Interview
Veröffentlicht am 22. Juni 2013 | von Frauke Schumacher
pressplay hat am Nova Rock Festival Philipp Sageder (vocal sounds, mouthpercussions, backing vocals, human bass) und Bina (human beatbox, vocal sounds, mouthpercussions, backing vocals) von Bauchklang getroffen…
pressplay: Wie ist es passiert, dass sich Bauchklang vom Beatbox-Hip Hop zur Imitation von Techno Beats entwickelt hat? Ist das weil es grad In ist?
Philipp Sageder: Nein, wir kommen ja nicht wirklich aus dem Hip Hop. Für uns war eigentlich die Entwicklung dahin, dass es eine Groove orientierte Musik ist. Also, dass es was mit Beats zu tun hat, war einfach so, weil wir Musik gemacht haben und mit der Stimme alles Mögliche versucht haben auszuprobieren und man dann einfach merkt, dass es spannend ist auch in das Feld zu gehen. Das ist jetzt vor zehn Jahren gewesen.
Dann war eigentlich der kontinuierliche Weg zu sehen, wie weit kann man das noch wirklich vorantreiben. Jetzt in den sagen wir mal vier/fünf Jahren haben wir uns wirklich sehr viel mit Techno und minimalistischer elektronischer Musik beschäftigt und den Versuch gestartet, wie weit schafft man das wirklich, nur zu fünft, ohne große Grooves, ohne sonst irgendwas auf der Bühne und damit wirklich so was wie ein Set zu spielen – ein DJ-Set von über 60 Minuten. Wenig Brakes, wirklich viel ineinanderfließen lassen und nicht alles wegzunehmen von diesem Zirkusphänomen: „Wow die machen alles nur mit der Stimme und man glaubt noch immer, dass es Musik ist!“ Wir haben einfach versucht neue Grenzen zu definieren und für uns immer weiterzugehen.
Was inspiriert euch zu eurer Musik? Was hört ihr privat für Musik?
Philipp: Das ist total unterschiedlich. Von Soundtracks, über klassische Musik, zu auch viel Beat orientiertem Zeug, viel spannende Künstler, die auch die Grenzen weiter puschen in jedem Genre. Also vielleicht weniger Schlager. Obwohl da gibt’s auch jemanden von uns. Es ist eigentlich alles dabei. Das ist ja auch logisch, wenn du fünf Individuen hast. Jeder bringt halt immer wieder was mit und wir versuchen es dann umzusetzen.
Beatboxt ihr auch zu klassischer Musik? So wie z.B. Jack Black im Kinofilm Kings of Rock – Tenacious D Beethovens neunte Symphonie imitiert.
Bina: (imitiert Beethovens neunte Symphonie)
Philipp: Wie schon gesagt, wir sind relativ Stil und Genre frei. Also wir machen was Spaß macht und da passiert es schon in irgendwelchen späten, nächtlichen Sessions, dass plötzlich von wahnsinnigen afrikanischem Grooves, über brasilianische Rhythmen bis hin zu einem klassischen Stück was passiert. Warum nicht?! Oder auch das Schlager hinzukommt. Wir sind eben relativ Genre frei. Wir gehen immer dem nach was wir gern hören.
Daher könnte man sagen, passt ihr ja auch dieses Jahr ganz gut auf’s Nova Rock, das dieses Jahr ja nicht nur Rock und Metal präsentiert, sondern auch Acts wie z.B. Gentleman, Deichkind oder euch. Was glaubt ihr warum ihr hier gut rein passt?
Bina: Das Festival heißt ja deswegen Nova Rock, weil das, soviel ich weiß, ein schottischer Einwanderer war, der hatte diesen Rock und der hieß Nova. Quasi der MacNova. Also eigentlich hat das Festival mit dem Stil, Rock, gar nichts zu tun. Das heißt eigentlich nur so weil der Typ Nova hieß und einen Schottenrock getragen hat.
Philipp: Richtig. Das ist definitiv die Genesis dieses Festivals. Wir haben in unserer Karriere als Musiker ganz viele verschiedene Sachen gespielt. Für uns ist das das Spannende, weil es nicht wirklich um irgendeine Stilistik geht. Wir haben öfters Konzerte wo Leute zu uns kommen und sagen, sie würden sich dieses elektronische Zeug sonst nie anhören, aber durch diese Transformation, dass das nahbarer wird durch die Stimme, wird es zu etwas, womit die Leute was anfangen können.
Das trifft genauso auf Rockleute zu. Die auch sagen, das ist nicht das Ding was wir primär hören, aber auf einmal passiert was Magisches. Ich find’s super, wenn sich die Sachen durchmischen.
Bina: Im Rockbereich gibt es übrigens auch einige Stimmkünstler, die echt geiles Zeug machen. Zum Beispiel die ganze Technik zum Schreien.
Philipp: Die ganzen Screams, die du da im Hintergrund auf der Blue Stage hörst. Im Endeffekt sind es doch alle nur Musiker und jeder versucht eben einen Sound zu machen, der spannend ist, der interessant ist.
Bina: Ich finde ja auch, heutzutage ist Rock nicht immer nur Rock, weil total viele Rockkünstler plötzlich auf alle anderen Stilmittel zurückgreifen. Weil du nicht mehr nur bei deinem Label bleiben musst. Also bezüglich Nova Rock, es ist super. Ein großer musikalischer Gangbang.
Was ist euer skurrilstes Tour-Erlebnis oder auch das Leiwandste?
Philipp: Also vielleicht eins der schönsten Erlebnisse, das wir gern erwähnen, war natürlich unsere Zeit in der indischen Stadt Ladakh, an der tibetischen, jetzt chinesischen Grenze, wo wir auf einem Festival gespielt haben. Weil einfach auch die Szenerie dort einzigartig ist. Das ist einfach ein Ort zu dem du normalerweise nie hinkommst. Wir haben dort auf 3.400 Metern ein Konzert gespielt, wo es am Anfang schon Wetten gegeben hat, ob wir das überleben und ob wir nicht bereits nach 10 Minuten Spielen zusammenbrechen. Das war von der Szenerie wahrscheinlich das Beeindruckendste.
Aber es ist auch immer wieder so, dass ein Leben auf Tour mit Verrücktheiten gespickt ist. Ich erinnere mich gern an einen achtstündigen Aufenthalt in Dubai, wo wir dann dort am Flughafen in die Sauna gegangen sind. Es gibt wunderschöne Festivals in Frankreich, wo man immer wieder unglaublich schön empfangen wird und man hat diese ganze schöne Szenerie rundherum, das Essen…
Es gibt auch immer wieder spannende Projekte, wo wir auch aufgetaucht sind. Wie zum Beispiel das „Uni-brennt“ damals in Wien, wo damals die ganze Bewegung losgetreten wurde und wir damals im Audimax für die Protestwelle ein Konzert gespielt haben.
Also wie Anti-Flag, die am Freitag hier auf dem Nova Rock gespielt haben.
Philipp: Ja, genau, super! Es war ein magischer Moment. Eine scheiß Anlage, ein gestopft volles Audimax und du spielst für eine gute Sache. So was gab es auch schon oft in unserer Vergangenheit. Es gibt immer wieder so Episoden. Auf der einen Seite eben die Location wo du bist, auf der anderen Seite gibt’s auch weltweit immer wieder sozial engagierte Festivals, wo ein super Vibe ist und du merkst: Wow, das ist was anderes! Es ist schwierig sich auf eines zu einigen. Ich würde sagen, das Schönste war vielleicht damals das Festival in Ladakh, weil es von der Szenerie am besten war. Aber ob das skurril ist, weiß ich nicht.
Bina: Hier ist es auf jeden Fall skurrilex. (Verweist in Richtung von Cradle of Filth, dessen Musik gerade von der Blue Stage in die Interview-Suite hineindröhnt.)
Philipp: Wir wollten also eigentlich sagen, dass wir das Festival in Jehova Rock umtaufen könnten. Das wäre dann wieder ein Christenfestival.
Bina: Wir als atheistische Gottesanbeter. (grinst)
Bina und Philipp, vielen Dank für das Interview.
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Frauke Schumacher