Nachdem wir nun ein paar Monate kinderwagenlos unterwegs waren, haben das Au Pair und ich heute die Geduld verloren und wir haben uns aufgemacht, Kinderwagen Nummer 7 zu erstehen. Ja, ich weiss, ich hatte mir geschworen, nie wieder einen zu kaufen, aber wenn ihr mal an einem sonnigen Winternachmittag mit dem Prinzchen im Schlepptau durch Solothurn geschlendert wäret, würdet ihr verstehen, weshalb wir noch einmal Geld ausgegeben haben für so ein Ding. Das Kind kann nämlich nicht – wie es sich für einen Zweijährigen gehört – im Schneckentempo durch die Strassen wandern, hier einen Stein bewundern und da einen Flaschendeckel aufheben. Nein, der Kleine rast durch die Strassen, klettert, wo er nicht klettern sollte, weil es lebensgefährlich ist und entschwindet unseren Blicken, wann immer er kann. Wenn es schon im beschaulichen Solothurn so schwierig ist, das Kind im Auge zu behalten, wie wird das erst im von Touristen überschwemmten Prag sein, wo wir die Sommerferien verbringen werden? Also musste ein Kinderwagen her und zwar sofort.
Nun mögt ihr euch vielleicht fragen, wie man bloss auf die hirnverbrannte Idee kommt, mit fünf Kindern eine Ferienwoche in Prag zu buchen. Nun, ich werde euch erklären, weshalb wir zum Schluss gekommen sind, dass dies genau der richtige Zeitpunkt ist. Vor ein paar Jahren noch wäre es nicht möglich gewesen, denn mit mehreren Wickelkindern, vielleicht noch einem Baby, das gestillt werden muss und ein oder zwei Kleinkindern im besten Trotzalter verbringt man nun mal keine Ferien in einer Stadt. In ein paar Jahren, wenn Karlsson und Luise in der Pubertät sein werden und über alles, was mit Geschichte, Kunst oder Kultur zu tun hat, nur schnöden werden, können wir das auch nicht mehr machen. Dann werden wir nämlich irgendwo am Strand liegen müssen, weil dies für unsere Kinder das höchste der Gefühle – und für mich der Albtraum schlechthin – sein wird.
Jetzt aber, wo Karlsson für Barock, klassische Musik und Antiquitäten schwärmt, Luise sich von Ballett, hübschem Krimskrams und köstlichen Torten verzaubern lässt, der FeuerwehrRitterRömerPirat mit Begeisterung in der Zeit der Ritter, Kaiser und alten Astronomen wühlt und der Zoowärter sich so sehr mit dem kleinen Maulwurf identifiziert, dass er demnächst einen unterirdischen Gang im Garten graben wird, ist der perfekte Zeitpunkt gekommen, um unseren Kindern die Stadt zu zeigen, die all das, was sie lieben, bietet.
Aber eben, das Prinzchen ist noch etwas klein, um all die Schönheit ohne Kinderwagen zu sehen. Wir wollen doch nicht, dass er sich im Gedränge einer Italienischen Reisegruppe anschliesst und am Ende nur Pizza und Pasta, anstelle von Knödeln und Palatschinken isst. Also haben das Au Pair und ich uns auf die Suche nach einem erschwinglichen Kinderwagen gemacht, der trotzdem stabil genug ist, um mindestens bis zum Sommer durchzuhalten. Ich kann euch versichern, es war nicht einfach, aber am Ende wurden wir im Fachgeschäft fündig. Allerdings mussten wir sehr lange warten, bis wir das Wägelchen bezahlen und mitnehmen konnten, den die einzige Bedienung in dem riesigen Geschäft war gerade dabei, werdenden Eltern zu erklären, worauf man beim Kinderwagenkauf zu achten hätte. Ich hatte ganz vergessen, wie unsinnig die Fragen sind, die werdende Eltern in einem Baby-Fachgeschäft stellen können. Waren „Meiner“ und ich auch mal so unwissend?
Nun, irgendwann tauchte dann doch noch eine zweite Verkäuferin auf und die wollte sogleich damit anfangen, zu erklären, was Kinderwagenkäufer gewöhnlich wissen wollen: Wie man das Gefährt zusammenlegt, welche Vorzüge es hat, was man damit alles machen kann. Weit liess ich sie allerdings nicht kommen mit ihren Erläuterungen. Dies sei Kinderwagen Nummer 7, liess ich sie wissen, deshalb brauche man mir nichts mehr zu erzählen. Man hat ja schliesslich seinen Stolz, nicht wahr? Oder sehe ich etwa so aus, als sei ich eine Anfängerin in Sachen Kinderwagen?
Nun ja, offen gestanden war es nicht nur der Stolz, der mich daran hinderte, der Verkäuferin zuzuhören. Vor allem wollte ich einfach nur so schnell als möglich aus diesem Laden herauskommen. Irgendwie wurde mir nämlich etwas weh ums Herz, als ich diesen werdenden Eltern zuhörte und mir klar wurde, dass ich nie wieder einer Verkäuferin unsinnige Fragen zu Kinderwagen stellen werde. Und als mir bewusst wurde, dass dies wohl tatsächlich der allerletzte Kinderwagen war, den ich gekauft habe. Obschon ich dies ja schon öfters gesagt habe…