dem Holzhammer eingebläut, noch entsteht beim Sehen jemals der Eindruck eines schulmeisterlich erhobenen Zeigefingers. Vielmehr trägt die geschickt montierte und pointierte Erfolgsstory einen positiven Auf- und Ausbruchsgeist in sich, der in dieser Façon und Größenordnung zuletzt bei Erin Brockovich zu spüren war (und das ist immerhin 16 Jahre her), ermutigend wirkt, anstatt zu deprimieren und Frauen wie Männer gleichermaßen anspricht.

Die dahinterstehende Message bleibt trotzdem unverwässert: vor allem Frauen daran zu erinnern, dass sie eine Verantwortung tragen gegenüber ihren Töchtern, Söhnen, der ganzen Welt– und am allermeisten gegenüber sich selbst–, ihre Talente, Hoffnungen und Träume nicht brach liegen zu lassen, sondern sie, mit Mut zum Widerstand und zum Wohle aller, auch zu verwirklichen. Und wenn das erstmal bedeutet, in den Haushalten für blitzsaubere Böden zu sorgen, ist das ja schon mal ein Anfang.

Regie und Drehbuch: David O. Russell, Darsteller: Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Virginia Madsen, Édgar Ramírez, Diane Ladd, Bradley Cooper, Isabella Rossellini, Laufzeit: 124 Minuten, Kinostart: 01.01.2016, www.joy-derfilm.at


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Autor

Karin Gasch

Aufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.


 
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