Der Ironman Frankfurt 2011 ist schon wieder Geschichte, aber wie ihr wisst, bin ich nach so einem Ereignis besonders fleißiger Blogger und werde euch einen interessanten Bericht meines Wettkampfs präsentieren. Damit die ganze Sache überschaubar bleibt, verteile ich das ganze auf drei Tage.
Es ist Sonntag früh der 24.07. – Ironman Day - 3:30 Uhr und mein Wecker klingelt – Hammer oder. Aber der Start um 6:45 Uhr am Langener Waldsee fordert seinen Tribut und ich bin ja nicht der einzige, der sich um diese Uhrzeit aus den Federn quälen muss. Wäre das der einzige Tribut des heutigen Tages, es ein Freudenfest werden. Aber es wäre kein Ironman, wenn man nicht den ganzen Tag mit Überaschungen zu rechnen hätte.
Ich benötigte heute aber keine großen Überredungskünste. Mein Körper setzte sich wie von selber in Bewegung und verrichtet programm gemäß die notwendigen Schitte, die man morgens vor so einem Event ab zu arbeiten hat. Um kurz nach 4:00 Uhr war alles im Gepäck – den Rest hatte ich schon am Samstag bei der Radabgabe in Frankfurt gelassen. So was alles überschaubar in zwei Taschen verstaut und ich konnte mich entspannt von meiner Frau verabschieden.
Mit einem – komm gesund wieder nach Hause – schickte sie mich in den langen Renntag und ich konnte mich endlich auf die finale Phase meines Wettkampfs begeben. Alles war jetzt so vorbereitet, dass nichts mehr schief gehen konnte – oder zumindest das nicht, was ich beeinflussen konnte – dachte ich zumindest.
In diesem Jahr hatte ich auch die gesamte Logistik in Frankfurt alleine geregelt und mich für den Transfer zum Langener Waldsee mit dem Shuttlebus entschieden. Um 5:00 Uhr fand ich in der Nähe des Zielbereichs einen Parkplatz und musste mich nur den Leuten anschließen, die mit leichten Kaubewegungen und einer weißen Wechseltüte behangen, in Richtung Bushaltestelle pilgerten.
Stille Konzentration umgab die meisten Teilnehmer – einzig diverse Kombinate spanischer bzw. italienischer Triathleten, die sehr zahlreich in Frankfurt vertreten sind – hatten ihre Redelust auch zu so früher Stunde nicht verloren und man hatte immer Gesprachspartner, auch wenn man der Sprache nicht mächtig war.
Die Sprachgewalt und bewegte Unruhe südländischer Vertreter war mir schon am Samstag beim Check-In der Räder aufgefallen. Ich – schön exakt in der Reihe stehend - musste mein Rad – vor allem mein Schaltwerk – vor ständigen Attacken spanischer oder anderer ähnlich klingender Vertreter des Abendlandes in Schutz nehmen, wollte ich am Sonntag nicht ein Waterloo erleben.
Aber Samstag war überstanden – da sollte der kurze Trip von Frankfurt zum Langener Waldsee nicht mehr das große Problem darstellen. Ich erwischte einen relativ vollen Bus, der gerade losfahren wollte und stieg noch rechtzeitig ein. Kein Sitzplatz, dafür nah an der Tür, so dass immer wieder etwas Außenluft zu spüren war und das sollte sich nach einiger Zeit noch als sehr wichtig erweisen.
Wir befinden uns schließlich in einer Großstadt und da sind die Ampeln auch schon um 5:00 Uhr in Arbeit und der Verkehr ebbt eigentlich nie ab. So dauerte die Fahrt eine gefühlte Ewigkeit und der überfüllte Bus begann sich langsam in eine fahrende Sauna zu verwandeln. Ich spielte nach einiger Zeit einen skurielen Gedanken in meinem Köpchen durch – was würde passieren, wenn der Busfahrer den Weg nicht kannte und sich mit geschätzen 100 Triathlten so verfahren würde, dass wir nicht mehr rechtzeitig zum See kommen würden – würde der Veranstalter auf uns warten – oder der grossen Masse zu Gunsten uns kleinere Gruppe opfern.
Die Frage fand keine Antwort, da ich einige Sekunden später die Verkehrsschilder erkannte, die uns den Weg zum Langener Waldsee anzeigten. Jetzt musste ich nur noch die sauerstoffarme Fahrtt überstehen und dann lag einem schönen Start in den langen Tag nichts mehr im Weg.
Als wir endlich die Zufahrt zu Kiesgrube erreichten, die dann auch zum See führt, sah ich die endlose Schlange der Autos mit den Privatfahrern, die die Teilnehmer persönlich zum See brachten. Wir in den Bussen hatten Vorfahrt und ich wusste jetzt, warum ich mich für diese Variante entschieden hatte.
Nach kurzer Zeit durften wir endlich aussteigen und die frische Luft tat gut und ließ den leicht matschigen Kopf wieder hellwach werden. Auch ein Vorteil der Shuttelbusse – wir standen direkt vorm Eingang zum See und mussten nicht wie die anderen die knapp 1,5 km von der Kiesgrube nach oben laufen – immerhin, es war ja noch ein langer Tag.
Wie immer eine Menschenmasse am Eingang zur Wechselzone – die meisten nur Zusschauer, die entweder ihren Freund, Partner, Mann, Frau, Kind oder sonst wen begleiteten oder einfach nur so die Spannung hautnah erleben wollten. Nur irgendwie schwierig, da dadurch die eigentlichen Teilnehmer fast nicht in die Wechselzone kamen und die Anspannung sich immer höher schraubte.
Zum Glück kommt man nur mit dem Akreditierungsbändchen in die Wechselzone und so hatten wir hinterm Zaun endlich die notwendige Ruhe die vor so einem harten Rennen dringend nötig ist. Nach kurzer Orientierung fand ich schnell meine Reihe und auch meinen Stellplatz, der nach Startnummern geordnet ist (430).
Der erste Griff ging wie bei allen anderen auch an die Reifen, ob auch Luft in den Schlächen ist oder sich über Nacht ein Schleicher gebildet hat. Alles ok – es tat sich so etwas wie Routine auf – Sachen auspacken – alles zum schnellen Wechsel vorbereiten – Neopren auspacken. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir noch 30min bis zum Start – alle Zeit der Welt.
Also noch mal auf zum Dixihäuschen sich etwas leichter machen. Auf dem Weg zurück ein kurzer Smalltalk mit Marco und schon war ich wieder in voller Konzentration bei meiner Vorbereitung. Als nächstes wollte ich meinen Autoschlüssel in die kleine Tasche an der Rückseite meiner CEP Hose verstauen – das hatte in Münster hervorragend funktioniert und so sollte es heute auch sein.
Doch der Griff in meine Hosentasche ging ins Leere – das gibts doch nicht – vor einigen Minuten spürte ich ihn noch bei einer meiner Kontrollen und jetzt sollte er plötzlich nicht mehr da sein – das konnte doch gar nicht sein. Voller Panik begann ich alle Taschen zu durchwühlen – nichts. Ich schüttete den Inhalt auf mein Handtuch, das ich zum Wechsel vor mein Fahrrad gelegt hatte und suchte verzweifelt nach dem Objekt meiner Begierde.
Nichts – er blieb wie vom Erdboden verschwunden. Was sollte ich jetzt tun. Den ganzen Platz absuchen – ein Mikrophon herzaubern und alle Teilnehmer zur Mithilfe auffordern – alles umsonst dachte ich – die ganze Vorbereitung lief reibungslos und jetzt so kurz vorm Start diese Katastrophe. Wie sollte ich heute abend nach dem Wettkampf mit zerstörtem Körper und leerem Kopf dieses Problem logistisch meistern.
In meiner Not wählte ich Bischis Nummer, aber um 6:25 Uhr schläft man normalerweise am Sonntag noch – also keine Antwort. Dann rief ich meine Frau an und die nahm zum Glück gleich den Hörer ab. Ich gab ihr in kanppen Worten einen Abriss meines Missgeschicks und flehte um irgendeine Lösung. Sie erfasste sofort die Lage und sprach nur einen Satz – Schatz konzentriere du dich jetzt auf deinen Wettkampf, ich kümmere mich um den Schlüssel – und dieser Satz war überlebenswichtig.
Diesen Horror hatte ich jetzt so einigermaßen in den Griff bekommen, aber der Blick auf meine Uhr und die Stimme des Sprechers verrieten mir die immer knapper werdende Zeit und ich musste mich sputen. Es war schon 6:35 Uhr als ich endlich in den Neopren schlüpfte und wirklich nicht mehr viel Zeit für die restlichen Dinge hatte. So schmiss ich den ganzen Kram, den ich nicht für den Radsplit benötigte, in den weißen Wechselbeutel, der vom Orgateam nach Frankfurt gefahren wurde und bog barfussig und nur noch mit Brille und blauer Badekappe – wie geil – endlich in Richtung Start zumSeeufer.
Dort warteten schon die ganze Meute der zweiten Startergruppe, die 15min nach uns in Wasser gelassen wurde. Da war Druck auf dem Kessel und ich schlüpfte im Zick Zack Kurs durch die Massen und hatte endlich Wasser um die Beine. So Badekappe auf und ein letzter Kontrollblick auf meine verspiegelte Predator und es konnte los gehen. Irgendwie fühlte sich das Material nicht an wie sonst. Komisch dachte ich, wasn jetzt los.
Einem Krankenpfleger entgeht halt nichts – wirklich gar nichts – und mein Herz blieb fast stehen. Da war doch in letzter Minute der Nasensteg meiner Schwimmbrille gebrochen und nur noch an einem kleinen Fitzelchen hingen die beiden Augenteile zusammen. Was kann eigentlich noch in so kurzer Zeit passieren – vieleicht ein entlaufenes Krokodil, dass mir ins Bein beißt – Rippenbruch war letztes Jahr – die Schulter hätte ich mir noch auskugeln können.
So zart ich in dieser Situation eben konnte streichelte ich die Brille übern Kopf und drückte ganz vorsichtig die Augengläser aufs Gesicht. Aber eines war mir klar, die linke Seite fand keinen Unterdruck und so kam was kommen musste und das linke Auge befand sich von Beginn an unter Wasser.
So stand die erste Disziplin, die eh nicht zu meinen Stärken zählt unter keinem guten Stern und ich musste alle psychologischen Fähigkeiten auffahren, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Ich hatte mir den rechten Rand als Startaufstellung vorgenommen und wenigsten das gelang mir jetzt eins zu eins umzusetzten. Die Brille hätte ich ja auch noch wechseln können, aber die Ersatzbrille lag schon im weißen Beutel und der im LKW auf dem Weg nach Frankfurt. Die Hektik – Schlüssel bedingt – fordert ihren Tribut – ihr wisst schon.
Der Startschuss erfolgte und es ging endlich los – ein Jahr nachdem mir an dieser Stelle die Rippe (C8 rechts) gebrochen worden war – und ich konnte heute hier meine Rechnung begleichen, meine Rechnung die ich noch in Frankfurt offen hatte. Nur nicht zu schnell los schwimmen dachte ich mir, den eigenen Rhythmus finden und dann schön gleichmäßig das Programm herunter spulen.
Aber irgenwie war der Wurm heute in meinem Orientierungsorgan – keine Boje, die ich ansteuerte war nach ein paar Armzügen wieder in Sicht – ich musste ständig nachjustieren – einmal fand ich mich fast an der äußersten Begrenzung und musste wieder in die entschwindende Gruppe. Nach einer langen Zeit kam ich endlich an die erste Kurve und konnte nach links abbiegen – genau auf Augenhöhe mit der Sonnte die heute etwas tiefer stand wie sonst – der Termin lag in die diesem Jahr auch drei Wochen später. Somit war Blindflug angesagt.
Zum Glück ließ sich die Sonne nicht all zu lange blicken – hat alles auch was gutes. So konnte ich die nächsten Bojen wieder sehen und es konnte weiter gehen bzw. schwimmen. Nach der nächsten Kurve ging es wieder in Richtung Strand und da hatte ich zum ersten mal so etwas wie ein Gefühl von vorwärts kommen. Orientierung passte jetzt und auch mein geliebter Viererzug konnte ich umsetzten. Demnach rückte auch der erste Wasserausstieg recht schnell in mein Sichtfeld und ich konnte schon die jubelnde Zuschauermenge hören.
Heißa – fester Boden unter den Füßen – die Schritte waren sicher – ich konnte einen Blick auf meine Uhr wagen – 42:01min für 2,3km – normale Zeit für mich – ach ja linkes Auge trockenlegen, wenn auch nur für kurze Zeit und schon durfte bzw. musste ich mich wieder ins Wasser stürzen. Doch der kurze Landgang und das schnelle Wechseln von horizontaler in vertikaler Lage und wieder zurück bekam meinem Gleichgewichtssinn überhaupt nicht. Ich eierte wie eine Nussschale in einem reißenden Gebirgsbach ziellos umher und hatte keine Ahnung wo es lang ging.
Mein Glück war, dass jetzt die ersten Schwimmer der zweiten Gruppe aufrückten und mich in ihre goldene Mitte nahmen. So hatte ich zwar Körperkontakt, kam aber wenigsten wieder vorwärts. Trotzdem kam die erste Wendeboje der zweiten Runde nur ganz langsam näher. Die Arme wurden fest und fester und so fiel natürlich auch das Tempo. Einzig die Wassertemperatur war perfekt – zumindest wenn man einen Neopren hatte und den auch noch richtig geschlossen hatte – ansonsten sind 21° Grad nicht die Welt.
Nach der ersten Wendeboje stand mir nur noch eine solche bevor und dann ging es auf die Zielgerade der ersten Disziplin. Doch fast wäre es passiert – irgendwie steuerte ich eine Boje zu früh an und hätte die letzte Wendeboje beinahe verpasst, was zur Disqualifikation geführt hätte. Zum Glück bemerkte ich es noch rechtzeitig und kam wieder auf die richtige Spur. Hat glaube ich sonst keiner gemerkt – aber bescheißen gibts bei mir nicht.
Dann kam die letzte Gerade - nur noch eine Richtung zum Strand und die 3,8km waren geschafft. Die Blitzlichter der Fotographen bildeten eine prima Orientierung – fast so wie bei einem Leuchtturm – und so war ich mir jetzt sicher, keinen Blindflug mehr zu leisten. Aber auch hier zog sich die Strecke und ich kam nur langsam meinem heißgeliebten Ausstieg näher.
Irgenwann kam dann endlich die Zone, wo es sich lohnt aufzustehen und ich war meinem Ziel einen ganzen Schritt näher gekommen. Meine erste Splitzeit von 1:16,01h motivierten mich im ersten Moment aber nicht wirklich. Da hatte ich auf der zweiten Runde (1,5km) mit 34:01min richtig viel Zeit liegen lassen und war von meiner Leistung nicht überzeugt. Eine 1:10h hatte ich mir schon gewünscht und die war auch realistisch, aber gut – immerhin gesund aus dem Wasser – mir tat nichts weh und ich freute mich jetzt auf meine Sahnedisziplin – dem Rad fahren.
Morgen geht es weiter – Wechsel aufs Rad und 180km auf nassen Strassen durch die schöne Wetterau und Frankfurts Strassen.
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