Interview mit Tommy Krappweis (2)

Von Miriam Pharo @MiriamPharo

“Ich mag keine Filme, die wie Computerspiele aussehen.”

Die 14-jährige Mara, ein vermeintlich normales Mädchen, das die Welt vor dem Untergang retten soll, ist das Herzstück der erfolgreichen Fantasy-Trilogie “Mara und der Feuerbringer” von Tommy Krappweis. Der erste Band soll bereits Ostern 2014 auf der Kinoleinwand zu sehen sein. Zurzeit läuft die Filmproduktion auf Hochtouren. Während des Rundgangs bei bumm film gewährte mir Tommy einen kleinen Einblick anhand von digitalen Szenerien, die vorab erstellt werden, damit die Schauspieler später beim Dreh wissen, was sie wo zu tun haben. Einblicke, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Ich weiß nicht, wie es euch gehen wird, aber ich bin inzwischen neugierig geworden und werde mir “Mara und der Feuerbringer” auf jeden Fall anschauen.

In deiner Trilogie „Mara und der Feuerbringer“ hat die 14-jährige Heldin nicht nur mit einer besonderen Gabe, sondern auch mit der Pubertät zu kämpfen. Wie schafft man es, sich als gestandenes Mannsbild in die Seele eines 14-jährigen Mädchens zu versetzen?

Ich habe erst nach Band 1 gemerkt, dass ich im Wesentlichen mich beschrieben habe. Nicht als Mädchen, natürlich, aber in der Art, wie sie denkt. Deshalb ist es mir so leicht gefallen. Weil sie viel von mir hat. Leider habe ich nicht ihre Gabe, dafür aber diese ganzen Gedanken, das Genervtsein, dieses Linksdenken. Das bin ich. Ich glaube, ich habe unbewusst ein Mädchen gewählt, damit es mir leicht fällt, alle diese Attribute in die Figur einzubauen. Wenn ich einen Jungen genommen hätte, wäre es mir bewusst geworden und auch dem Leser, dass das der kleine Tommy ist. Eine unangenehme Sache, denn dann hätte ich die ganze Zeit überlegt, was die Leute über mich denken. Lieber etwas nehmen, was von einem weit weg ist, und dann alles reinpacken. Irre, wie einfach es für mich war, diese Figur zu erschaffen! Ich konnte mich so gut in sie hineindenken, wie viel ihr peinlich war und dass sie eben nicht Germanys Next Top Model sein wollte. Sie war für mich ein offenes Buch. Anhand der Leserreaktionen, die meisten sind Leserinnen, habe ich gesehen, dass es viele Mädchen und Frauen gibt, die so denken und eben nicht bei Heidi Klum zeigen wollen, dass sie barfuß laufen können, als hätten sie Stöckelschuhe an. Ich konnte mich unglaublich gut in Mara hineinversetzen. Vor allem dieses Meine-Eltern-sind-mir-peinlich-Ding war durch meinen Vater überhaupt kein Problem. (lacht)

Außerdem war es mir ein Anliegen, in Band 1 und 2 kein Love Interest reinzubringen. Ich wollte versuchen, irgendwie drum herum zu kommen. Überhaupt habe ich bei „Mara und der Feuerbringer“ den Weg der Vermeidung gewählt. Was alle anderen machen, wollte ich nicht machen. Das war die große Herausforderung. 14 Jahre sind die wenigsten Heldinnen in den Romanen. Wenn mit 16 rumgeknutscht wird oder noch schlimmeres, ist das kein Problem, aber mit 14 ist es ausgeschlossen. Da hat man andere Probleme, auf die ich eingehen wollte. Mit 16 Jahren wird man langsam entspannter – mutmaßlich –, aber zwischen 12 und 14 ist alles schlimm.

Ja, zum Beispiel Klopapier einkaufen. Mit 14 war das die Hölle!

Ja, dann wissen die Leute, dass ich kack‘. Genau solche Sachen, meine ich.

Das eigene Buch zu verfilmen, ist der Traum vieler Autoren. Für dich wird er jetzt wahr. Ihr seid ja mitten in der Produktion von „Mara und der Feuerbringer“. Wie muss ich mir so einen Drehtag vorstellen und was ist das Aufregendste daran?

Also aufregend – im Sinne von begeisterungsaufregend – wird es nur ganz selten, zum Beispiel wenn Dinge vor meinem Auge entstehen, die ich vor vier, fünf Jahren geschrieben habe. So erging es mir beim Testdreh mit Jan Josef Liefers als Weissinger. Da sprach er fünf, sechs Sätze und mir lief ein Schauer über den Rücken. Es war genauso, wie ich es mir ausgedacht hatte, nur besser. Das ist wortwörtlich aufregend. Auch als ich Christoph Maria Herbst zum ersten Mal die lange Perücke aufgesetzt habe. Das war schon irre! Die anderen Dinge haben eher etwas mit Konzentration und Problemlösung zu tun. Da hat man keine Zeit, aufgeregt zu sein. Wir werden vermutlich die Ludwigsbrücke teilsperren müssen, um dort drehen zu können. Eine Hauptverkehrsader quer durch die Münchner Altstadt. Das ist auf eine gewisse Art natürlich aufregend. (lacht) Aber man ist zu sehr darauf konzentriert, dass alles funktioniert, als das man sagen würde: „Hey, schau mal, ich stehe jetzt auf der Ludwigsbrücke.“ Die Arbeit muss einfach geschafft werden. Um auf den Drehtag zurückzukommen: Du stehst in der Früh um 6 Uhr auf, kommst ans Set, stellst dich mit dem Kameramann hin und schaust dir an, was heute ansteht. Vermutlich hat Sophia im Drehbuch die Stellen bereits gekennzeichnet und zwar mit kleinen bunten Markern, die auch ich verstehe. (lacht) Stephan Schuh, der Kameramann, und ich gehen dann alles gemeinsam mit dem Regieassistenten durch. Was haben wir für Probleme? Falsches Wetter? Dann müssen wir eben ein Regendach aufbauen und für mehr Licht sorgen. Ist es zu hell, müssen wir abschattieren. Die Statisten sind noch nicht fertig? Dann machen wir in der Zeit etwas anderes. Es ist immer ein Abwägen von Möglichkeiten und Problemlösungen und zwar den ganzen Tag hindurch. Wie kommen wir durch den Tag, ohne Überstunden generieren zu müssen und liefern dabei einen guten Film ab … Ansonsten drehen wir Take für Take.

Das Abwägen von Möglichkeiten und Problemlösungen hängt sicherlich auch mit dem Budget zusammen?

Es ist immer eine Budgetfrage, denn auch wenn wir ein relativ hohes Budget haben, sind die Budgets in Deutschland nicht mit denen in Hollywood vergleichbar. Damit sind wir auch in unseren Möglichkeiten begrenzt und müssen uns jedes Mal überlegen: Wie zum Teufel machen wir das jetzt? Zum einen haben wir den großen Vorteil, dass wir alle viel Fernsehen gemacht haben und es gewöhnt sind. Es bringt am Set niemanden aus der Ruhe, wenn wir budgetäre Limitierungen umsetzen müssen. Zum anderen ist es so, dass es viele Leute in unserem Team gibt, die schon großes Kino gemacht haben. Zum Beispiel haben wir John P. Nugent, einen VFX Supervisor, der maßgeblich an der Entwicklung des Balrog aus „Herr der Ringe I“ beteiligt war und auch an den Folgefilmen mitgearbeitet hat. Das Tolle am Balrog ist ja, dass er nicht komplett digital ist. Es wurden jede Menge Feuerelemente gedreht und darüber gelegt. Deswegen wirkt er heute noch so toll. Weil er eben keine typische 3-D-Kreatur ist. Ich mag keine Filme, die wie Computerspiele aussehen. Ich finde es großartig, dass John immer nach Möglichkeiten sucht, wie man real drehen kann. Wenn der Lindwurm zum Beispiel auf der Ludwigsbrücke auf ein Auto aufschlägt, versuchen wir das Auto hinzustellen und es vorne hochspringen zu lassen. Wir nehmen kein digitales Auto. Später, wenn wir ein digitales Auto durch die Luft fliegen lassen, drehen wir den Staub und Dreck live und addieren es mit dem digitalen Material, so dass es immer real wirkt. Uns ist es wichtig, dass es möglichst viele reale Anteile am Set gibt. Da sind kreative Lösungswege gefragt. Das gefällt mir deshalb so gut, weil es viel näher an meiner Art des Filmemachens ist. Ich fand schon die ersten Star Wars Filme so toll, weil man sich immer gefragt hat: Wie haben sie das gemacht? Heute ist es klar – mit dem Computer. Aber damals? Wie haben sie es zum Beispiel hinbekommen, dass sich im „Das Imperium schlägt zurück“ das abgeschossene Seil um die Füße des Walkers wickelt und ihn zu Fall bringt? Mit Stop Motion, klar. Aber wie genau? Dieses Staunen empfand ich auch bei „Herr der Ringe I“. Dabei war es kein High Budget Film, sondern der teuerste Low Budget Film aller Zeiten.

Wirst du eigentlich am Soundtrack von „Mara und der Feuerbringer“ mitschreiben?

Na klar. Ich werde sogar Instrumente spielen.

Welche?

Kommt darauf an, was wir haben. Von riesigen Trommeln bis Knochenflöten ist alles möglich. Vielleicht Saiteninstrumente … mal schauen. Was man mir in die Hand drückt!

Nächste Woche geht’s weiter!

Im dritten und letzten Teil des Interviews erfahrt ihr, wo sich Tommy am Wohlsten fühlt, was ihn um drei Uhr nachts aus dem Bett treiben kann und ob er schon mal versucht war, Bernd das Brot mit Marmelade zu bestreichen und zu essen. Bis nächste Woche!

Mara und der Feuerbringer

John P. Nugent

Tommy 

bumm film

Zum 3. Teil des Interviews geht’s hier lang!