Nachdem meine erste Mitteldistanz dieses Jahr (Heilbronn) spitzenmäßig organisiert war und meine zweite Mitteldistanz (Ulm) nur ungefähr drei Klassen schlechter, war ich gespannt auf meinen ersten M-Dot-Event in Jahren. Um es vorweg zu nehmen: Ich wurde nicht enttäuscht. Die Organisatoren gaben sich allergrößte Mühe, den dritten IRONMAN 70.3 in Zell am See zu einem Erfolg und zu einer würdigen Generalprobe für die im nächsten Jahr an gleichem Ort auf gleicher Strecke stattfindenden IRONMAN 70.3 World Championships werden zu lassen.
Schon am Freitag fuhr ich auf der “Scenic Route” gen Zell am See und besuchte wie immer Freunde entlang des Weges. Mein Hotel war strategisch so gewählt, dass ich zu Fuß zum Strandbad in Schüttdorf am südlichen Seeende gehen konnte, wo sich der Start und die Wechselzone befanden. Auch die Unterkunft enttäuschte nicht (Events und Gastgewerbe kriegen die Ösis einfach erstklassig hin). Die Landschaft und die Möglichkeiten für einen solchen Triathlon-Großevent sind ohnehin fantastisch. Der See ist ein Traum, die Wege sind kurz, das Dorf hat sich seinen natürlichen Charme bewahrt, das Wasser ist glasklar, die Laufstrecke würde auch an einem heißen Tag genügend Schatten für Onkel Jörgi spenden. Alles tip top! Die Radstrecke fuhr ich am Samstag mit dem Auto ab und auch diese versprach eine wirklich gute Mischung aus flachen Highspeed-Anteilen und hügeligem auf und ab, inklusive eines 13 km langen und knapp 700 Höhenmeter ansteigenden “Speed Bump” mit anschließender, steiler Abfahrt vom Pass. Nice.
Am Abend gab es dann eine wunderschöne Willkommens-Party mit sehr leckeren Kasnocken, Salat & Panna Cotta (natürlich wie üblich all you can eat and drink). Dazu Videos und eine gute Einstimmung auf’s Rennen. Nach dem tollen Spätsommerwetter zuhause am Bodensee und auch hier, trübte es sich pünktlich am Samstag ein und wurde sehr regnerisch und kühl. Am Morgen ging ich zum offiziellen Schwimmen im Strandbad und war überrascht, wie kalt der See war. Aber mit Neo einwandfrei schwimmbar. Danach besuchte ich das englische Race Briefing, da es eine Stunde später stattfand. Wow. 2200 Athleten aus 47 Ländern – das war ein extrem internationales Rennen. Und international ging es auch in Zell her. Thomas Schertling hatte mir ja einerseits vorgeschwärmt (und sollte recht behalten), anderseits mich aber auch gewarnt, dass die halbe arabische Welt hier Sommerurlaub macht. Das machte einen irgendwie skurilen Eindruck.
Nach dem Abholen der Startunterlagen und herrichten der Sachen, machte ich ein kurzes Powernap. Dummerweise fing es genau an zu regnen, nachdem ich auf mein Rad gestiegen war, um noch ein letzes Mal ein paar Meter die Beine zu bewegen (zuvor waren gerade die Straßen abgetrocknet und ich freute mich schon). Na gut, war das Rad eben schon nass. Beim späteren Einchecken bekam es dann zwar eine Regenhaube, aber die Wechselzone (EINE Wechselzone = gut!) war schon ziemlich durchweicht. Alles war tadellos organisiert und lief wie am Schnürchen. Okay. Geschwommen – check. Rad gefahren und die Technik ein letztes Mal geprüft – check. Run- und Bike-Wechselbeutel präpariert und eingecheckt – check. Race Briefing angehört – check. So weit, so gut. Bis auf die Darmgrippe, die sich seit vergangenem Sonntag zäh hielt, mich mit Bauchschmerzen und Dünnpfiff ärgerte und stets nach dem nächsten WC Ausschau halten ließ, war im Grunde alles perfekt. Leider verlor ich so auch immer eine Menge Flüssigkeit und fühlte mich halt mies. Ich versuchte jegliche negativen Gedanken vor dem Start wegzuwischen, aber so richtig gut gelang mir dies nicht. Irgendwie fühlte ich mich schon ein wenig schlapp und die nötige Angriffslustigkeit vor dem Rennen fehlte. Naja, was sollte ich jetzt noch tun? Abendessen und schlafen. Ersteres war gut, zweiteres sehr schlecht. Anyway, die letzte Nacht ist nicht so entscheidend.
Am Rennmorgen dann herrlich tief hängende dunkelgraue Wolken. Aber es blieb trocken bei ca. 16°C – quasi perfekt. Nach einem guten Frühstück (super Buffet im Hotel), ging ich wie viele andere Gäste gemütlich hinunter zum See. Dort war schon das übliche Gewusel in vollem Gang. Radflasche ans Rad, pünktlich getrocknete Schuhe an die Pedale klicken. Und dann die (nicht vorhandene) Ruhe vor dem Sturm. Die Downside dieser perfekten Organisation war, dass das Einschwimmen stark reglementiert wurde: Nur an einer ganz bestimmten Stelle und bis 09:45 Uhr. Schlecht. Eine halbe Stunde vor meinem Start wollte ich nicht schon in dem kalten See frieren. So zog ich es vor, locker einzulaufen, während die PROs sich schon zum Start fertig machten. Dann rein in die Pelle und in den Vorstartbereich. Ich weiß nicht, was los war, aber ich war mental überhaupt nicht in Rennstimmung, hatte im Grunde gar keine Lust in diesen dunklen, kalten See zu hüpfen. Um eine gute Position in diesem sehr engen Startbereich zu ergattern musste ich aber wohl oder übel direkt nach dem Start der Grünkappen (M35 + M40 – allein schon 741 Starter) ins Wasser und wie in Kona vorn an der Linie strampeln. Die fünf Minuten fühlten sich an wie eine halbe Stunde und die Kälte drang durch die minimale Bewegung langsam durch den Neo ins Innere. Irgendwann ging’s dann auch los. Leider dauerte es nicht lang, da mussten wir bei Fünf-Minuten Startabständen auch schon die ersten “Wasserleichen” umschwimmen. Erst die der grünen, dann nach und nach auch die der gelben Startwelle (weitere 640 Athleten!). Das ist unwahrscheinlich nervig – vor allem an den Wendebojen. Die waren zwar perfekt in einem Dreieckskurs platziert, denn die erste Wende kam erst nach 900 Metern, aber das half bei der Menge an Menschen auch nicht viel. Ich verpasste so recht schnell eine gute Gruppe (oder auch nur ein paar gute Füße) und dümpelte in atemberaubend schlechten 31 Minuten durch den See. Zum Glück habe ich ja nie eine Uhr dabei und werde so zumindest nicht durch miese Splits demotiviert.
Nach ordentlichem Wechsel ging’s auf’s Bike. Die Straßen waren immer noch trocken. Wunderbar. Auf dem Rad fühlte ich mich glücklicherweise gleich besser und kam recht flott in einen guten Tritt. Zuerst geht es etwas hakelig hinaus nach Bruck an der Glocknerstraße und dann leicht abfallend auf der voll gesperrten B311 (Hochgeschwindigkeitskurs!) hinunter nach Taxenbach. Kurz vor Lend biegt die Strecke scharf links auf die L216 nach Dienten am Hochkönig ab. Zuerst geht es steil hinauf durch eine enge Schlucht, dann lange nur leicht ansteigend, um dann nach Dienten sehr steil (15%) hinauf zum Filzensattel (1290 m) abzubiegen. Oben angekommen geht es ebenso steil in ein paar wilden Kehren hinab nach Hinterthal und von dort flach das Tal hinaus an Maria Alm vorbei Richtung Saalfelden. Unten angekommen führt die Strecke auf stets leicht welligem Kurs durch Zell am See nach Piesendorf, Kaprun und wieder über Bruck zurück zur T2. Dort fing es dann sehr stark an zu regnen, später nahm der Regen etwas ab. Zuerst waren erwartet viele Athleten auf der Strecke, durch den langen Ansteig (13 km) entzerrte sich das aber recht gut (zumindest in meinem Bereich). Von hinten kam ganz wenig – ich war andauernd nur am Überholen. Was ich sehen konnte, versuchten die Meisten fair zu fahren. Nur Andy (Du weißt, wen ich meine, Du unsportliche, miese Socke!) übertrieb es und fuhr über Kilometer direkt am Hinterrad eines Konkurrenten. Aber so etwas gibt’s halt. Ich bin an so einer Stelle ja immer nur froh, dass ich zumindest schnell laufen kann und so Typen mich später nicht auch noch überholen.
Nach wieder recht gutem Wechsel ging’s hinaus aus der T2 am See entlang nach Zell, eine Loop durch den Ort (mit erstaunlich vielen Zuschauern und richtig Stimmung – aber bei 2200 Athleten kommt allein schon eine Menge “Anhang” mit). Dann hinaus, rund um den See zum Turnaround in Thumersbach (der lange Anstieg zum Wendepunkt ist zwar nicht steil, tut aber trotzdem weh) und diese Runde zwei Mal. Ohne erkennbaren Grund kam ich dabei unglücklicherweise nicht recht in meinen Rhythmus. Jetzt, wo der Kopf endlich wollte, konnten die Beine (und der ganze Restkörper) nicht Vollgas geben. Schade, denn das hat dieses Jahr ja schon des Öfteren richtig gut geklappt. Aber man kann nicht immer einen guten Tag erwischen und ich darf auf jeden Fall mit meiner Ausbeute an guten Tagen in dieser 2014er-Saison zufrieden sein. Erfreulicherweise kam ich nach ungefähr der halben Strecke dann doch noch “in the zone” und dann tat das zwar auch richtig weh (was ich selbst jetzt – drei Tage später – noch merke), aber war dann auch wieder kompetitiv. Zwischenzeitlich kamen aber auch mehr und mehr Athleten auf die Strecke und wie immer verlor man total den Überblick. Wer ist in meiner Startwelle? Wer in meiner Runde? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Was dummerweise wieder zu meinem übelsten Albtraum führte: Einerseits überholte ich direkt an der Abzweigung von der Runde in den Zielkanal (noch ca. 200 Meter) einen Athleten, der wie M45 aussah und das auch war (ich konnte ihn mit einem guten Zielsprint noch um acht Sekunden niederringen). Andererseits reichte es wieder nur um lausige zwei Sekunden nicht, das “Stockerl” zu erklimmen. Das ist schon ein wenig frustrierend, wenn das zum dritten Mal in der gleichen Saison passiert. Und somit erreichte ich zwar mein Mindestziel (heil durchkommen) durch defensive Fahrweise und mein “realistisches Ziel” (WM-Quali), verpasste es aber aber minimal, einen der hübschen M-Dots aus Kirchheimer Produktion mit nach Hause nehmen zu dürfen. So musste ich mich wie alle anderen Teilnehmer mit einem schönen Finisher-T-Shirt und einer Medaille begnügen.
Nach abholen des Streetwear-Beutels und ausgiebigster Post-Race-Nutrition (lecker Süßkram, aber auch Pasta und Reis mit Geschnetzteltem – alles vom Feinsten) wanderte ich dann locker aus zurück zur Wechsezone, checkte gleich mein Bike aus und radelte gemütlich die zwei Minuten zurück zum Hotel. Duschen, Tiefenentspannen im Wellness-Bereich und Schläfchen im Ruheraum. Dann zurück zum Ferry Porsche-Zentrum, wo “alles” stattfand, so auch die Siegerehrung. Was soll ich sagen? Auch diese Show war wieder ganz großes Kino. Lauter nette Leute kennen gelernt (u.a. die sechsplatzierte PRO-Dame Verena Walter, den zehntplatzierten PRO-Men Geert Jansens und der Sieger Marino Vanhoenacker saß auch zufällig (I swear!) direkt am Nebentisch. Nach lauter M-Dots (zu meinem Bedauern ohne mich) und Bierfässern vom Sponsor Stiegl, Rennvideo und einmal mehr leckerem All-you-can-eat-Essen gab’s die Slot-Vergabe für die WM 2015, bei der ich dann auch noch auf’s Podium durfte.
Fazit: Ein mörder-geiles Rennen, perfekt organisiert und inszeniert. Beste Qualität im höchsten Preissegment. Man kann sich des Eindrucks nicht entziehen, dass die WTC-Jungs und Mädels komplett verstanden haben, dass sie Dienstleister sind und ein Luxus-Lifestyle-Produkt verkaufen. Das machen sie höchst-professionell und tadellos. Bei der Masse an Athleten muss man naturgegeben ein paar kleine Abstriche machen, was die Fülle auf der Rad- und Laufstrecke betrifft. Vorn merkt man davon weniger, aber bedauerlicherweise fällt die M45 meist “hinten runter” zu den “alten Herren” und dadurch müssen sich die Schnelleren eben durch fast 2000 Athleten nach vorn kämpfen, was alle Splitzeiten (Swim, Bike, weniger den Run) betrifft. Aber ich sehe ein, dass das Thema nicht einfach zu lösen ist. Möglicherweise muss man sich aber – v.a. im Hinblick auf eine Weltmeisterschaft nächstes Jahr – zu diesem Konflikt ein paar Gedanken machen und das anders handhaben.
Race Stats:
- Wetter: zuerst noch trocken, später regnerisch bei 16°C
- Strecke: 1,9k Swim – 90k Bike (knapp 1000 Hm) – 21,1k Run
- Zeiten: 31:07 (Swim, 212.) – 3:46 (T1) – 2:31:26 (Bike, 116.) – 3:00 (T2) – 1:24:48 (Run, 40.) = 3:34:05
- Platzierung: 69. Platz overall (4. M45)
- Equipment: blueseventy Helix Neo, Planet X Stealth Pro Zeitfahrrad, Planet X Aero Wheels, Cratoni Aerohelm, Pearl Izumi Radschuhe, Alpina Brille, Asiscs DS Racer Laufschuhe
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