Italien braucht keine Demokratie

In einem Kommentar zum eilfertigen Ersatz der Regierungschefs in Griechenland und Italien durch Technokraten bringt der Schriftsteller Isaac Rosa auf den Punkt, was quer durch Europa für einiges Aufsehen sorgen sollte und doch nur ein verlegenes Hüsteln auslöst: Demokratie ist angesichts der anstehenden Reformen eher lästig. Hier die Übersetzung des pointierten Kommentars:

Dass Berlusconi ein grottenschlechter Regierungschef war, wissen wir bereits. Dass Mario Monti besser regieren kann, ist offensichtlich – aber kein besonderes Verdienst angesichts des tiefen Falls seines Vorgängers. Nun denn: Berlusconi haben die Italiener ebensowenig fortgejagt, wie sie Monti gewählt haben. Ich weiss, ich weiss: Der Wille der Bürger ist in einem Moment wie diesem – in dem laut den Worten von Van Rompuy, dem Präsidenten des Europäischen Rates, «Italien Reformen braucht, keine Wahlen» – etwas Zweitrangiges.

Allein das Auswechseln des Premierministers ist schon eine hässliche Sache. Denn Monti hat sich keiner Wahl gestellt, noch ist er nachgerückt. Doch den Italienern wurde nicht nur die Wahl ihres Regierungschefs vorenthalten, sondern auch die Entscheidung über eine Politik, die so rein «technisch» nicht sein wird: Als Einstieg verspricht Monti, die Renten zu reformieren, den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, die Gehälter einzufrieren, kräftig zu privatisieren, gewisse Sektoren zu liberalisieren und sogar eine Reform, um die Privilegien der Politiker zu beschneiden … Das nennt sich «Regierung der Experten», ganz so als ob man sich darauf beschränken würde, eine neutrale Gebrauchsanweisung anzuwenden. Doch was ansteht, ist reine und knallharte Politik – vor allem knallharte.

Gewiss: Monti wird von den Abgeordneten gewählt werden, und diese werden seine Massnahmen absegnen müssen. Doch ich fürchte, die Abgeordneten werden sie einfach abnicken. Denn wenn das Parlament eine der Reformen nicht gutheisst, wird uns wohl jemand aus Brüssel darauf hinweisen, dass «Italien Reformen braucht und kein Parlament». Berlusconi ist schlecht, lächerlich, ein Hurenbock und Mafioso. Die Griechen sind Nichtsnutze und Lügner. Wenn es uns Spanier morgen trifft: Wessen werden sie uns anklagen? Was wird unsere Schuld sein? Ich weiss nicht, ob Sie es gemerkt haben. Im europäischen Diskurs hat es einen subtilen Schwenk gegeben: Man spricht nicht mehr vom «Angriff der Märkte». Die Schuld hat sich nun verschoben – von den Spekulanten, die die Finanzkrise verursacht und mit den öffentlichen Schulden gespielt haben, um ihre Geschäfte zu machen, koste es, was es wolle, hin zu den betrügerischen Griechen oder dem Gauner Berlusconi, welcher tatsächlich – und das möchte ich betonen – ein furchtbarer Typ ist. Aber nicht die Italiener haben ihn fortgejagt – die natürlich Reformen brauchen und keine Demokratie.

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Original des Kommentars auf Isaac Rosas Blog


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