Interview mit Dr. Jürgen Helmes: „Weiterhin gemeinsam Kurs nehmen“

Interview mit Dr. Jürgen Helmes: „Weiterhin gemeinsam Kurs nehmen“
Neue Impulse für die bayerisch-böhmische Wirtschaft: Am 31.12.2011 geht nach drei Jahren das von der Europäischen Union geförderte und von der IHK Regensburg für Oberpfalz/Kelheim und der Bezirkswirtschaftskammer der Pilsener Region initiierte Modellprojekt „Wir sind Europa!“ zu Ende. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg, Dr. Jürgen Helmes, zieht im Interview ein positives Fazit.
Warum engagiert sich die IHK Regensburg so intensiv in Tschechien?
Dr. Jürgen Helmes: Unsere Regionen verbinden mehr als 200 Kilometer gemeinsame Grenze, rund 150 unserer Mitgliedsbetriebe sind in Tschechien unternehmerisch aktiv. Die aktive grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist der Schlüssel für viele Herausforderungen unserer Zeit – ob es um leistungsfähige Straßen- und Schienenverbindungen geht, um die Ausbildung unserer jungen Menschen, die Sicherung zukünftiger Fachkräfte oder die Attraktivität unserer Region für die Unternehmen und damit letztendlich für alle, die hier leben und arbeiten. Das ist ein Kerninteresse der Wirtschaft in Ostbayern. Unsere Überzeugung war von Anfang an: In München, Berlin, Prag und Brüssel werden wir stärker wahrgenommen, wenn die Wirtschaft auf beiden Seiten der Grenze mit einer Stimme spricht. Die vergangenen drei Jahre zeigen uns, dass wir richtig liegen.
Was konkret haben Sie mit dem Projekt erreicht?
Dr. Jürgen Helmes: Global betrachtet fällt mir eines auf: Niemand in Bayern und niemand in Tschechien stellt die Sinnhaftigkeit der grenzüberschreitenden Kooperation mittlerweile mehr ernsthaft in Frage. Ich bin überzeugt, dass wir dazu ein gutes Stück beigetragen haben mit Projekten wie beispielsweise einem grenzüberschreitenden Verkehrsleitbild, der Förderung von Kooperationen zwischen Unternehmen, Karriereforen für junge Fach- und Führungskräfte, Impulsen für Forschungszusammenarbeit oder konkreten Bildungs- und Weiterbildungsprojekten und vielem mehr, das zu nennen jetzt den Rahmen sprengen würde. 2011 war für uns ein ganz entscheidendes Jahr: Mit der Öffnung des Arbeits- und Dienstleistungsmarktes ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine grenzenlose Zukunft mit den Nachbarn Wirklichkeit geworden. Wir haben lange für diesen Schritt geworben, weil die Suche nach Fachkräften längst nicht mehr an den Ländergrenzen Halt macht.
Sehen Sie eine Gefahr, dass die Wirtschaft da zu weit vorprescht und die Menschen in den beiden Regionen noch gar nicht so weit sind?
Dr. Jürgen Helmes: Die „Grenze in den Köpfen“ verschwindet Jahr für Jahr ein Stück mehr. Jenseits der ganz konkreten Projekte war und ist uns auch eine Botschaft sehr wichtig: Ein grenzenloser Fachkräfte- und Ausbildungsmarkt oder – größer gefasst – ein grenzüberschreitender Wirtschafts- und Lebensraum kann nur funktionieren, wenn wir die Menschen auf dem Weg dahin mitnehmen. Deswegen haben wir Schüleraustausch-Projekte ostbayerischer und westböhmischer Schulen angestoßen, Tschechisch-Kurse für Führungskräfte angeboten, Weiterbildungs-Projekte gestartet, die jungen Unternehmer vernetzt. Denn Bildung, Sprachkenntnisse und die Informationen über den Nachbarn helfen auf ganz praktische Weise, Brücken zu bauen.
Die Pläne einer Europaregion im Dreiländereck Bayern-Böhmen-Österreich nehmen Gestalt an. Die Gründung könnte 2012 erfolgen. Wie sieht die Wirtschaft diese Entwicklungen heute – vor allem auch vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen im Projekt?
Dr. Jürgen Helmes: Die ostbayerische Wirtschaft ist wichtige Keimzelle der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in neuer Dimension. Uns ist es wichtig, dass diese neue Europa-Region den gleichen Geist lebt, der unser Projekt seit der ersten Stunde so stark gemacht hat: Im Wettbewerb der Regionen Europas können wir nur gemeinsam stark sein. Regionale Egoismen haben da keinen Platz. Ich hoffe deshalb, dass alle Beteiligten es gemeinsam schaffen, diese Überzeugung auch zur Grundphilosophie der neuen Europa-Region zu machen. Die Chance ist groß, wenn wir die Herausforderung annehmen, zum leuchtenden Beispiel für den Rest Europas zu werden. Für die IHK Regensburg kann ich sagen: Wir setzen uns weiter dafür ein, dass der wirtschaftliche Puls der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Region Regensburg-Pilsen schlägt. Das ist auch der Wunsch unserer Mitgliedsunternehmen.
Wie wollen Sie praktisch sicherstellen, dass die Kontakte und Netzwerke, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, nach dem Ende des Projekts „Wir sind Europa!“ nicht wieder abreißen?
Dr. Jürgen Helmes: Das Projektbüro, das vor drei Jahren im Rahmen von „Wir sind Europa!“ entstanden ist, werden wir ab 1. Januar 2012 weiterführen – in Kooperation mit der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer. Das wird die Netzwerke sogar noch weiter vertiefen. Auch wenn Kooperationen durch Vorschriften, Richtlinien und Sensibilitäten auf beiden Seiten manchmal Kraft, Mühe und Zeit brauchen – wir wollen auch weiterhin gemeinsam Kurs nehmen mit den Nachbarn.


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