Ivan geht es prächtig. Obwohl der Unfall nun schon fast eine Woche her ist, lässt er sich noch immer von mir herumtragen. Beim Tierarzt war ich nur noch ein Mal mit ihm, es wird mir zu teuer. Seine Schmerzmittel und Antibiotika verschreibe ich ihm jetzt selbst und spritze sie ihm mit einer gewissen hämischen Freude in den Hintern. Außerdem müffelt er mit den beiden eigegipsten Pfoten. Ich habe ihm daher gestern Abend ein Bad verpasst. Er war ziemlich sauer, aber ich bin stärker als er, und mit den Gipspfoten kann er auch nicht sonderlich gut kratzen. Er rächt sich auf seine Art. Zum Beispiel tut er wie gesagt noch immer so, als könne er nicht laufen und lässt sich von mir in der Gegend rumtragen. Dabei weiß ich genau, dass er sich sehr wohl bewegen kann, denn wenn ich nicht da bin, schafft er es ja auch bis zum Fressnapf. Aber sobald ich durch die Tür trete, spielt er wieder sterbender Schwan und liegt demonstrativ leidend auf der Couch.
Heute dann erreichte das Ganze seinen vorläufigen Höhepunkt. Ich kam von der Klinik nach Hause und griff die Tasche mit meiner Yogamatte. Das war für ihn das Signal. Demonstrativ legte er sich auf meine Yogaklamotten, die ich gerade auf der Couch abgelegt hatte. Er war nicht runterzubewegen. Auf seine linkische Art gab er mir zu verstehen, er wolle mitkommen. Ich wiederum gab ihm zu verstehen, das könne er vergessen und nahm mir einfach eine andere Hose aus dem Schrank. Auf einmal entwickelte er eine ungeahnte Beweglichkeit und krallte sich mit seinen Hinterläufern an meinem Fuß fest. Ich versuchte ihn abzuschütteln, woraufhin er sich in meiner Hose verbiss. So schleppte ich ihn bis zur Tür, aber was sollte ich machen, ich konnte mir ja nicht mal meine Schuhe anziehen. Die Zeit drängte, also holte ich, noch immer Ivan am Bein, seine Transportbox (120 Euro, ich sag’s ja nur). Monsieur Ivan hat aber keinen Bock auf Transportbox. Ich mache es kurz: ich musste ihm mal wieder eine Wärmflasche machen, und ihn auf der Wärmflasche zur U-Bahn tragen. Er thronte ganz selbstgefällig darauf. Von Schmerzen übrigens keine Spur. Ich überlegte kurzzeitig, ihn einfach in der U-Bahn liegenzulassen, aber da waren zu viele Leute, ich glaube, das wäre aufgefallen. Außerdem krallte er sich zur Sicherheit mit seinem Hinterläufer in meinem Mantel ein (Desigual, ne Menge Euro, ich sag’s ja nur). Es war mir äußerst peinlich, mit ihm im Yogastudio aufzulaufen, aber natürlich machte er, kaum dass wir durch die Tür traten, einen auf niedlich, und die ganze Mädels fanden ihn ja “sooooo süß!” und “der arme Kerl mit seinen zwei gebrochenen Pfoten!” Er hat’s voll genossen und sich von allen selbstgefällig streicheln lassen. Sollte er mir mal dankbar sein, dass ich ihn gebadet habe, sonst hätte ihn ja keiner angefasst. Ich hab dann mal gefragt, ob ihn jemand geschenkt haben will, aber die haben echt geglaubt, das sei ein Scherz. Während des Trainings lag er neben mir rum und hat gepennt. Ich hätte ihn schlagen können.
Als wir wieder nach Hause kamen, habe ich ihn zur Strafe im Bad eingeschlossen. Ich bin auch völlig immun gegen das Kratzen an der Tür, obwohl mich schon mal interessieren würde, wie er das bewerkstelligt. Ich denke, zwei Stunden wird er schon noch aushalten müssen. Strafe muss sein.