James Blake
„Assume Form“
(Polydor)
Gerade schlägt ja der Werbespott eines amerikanischen Rasierklingenherstellers besonders in den USA hohe Wellen, es geht einmal mehr und sehr aufgeregt um die neue Männlichkeit, um Geschlechterrollen und -klischees und augenscheinlich ist diese Debatte sowohl bei Gegnern als auch Befürwortern des Wandels kaum noch ohne den Begriff „toxisch“ zu haben. Stellt sich die Frage: Taugt das neue Album von James Blake denn als Beitrag zum Diskurs? Antwort: Ja und nein. Ja, weil eigentlich alles, was irgendwo auf unserem hektischen Planeten passiert, Veränderungen der Gesellschaft mal mehr und mal weniger schnell beeinflußt, alles wird hinterfragt, ins Verhältnis gesetzt und bewertet, da macht auch diese Platte keine Ausnahme. Zumal sie natürlich von einem Mann vorgelegt wird, der mit seinem zarten Falsett, seiner Innerlichkeit und bewußten Verletzlichkeit so gar nicht in das Raster alter Männerversteher passen und noch immer so manch grob gezimmertes Weltbild zum Wanken bringen dürfte. Nein deshalb, weil Blake ja beileibe kein überraschendes Phänomen mehr ist. „Assume Form“ ist mittlerweile sein viertes Album und auch die vorangegangenen fanden ihr Publikum mit dieser bemerkenswerten Mixtur aus Dubstep, klassischem Songwriting und LoFi-Pop – over the top, klar, aber eben auch sehr berührend. Der einzige seiner Art ist er damit zwar nicht mehr, wohl aber der talentierteste.
Das überraschend kurzfristig veröffentlichte Album hat nun einige behutsame Änderungen im Programm, manche zum Vor-, andere zum Nachteil. Die Vermählung seines Sounds mit trippigem Hip-Hop-Rhymes, 2013 gemeinsam mit Chance The Rapper und dem grandiosen „Life Round Here“ gestartet, erfährt hier seine konsequente Fortsetzung – jetzt finden sich Kollaborationen mit André 3000 („Where’s The Catch“), Metro Boomin/Travis Scott („Mile High“) und dem Neo-Soul von Moses Sumney („Tell Them“) auf der Platte, allesamt sehr gelungen und catchy. Neu dagegen die spanisch-britische Variante, für „Barfood In The Park“ hat Blake die Katalanin Rosalía ins Studio gebeten, herausgekommen ist der wohl spannendste Track des Albums, weil zur bekannten Palette noch der kontrastreiche Gesang der jungen Spanierin hinzukommt, mal gefühlvoll gehaucht, mal rau und leidenschaftlich intoniert. Anderes dagegen gerät weniger zwingend: Wenn Blake im Stile eines gutgelaunten Crooners bei „Can’t Believe The Way We Flow“ den Barjazz beleiht, dann klingt das bei allem Respekt eine Ecke zu kitschig, als Grübler im Halbschatten macht er eine überzeugendere Figur denn als verliebter Charmeur.
Thematisch ist James Blake im Gegensatz zum sphärischen, deepen Klang seiner Tracks dann doch sehr diesseitig, dreht sich vieles um die Liebe mit all ihren Verirrungen, Schmerzen und dem Hochgefühl, welche/s sie für einen bereithält. Im wunderbaren „Power On“ mahnt er die Demut in Partnerschaften an, lobt die Fähigkeit, den anderen mit allen Fehlern und Schwächen zu akzeptieren und als Bereicherung zu erfahren. Das Titelstück wiederum meint die Liebe zur Körperlichkeit an sich eingedenk der Gefahr, sich der medialen Übermacht, der digitalen Verheißung hin- und die Verbindung zum realen Welt aufzugeben – Form annehmen also, hier sein, im Jetzt. Passend dazu der Aufruf an die Zuhörer (und sich selbst) gegen Ende („Don’t Miss It“), sich besser den Moment zu vergegenwärtigen, als ihm später hinterher zu trauern. Um den Bogen zum Anfang zu finden – toxisch ist an all dem gar nichts. Vielmehr geht es um Abrüstung, bestenfalls Entwaffnung, darum, Gefühl zuzulassen, Fehler zu dulden. Zum Rolemodel eines scharf kalkulierenden Markenartiklers eignet sich sich Blake dennoch nicht – in diesem speziellen Falle wäre er (ein Blick auf’s Cover genügt) für den Job auch einfach zu schlecht rasiert. https://www.jamesblakemusic.com/
„Assume Form“
(Polydor)
Gerade schlägt ja der Werbespott eines amerikanischen Rasierklingenherstellers besonders in den USA hohe Wellen, es geht einmal mehr und sehr aufgeregt um die neue Männlichkeit, um Geschlechterrollen und -klischees und augenscheinlich ist diese Debatte sowohl bei Gegnern als auch Befürwortern des Wandels kaum noch ohne den Begriff „toxisch“ zu haben. Stellt sich die Frage: Taugt das neue Album von James Blake denn als Beitrag zum Diskurs? Antwort: Ja und nein. Ja, weil eigentlich alles, was irgendwo auf unserem hektischen Planeten passiert, Veränderungen der Gesellschaft mal mehr und mal weniger schnell beeinflußt, alles wird hinterfragt, ins Verhältnis gesetzt und bewertet, da macht auch diese Platte keine Ausnahme. Zumal sie natürlich von einem Mann vorgelegt wird, der mit seinem zarten Falsett, seiner Innerlichkeit und bewußten Verletzlichkeit so gar nicht in das Raster alter Männerversteher passen und noch immer so manch grob gezimmertes Weltbild zum Wanken bringen dürfte. Nein deshalb, weil Blake ja beileibe kein überraschendes Phänomen mehr ist. „Assume Form“ ist mittlerweile sein viertes Album und auch die vorangegangenen fanden ihr Publikum mit dieser bemerkenswerten Mixtur aus Dubstep, klassischem Songwriting und LoFi-Pop – over the top, klar, aber eben auch sehr berührend. Der einzige seiner Art ist er damit zwar nicht mehr, wohl aber der talentierteste.
Das überraschend kurzfristig veröffentlichte Album hat nun einige behutsame Änderungen im Programm, manche zum Vor-, andere zum Nachteil. Die Vermählung seines Sounds mit trippigem Hip-Hop-Rhymes, 2013 gemeinsam mit Chance The Rapper und dem grandiosen „Life Round Here“ gestartet, erfährt hier seine konsequente Fortsetzung – jetzt finden sich Kollaborationen mit André 3000 („Where’s The Catch“), Metro Boomin/Travis Scott („Mile High“) und dem Neo-Soul von Moses Sumney („Tell Them“) auf der Platte, allesamt sehr gelungen und catchy. Neu dagegen die spanisch-britische Variante, für „Barfood In The Park“ hat Blake die Katalanin Rosalía ins Studio gebeten, herausgekommen ist der wohl spannendste Track des Albums, weil zur bekannten Palette noch der kontrastreiche Gesang der jungen Spanierin hinzukommt, mal gefühlvoll gehaucht, mal rau und leidenschaftlich intoniert. Anderes dagegen gerät weniger zwingend: Wenn Blake im Stile eines gutgelaunten Crooners bei „Can’t Believe The Way We Flow“ den Barjazz beleiht, dann klingt das bei allem Respekt eine Ecke zu kitschig, als Grübler im Halbschatten macht er eine überzeugendere Figur denn als verliebter Charmeur.
Thematisch ist James Blake im Gegensatz zum sphärischen, deepen Klang seiner Tracks dann doch sehr diesseitig, dreht sich vieles um die Liebe mit all ihren Verirrungen, Schmerzen und dem Hochgefühl, welche/s sie für einen bereithält. Im wunderbaren „Power On“ mahnt er die Demut in Partnerschaften an, lobt die Fähigkeit, den anderen mit allen Fehlern und Schwächen zu akzeptieren und als Bereicherung zu erfahren. Das Titelstück wiederum meint die Liebe zur Körperlichkeit an sich eingedenk der Gefahr, sich der medialen Übermacht, der digitalen Verheißung hin- und die Verbindung zum realen Welt aufzugeben – Form annehmen also, hier sein, im Jetzt. Passend dazu der Aufruf an die Zuhörer (und sich selbst) gegen Ende („Don’t Miss It“), sich besser den Moment zu vergegenwärtigen, als ihm später hinterher zu trauern. Um den Bogen zum Anfang zu finden – toxisch ist an all dem gar nichts. Vielmehr geht es um Abrüstung, bestenfalls Entwaffnung, darum, Gefühl zuzulassen, Fehler zu dulden. Zum Rolemodel eines scharf kalkulierenden Markenartiklers eignet sich sich Blake dennoch nicht – in diesem speziellen Falle wäre er (ein Blick auf’s Cover genügt) für den Job auch einfach zu schlecht rasiert. https://www.jamesblakemusic.com/