Vom Abstieg in die Barbarei, für den auch Deutschland verantwortlich ist - Ein Artikel erschienen bei guardian.co.uk - „Iran’s nuclear scientists are not being assassinated. They are being murdered“ - Übersetzung von Stephanos Mavros
Mostafa Rahmadi Roshan ermordet!
Damit ist auch Deutschland gemeint. Er leitet seinen Artikel ein in dem er kurz zusammenfasst was vor etwa einer Woche passierte: der Wissenschaftler Mostafa Rahmadi Roshan, 32 Jahre alt, verheiratet, Vater eines kleinen Jungens, wurde auf dem Weg zur Arbeit durch eine Bombe, die per Magnet am Auto angebracht wurde, in die Luft gesprengt. Seit 2010, so Hasan weiter, wurden bereits drei andere Wissenschaftler im Iran in ähnlicher Weise umgebracht.
Darunter war Darioush Rezaeinejad, der im Alter von 35 Jahren im vergangenen Juli direkt vor dem Kindergarten seiner Tochter ermordet wurde. Er zitiert dann Rick Santorum, der meinte „von Zeit zu Zeit ergibt es sich eben, dass Wissenschaftler im Iran, die am Atomprogramm arbeiten, Tod aufgefunden werden; ich denke ganz ehrlich dass das eine wunderbare Sache ist.“ Israels Militärpressesprecher Yoav Mordechai ließ per Facebook verkünden, „ich weiß nicht wer da eine Rechnung beglichen hat mit dem iranischen Wissenschaftler, aber ich vergieße gewiss keine Träne“. Hasan lässt uns dann wissen, wie der mit reichlich Trophäen bestückte britische Historiker Michale Burleigh zu dem Fall meinte, „ich vergieße keine Träne wann immer einer dieser Wissenschaftler auf die unverzeihenden Männer auf Motorrädern trifft“.
Die Morde an den Wissenschaftlern im Iran, genau so wie die Morde an Zivilisten im Westen Pakistans an der Grenze zu Afghanistan oder die im Gazastreifen, bewegen sich alle außerhalb jedweder Legalität und obliegen keiner Gerichtsbarkeit. Die Politiker und deren Sicherheitsexperten, die derlei Schandtaten unterstützen und zu verantworten haben, finden immer wieder Terminologien die uns einen Eindruck der Legitimität vermitteln: Attentate, gezielte Tötungen, Drohnenangriffe, Ausschaltungen. Aber diese Termen sind nichts anderes als eine höfliche Tarnung für das, was man nur mit Mord bezeichnen kann, schreibt Hasan weiter. Die Umschreibungen dienen dazu, die Bevölkerung abzuhärten und somit das zu akzeptieren, was nichts anderes ist als staatliche Gewaltakte. Es gibt diverse Mechanismen, die es uns ermöglichen derartige Morde nicht nur zu ignorieren, sondern sogar zu bejubeln, und Hasan gibt uns Beispiele wie das genau funktioniert aus dem Buch „On Killing“ des pensionierten Offiziers der US-Armee Dave Grossman: Kulturelle Distanz: auf Rasse oder Ethnizität basierende Unterschiede die es dem Mörder erlauben, das Opfer zu entmenschlichen (als weniger menschlich zu betrachten).
Moralische Distanz: die Sorte des intensiven Glaubens moralisch überlegen zu sein. Mechanische Distanz: die sterile, unwirklich anmutende Art und Weise wie bei einem Nintendo-Spiel über einen Fernsehbildschirm, eine Wärmebildaufnahme, die Sicht durch ein Fernrohr eines Scharfschützen oder einen anderen mechanischen Puffer die Menschlichkeit des Opfers zu leugnen. Tolerante westliche Politiker beschweren sich einerseits über die Todesstrafe für angeklagte Mörder in diesen oder jenem Land, befürworten aber gleichzeitig die staatlich gestützten Morde an Nuklearwissenschaftlern, Terrorverdächtigen und mutmaßlichen Militanten anderswo, bei völliger Straflosigkeit für die Täter.
Dabei sind „gezielte Tötungen nichts anderes als die Todesstrafe – nur ohne dessen Gerichtsverhandlungen“, zitiert Hasan den Anwalt für Menschenrechte Clive Stafford Smith. Die kognitive Dissonanz (bei der den liberalen westlichen Politikern ihre eigene Widersprüchlichkeit nicht auffällt oder verdrängt wird) ist in diesem Fall klar erkennbar und haufenweise vorhanden. Die Folter eines Terrorverdächtigen wird als moralisch fehlgeleitet angesehen, das Ermorden eines solchen aber, aus sicherer Entfernung heraus, wie bei einem Video-Spiel per ferngesteuerter Drohne, wird als moralisch korrekt angesehen.
Gelähmt durch Angst und Unsicherheit sind wir in eine Situation geschlafwandelt, in der Regierungen es sich angemaßt haben, ihre Feinde im Ausland zu ermorden, so Hasan weiter. Er fügt hinzu, dass es sich hierbei noch nicht einmal um Ausländer handeln muss und fügt die Schicksale mehrerer US-Bürger an, die durch Drohnen der CIA umgebracht wurden: Anwar al-Awlaki und Samir Khan, beide ermordet am 30 September, und Awlakis Sohn Abdul-Rahman zwei Wochen später. Weder Vater noch Sohn wurden je angeklagt, und schon gar nicht kamen sie vor ein Gericht oder wurden von einem verurteilt für irgend ein Verbrechen. Beide wurden von der Regierung der USA umgebracht, in klarer Verletzung der Verfassung, insbesondere des fünften Zusatzartikels, in dem es heißt : „Keiner Person darf das Leben genommen werden ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren“, fügt Hasan weiter an. Er nennt dann eine Untersuchung von Reuters vom vergangenen Oktober die zu dem Ergebnis kam, dass unter der Regierung Obamas US-Bürger, die beschuldigt werden in terroristische Aktivitäten verwickelt zu sein, jetzt auf eine Verhaftungs- und Todesliste gesetzt werden können durch ein geheimes Gremium ranghoher Regierungsbeamte, welches dann den Präsidenten über deren Entscheidungen informiert…
Es gibt keine der Öffentlichkeit zugänglichen Aufzeichnungen der Aktivitäten oder der Entscheidungen dieses Gremiums… Auch gibt es kein Gesetzt das regelt wie ein solches Gremium zusammengestellt wird oder das die Regeln nach denen es tätig ist bestimmt. Hasan wirft dann eine Reihe wichtiger Fragen auf. Sollten in einer Demokratie, die sich durch Rechtsstaatlichkeit auszeichnet, geheime Gremien oder Todeslisten geduldet werden? Hatten die Gründer der USA wirklich gemeint, der Präsident kann Richter, Jury und Henker in einer Person sein? Was ist nur mit den ‘checks and balances’ passiert? Oder mit ordentlichen (gesetzlichen, rechtsstaatlichen) Verfahren? Man stelle sich vor wie unsere Politiker reagieren würden, wenn der Iran oder Nord-Korea unsere Wissenschaftler umbringen würden.
Im Falle der staatlichen Morde ist der doppelte Standard reichlich offensichtlich, so Hasan, und er zitiert George Orwell, der sagte „Taten werden als gut oder schlecht angesehen, nicht aufgrund ihrer eigenen Werte, sondern abhängig davon wer sie ausübt; es gibt kaum Empörung darüber… [aber] die moralische Färbung der Tat ändert sich nicht, nur weil sie von ‘uns’ begangen wird“. Aber wie viele Werte, so Hasan weiter, wollen wir denn noch opfern im Namen der Sicherheit? Wenn wir es unseren Regierungen erst mal erlaubt haben, dass sie unsere Mitbürger, unsere Mitmenschen umbringen lassen können, ganz geheim, ohne jedwede Kontrollmechanismen, ohne Rechenschaftspflicht, gibt es dann überhaupt noch irgend etwas, was wir dann den Regierungen noch meinen verbieten zu können?
Abschließend schreibt er, dass das alles nicht kompliziert sei, dass es da keine Grauzone gibt. Missbilligen wir nun die Autobomben und die im Vorbeifahren ausgeführten Erschießungen, oder nicht? Verurteilen wir konsequent die vom Staat unterstützen, außergerichtlichen Morde als reine Terrorakte, egal wo auf der Welt sie vorkommen oder von wem sie in Auftrag gegeben werden? Oder zucken wir mit den Achseln, wenden uns ab und machen so mit unserem Abstieg in die gesetzlose Barbarei weiter? Mit derartigen Fragen spricht Hasan uns alle an.
Auch wenn er in diesem Fall für den britischen Guardian schrieb, richtet sich insbesondere sein letzter Satz auch an Deutschland, sowie den Rest der westlichen Wertegemeinschaft. Tatsächlich gab es keine Proteste der Regierung Merkels angesichts der zahlreichen außergerichtlichen, unmoralischen und nach internationalem Recht illegalen Morde in Pakistan, in Gaza, im Iran, obwohl das Grundgesetz ganz andere Vorgaben macht.
Auch vom Parlament sind kaum nennenswerte Proteste zu vernehmen und wenn doch, dann werden sie ganz schnell im Keim erstickt. Somit treiben auch die Politiker der BRD das Ende der Rechststaatlichkeit innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft und den Abstieg in die Barbarei munter voran. Andererseits ist die Anzahl derer im Volk nicht gering, die diesen Terror rechtfertigen und unterstützen, meist noch ganz dreist im Namen der Freiheit und fast immer im Interesse irgend wessen Sicherheit. Nun ist kaum abzusehen welche Konsequenzen das langfristig haben könnte. Tragisch aber ist dieser Abstieg alle mal, sind doch viele Opfer des letzten großen Tanzes mit der Barbarei noch am Leben.
Mossad sprengt Atomprofessor in Teheran in die Luft
Der israelische Geheimdienst Mossad hat am Dienstag offenbar im Norden der iranischen Hauptstadt Teheran erneut einen iranischen Wissenschaftler getötet. Wie die Nachrichtenagentur Fars berichtet, befestigte ein maskierter Motorradfahrer einen Sprengsatz am Wagen des Wissenschaftlers. Bei der Detonation wurden der Professor der Technischen Universität von Teheran getötet und zwei weitere Insassen des Wagens verletzt. Der stellvertretende Gouverneur von Teheran machte den israelischen Geheimdienst Mossad für den Anschlag verantwortlich.