Isolation Berlin
„Und aus den Wolken tropft die Zeit“
(Staatsakt)
Platten, in deutscher Sprache gesungen, die einen Lied für Lied aus den Schuhen zu hauen vermögen, sind rar gesät. Zuletzt gelang das Anfang des vergangenen Jahres den Berliner Grimepoeten von Zugezogen Maskulin, die Liebe, Schmerz und Wut aus dem betonierten Plattenghetto in die heile Welt hinausschrien, „Alles brennt“ kam daher wie ein Fanal, vollkommen überdreht, kurzatmig und fast schon soziopathisch. Und nun schon wieder die Hauptstadt, diesmal sogar gebürtig – Tobias Bamborschke, Max Bauer, David Specht und Simeon Köster sind die jungen Kinder einer Stadt, die sie mit ihrer Tristesse, Anonymität und fieberhaften Geschäftigkeit in die Isolation, also die gemeinsame Einsamkeit als Band getrieben hat. „Wenn es dir dreckig geht, bist du nicht zu beneiden, passiert dir das in Berlin, bist du am Arsch“ – ein Satz, den Sänger Bamborschke wohl unterschreiben würde. Dem grellen Zorn von ZM setzt der Junge eine offenherzige Dünnhäutigkeit entgegen, die einen sofort für ihn einnimmt.
Sven Regener und seine Kapelle Element Of Crime in diesem Zusammenhang nicht zu erwähnen, wäre für einen Rezensenten nicht nur kaum möglich, sondern sogar eine grobe Unterschlagung, denn des Bremers hohe Kunst, dunkle Gedanken in tröstlich-melancholische Reime zu fassen, war für Bamborschke Erweckungserlebnis und hohe Schule zugleich, hier fand er nach eigenen Angaben die einzige Möglichkeit, aus eigenem Leid Gewinn zu schöpfen. Und auch wenn einen die Optik eher auf Rio Reiser tippen läßt und die seltenen Wutausbrüche vielleicht Peter Heins Fehlfarben ins Bild rücken – es bleibt Regener, der die meisten Ansatzpunkte bietet. Stücke wie „Aufstehn, losfahrn“, „Du hast mich nie geliebt“ und „Der Garten Deiner Seele“ atmen so viel von der Grauzonenromantik des knurrigen Hanseaten, dass diesen fast schon väterliche Gefühle überkommen müssten.
Auch an beißend ironischer Schwarzmalerei mangelt es den Texten nicht, Bamborschke besingt die Vergeblichkeit, die ihn dem Alkohol in die Arme treibt, weil doch zu Hause nur die Depression lauert und nicht nur die: „… in der Dusche hockt die nackte Angst und der Menschenhass im Bücherregal“. Die Bereitwilligkeit, mit der hier der Düsternis, dem Misstrauen und selbst dem Wahn Platz gemacht werden, verblüfft, man möchte den Jungen fast in den Arm nehmen, so verfahren und ausweglos erscheint die Welt seiner Lieder, so unnachgiebig bestehen Band und Sänger auf Trübsinn und Niedergeschlagenheit. Unterstrichen wird die frostige Stimmung zuweilen von einem Sound, der Isolation Berlin nicht ganz zu Unrecht das Etikett des Post-Punk einbrachte – die schmissigen Funkgitarren bei „Verschließe Dein Herz“, knirschende New-Wave-Beats in „Ich küss dich“ und das Lärmcrescendo von „Ich wünschte, ich könnte“ kontrastieren fabelhaft mit dem Kaschemmenblues an anderer Stelle.
So vielschichtig und wandelbar die vier sich musikalisch präsentieren, so wenige Alternativen bieten sie dem zunehmend traurigen Gemüt, von Rettungsanker oder Hoffnung möchte man erst gar nicht sprechen. Abhauen wäre eine Möglichkeit, sich aus dem Staub machen („Fahr weg“) oder eben die Flucht in den Fatalismus, von der Bamborschke zum Schluss dieses großartigen Albums („Herz aus Stein“) erzählt. Kurz gesagt: Wer den Ausbruch nicht wagt, dem bleibt am Ende nur eines – der Einschluss. Unbedingt erwähnt werden muss an dieser Stelle noch die zeitgleich veröffentlichte Zusammenfassung der beiden ersten EP („Körper“ und „Aquarium“) der Band unter dem ziemlich albernen resp. irreführenden Titel „Berliner Schule/Protopop“, denn hier finden sich neben dem sinnstiftenden Song „Isolation Berlin“ auch noch zwei glänzende Coverversionen. Zum einen Nina Hagens „Fall In Love Mit Mir“ und die Übersetzung des Joy-Division-Klassikers – na?! – „Isolation“, ersteres herrlich übergeschnappt, letzteres überraschend stimmig. Dass schlechte Laune und gute Musik durchaus harmonieren können, haben die Herren aus Manchester ja schon länger bewiesen – nicht die schlechteste Schule, möchte man meinen.
19.02. Berlin, Feierhalle am Südstern
30.03. Leipzig, Moritzbastei
31.03. Rostock, Peter-Weiss-Haus
01.04. Hamburg, Molotow
02.04. Münster, Gleis 22
03.04. Hannover, Faust
04.04. Haldern, Pop Bar
05.04. Wiesbaden, Schlachthof
06.04. Nürnberg, MUZclub
07.04. Coburg, Sonderbar
08.04. Karlsruhe, Kohi
09.04. Stuttgart, Goldmark's
10.04. München, Feierwerk
... weitere Termine auf der Facebook-Seite der Band
„Und aus den Wolken tropft die Zeit“
(Staatsakt)
Platten, in deutscher Sprache gesungen, die einen Lied für Lied aus den Schuhen zu hauen vermögen, sind rar gesät. Zuletzt gelang das Anfang des vergangenen Jahres den Berliner Grimepoeten von Zugezogen Maskulin, die Liebe, Schmerz und Wut aus dem betonierten Plattenghetto in die heile Welt hinausschrien, „Alles brennt“ kam daher wie ein Fanal, vollkommen überdreht, kurzatmig und fast schon soziopathisch. Und nun schon wieder die Hauptstadt, diesmal sogar gebürtig – Tobias Bamborschke, Max Bauer, David Specht und Simeon Köster sind die jungen Kinder einer Stadt, die sie mit ihrer Tristesse, Anonymität und fieberhaften Geschäftigkeit in die Isolation, also die gemeinsame Einsamkeit als Band getrieben hat. „Wenn es dir dreckig geht, bist du nicht zu beneiden, passiert dir das in Berlin, bist du am Arsch“ – ein Satz, den Sänger Bamborschke wohl unterschreiben würde. Dem grellen Zorn von ZM setzt der Junge eine offenherzige Dünnhäutigkeit entgegen, die einen sofort für ihn einnimmt.
Sven Regener und seine Kapelle Element Of Crime in diesem Zusammenhang nicht zu erwähnen, wäre für einen Rezensenten nicht nur kaum möglich, sondern sogar eine grobe Unterschlagung, denn des Bremers hohe Kunst, dunkle Gedanken in tröstlich-melancholische Reime zu fassen, war für Bamborschke Erweckungserlebnis und hohe Schule zugleich, hier fand er nach eigenen Angaben die einzige Möglichkeit, aus eigenem Leid Gewinn zu schöpfen. Und auch wenn einen die Optik eher auf Rio Reiser tippen läßt und die seltenen Wutausbrüche vielleicht Peter Heins Fehlfarben ins Bild rücken – es bleibt Regener, der die meisten Ansatzpunkte bietet. Stücke wie „Aufstehn, losfahrn“, „Du hast mich nie geliebt“ und „Der Garten Deiner Seele“ atmen so viel von der Grauzonenromantik des knurrigen Hanseaten, dass diesen fast schon väterliche Gefühle überkommen müssten.
Auch an beißend ironischer Schwarzmalerei mangelt es den Texten nicht, Bamborschke besingt die Vergeblichkeit, die ihn dem Alkohol in die Arme treibt, weil doch zu Hause nur die Depression lauert und nicht nur die: „… in der Dusche hockt die nackte Angst und der Menschenhass im Bücherregal“. Die Bereitwilligkeit, mit der hier der Düsternis, dem Misstrauen und selbst dem Wahn Platz gemacht werden, verblüfft, man möchte den Jungen fast in den Arm nehmen, so verfahren und ausweglos erscheint die Welt seiner Lieder, so unnachgiebig bestehen Band und Sänger auf Trübsinn und Niedergeschlagenheit. Unterstrichen wird die frostige Stimmung zuweilen von einem Sound, der Isolation Berlin nicht ganz zu Unrecht das Etikett des Post-Punk einbrachte – die schmissigen Funkgitarren bei „Verschließe Dein Herz“, knirschende New-Wave-Beats in „Ich küss dich“ und das Lärmcrescendo von „Ich wünschte, ich könnte“ kontrastieren fabelhaft mit dem Kaschemmenblues an anderer Stelle.
So vielschichtig und wandelbar die vier sich musikalisch präsentieren, so wenige Alternativen bieten sie dem zunehmend traurigen Gemüt, von Rettungsanker oder Hoffnung möchte man erst gar nicht sprechen. Abhauen wäre eine Möglichkeit, sich aus dem Staub machen („Fahr weg“) oder eben die Flucht in den Fatalismus, von der Bamborschke zum Schluss dieses großartigen Albums („Herz aus Stein“) erzählt. Kurz gesagt: Wer den Ausbruch nicht wagt, dem bleibt am Ende nur eines – der Einschluss. Unbedingt erwähnt werden muss an dieser Stelle noch die zeitgleich veröffentlichte Zusammenfassung der beiden ersten EP („Körper“ und „Aquarium“) der Band unter dem ziemlich albernen resp. irreführenden Titel „Berliner Schule/Protopop“, denn hier finden sich neben dem sinnstiftenden Song „Isolation Berlin“ auch noch zwei glänzende Coverversionen. Zum einen Nina Hagens „Fall In Love Mit Mir“ und die Übersetzung des Joy-Division-Klassikers – na?! – „Isolation“, ersteres herrlich übergeschnappt, letzteres überraschend stimmig. Dass schlechte Laune und gute Musik durchaus harmonieren können, haben die Herren aus Manchester ja schon länger bewiesen – nicht die schlechteste Schule, möchte man meinen.
19.02. Berlin, Feierhalle am Südstern
30.03. Leipzig, Moritzbastei
31.03. Rostock, Peter-Weiss-Haus
01.04. Hamburg, Molotow
02.04. Münster, Gleis 22
03.04. Hannover, Faust
04.04. Haldern, Pop Bar
05.04. Wiesbaden, Schlachthof
06.04. Nürnberg, MUZclub
07.04. Coburg, Sonderbar
08.04. Karlsruhe, Kohi
09.04. Stuttgart, Goldmark's
10.04. München, Feierwerk
... weitere Termine auf der Facebook-Seite der Band