interview: Fritz Frenkler – Was ist eigentlich die Aufgabe von Design?

Fritz Frenkler ist Industriedesigner und arbeitete in den 1980er Jahren für frogdesign (heute Frog design) Deutschland und USA. 1986 baute er frogdesign Asia auf und hatte dabei Gelegenheit mit Steve Jobs zusammen zu arbeiten, weil frogdesign die frühen Apple-Computer Apple IIc gestaltete. Steve Jobs war wie ein Schwamm, sagt Frenkler, er verstand die Aufgaben von Design, das Prinzip der Einfachheit und des selbsterklärenden Designs. Er versuchte so viel  wie möglich über das Design von Produkten zu lernen und vor allem zu verstehen. „Jobs war der eigentliche Designer von Apple“ kommentiert der Professor. 1992 bis 1999 war Fritz Frenkler Geschäftsführer der Wiege Wilkhahn Entwicklungsgesellschaft und im Anschluss Designchef der Deutschen Bahn AG und Geschäftsführer der Deutschen Bahn Medien GmbH. Heute lehrt er am Lehrstuhl für Industrial Design an der Technischen Universität München und ist Beratender Gesellschafter von f/p design, Vorstandsmitglied des if industrie forum design Hannover, Chairman der if product design award jury, regional advisor des icsd (international council of societies of industrial design), Montreal, Mitglied im ddc (deutscher designer club), Frankfurt und Mitbegründer des universal design e.v. Hannover.

Als Mitbegründer des Universal Design e.V. in Hannover, engagiert er sich im Sinne dieser Vereinigung dafür, dass Design den Menschen ins Zentrum stellt,  dass Design als interdisziplinäre Aufgabe und als Prozess verstanden wird und Service-Systeme schafft. Design, so die Meinung von Universal Design schafft soziale Inklusion, anstatt zu trennen oder auszugrenzen, schafft Gemeinsamkeiten und Zugehörigkeit und stellt sich  Zukunftsfragen. Design ist Haltung und Verantwortung.

interview: Fritz Frenkler – Was ist eigentlich die Aufgabe von Design?

EK: Herr Frenkler, wie sehen Sie als Professor an der TU München, der sehr spektakuläre interdisziplinäre Projekte betreut wie das „MUTE“ Projekt, ein mit CFK-Materialien entwickelter Prototyp eines Elektroautos, oder dem Solarboot „SUNDAY“, ein Solar-Motorboot mit Carbonrumpf, das rein mit Sonnenkraft fährt, die Pläne e-Autos aus Carbonfasern in Serie zu bauen?  

Frenkler: Sehr häufig wird das Carbonmaterial völlig falsch eingesetzt. Oft wird es für Produkte verwendet, weil es gerade modisch ist, zum Beispiel für Gartenstühle. Das halte ich nicht für sinnvoll. Warum braucht eine Gesellschaft Gartenstühle aus Carbonfasern, einem High-Tech-Material mit ganz besonderen Eigenschaften? Carbon bietet uns durch seine Eigenschaften, dass es sehr leicht und sehr fest ist, die Gelegenheit Produkte zu entwickeln, die über ihren gesamten Lebenszyklus sehr energiesparend verwendet werden können. Dabei halte ich die gesellschaftliche Relevanz von Produkten immer für das Wichtigste. Bei Fahrrädern aus Carbonfasern stellt sich diese Frage auch schon kritisch. Vielleicht ist es viel sinnvoller, ein etwas schwereres Rad zu fahren und dafür einen höheren körperlichen Trainingseffekt zu erreichen. So etwas muss man immer bedenken. Bei vielen Produkten ist die Wirkung nicht nachvollziehbar.

EK: Die u.a. von Ihrem Lehrstuhl betreuten Projekte „MUTE“ und „SUNDAY“ verwenden auch Carbonmaterialien. Welchen gesellschaftlichen Mehrwert erreichen diese Produkte Ihrer Meinung nach?

Frenkler: „MUTE“ ist ein Projekt, an dem wir gerade diese Möglichkeiten, die uns Carbonfasern bieten, erforschen. Wenn nicht an einem Lehrstuhl, wo sonst sollte so etwas erforscht werden. Das Fahrzeug hat eine außerordentlich gute Aerodynamik. Im Windkanal erreichten wir damit die besten Werte. Ich glaube, dass wir noch viel über den eigentlichen intelligenten Einsatz dieses Materials lernen können. Ich glaube, dass dieses Material oft falsch eingesetzt, ja schier „vergewaltigt“ wird. Beim Solarboot „SUNDAY“ haben wir einen Carbonrumpf gewählt, weil das Motorboot zu 100 Prozent von der durch die Solarmodule erzeugten Energie angetrieben wird. Es sollte deshalb leicht sein. Zum Schutz des Materials und für die Gewährleistung seiner Langlebigkeit haben wir eine Art Stoß angebracht, der den Rumpf beim alltäglichen Rangieren und auch bedingt bei Kollisionen schützt.

EK: Sie haben davon gesprochen, dass man Materialien mit Respekt behandeln sollte. Ist ein solcher Stoß der Ausdruck dieser Haltung?

Frenkler: Das glaube ich wirklich. Wir sollten Materialien mit höchstem Respekt begegnen. Jedes Material, egal ob das eine Kaffeefrucht oder eine künstliche Carbonfaser ist, hat eine gewisse Würde. Ich kann mir so ein „Stoßkissen“ übrigens auch bei Autos sehr gut vorstellen. Und, wir sollten das was wir tun wieder mehr in Relationen setzen. Was machen wir beispielsweise mit Kaffee und unserer Gewohnheit, dass dieser nicht mehr würdevoll genossen und zelebriert wird, sondern im Pappbecher „to go“ zwischen Tür und Angel in Massen getrunken wird. Das drückt der Kaffeepflanze und der Arbeit, die damit verbunden ist, gegenüber keinen Respekt aus und das hat auch nichts mit Ressourceneffizienz und Qualität zu tun. Den bewussten und wieder natürlicheren Umgang mit Ressourcen halte ich für die Grundlage vieler Lösungen heutiger Probleme. Und ich weiß, dass es immer mehr Menschen gibt, die so denken: Die, die nach dem eigentlichen Sinn des Lebens fragen. Die, die andere Lebensziele entwickeln als mit Geld um sich zu werfen und deshalb auch andere Erwartungen an das Leben haben. Wir wissen heute viel, sind informierter denn je, aber wir sind auch verunsichert. Und gleichzeitig können wir unsere Produkte unseren Anforderungen anpassen. Es werden jährlich pro Kopf kiloweise Lebensmittel weggeworfen. Ich frage: Warum haben wir tiefe, große unübersichtliche Kühlschränke? Wir entwickeln aktuell am Lehrstuhl in einem Projekt einen flachen kleinen Kühlschrank. Oder beispielsweise eine Vakuumlösung zur Aufbewahrung von Obst. Ich finde, wir sollten immer ehrlich bleiben und uns eingestehen, dass wir noch nicht alles wissen und offen sein für Fragen, Veränderungen und sinnvollere Lösungen als die, die wir bereits kennen.

EK: Wie sehen sie dieses Prinzip bezogen auf das Autofahren?

Frenkler: Wenn wir auf Autobahnen nur noch 80 Kilometer pro Stunde fahren, relativieren sich einige Emissionsprobleme von selbst. Wir machen oft sehr irrationale Dinge, setzen Ressourcen oft sehr wirkungslos oder sogar gegensätzlich wirkend ein. Beispielsweise reparieren wir ständig die Straßen, entfernen Kopfsteinpflaster und dann hängen wir Schilder auf, dass man nur noch 40 km/h fahren darf.  Und wir konzentrieren uns oft zu sehr auf ein Thema und vernachlässigen oder übersehen Alternativen. Aktuell ist es das Carbonthema. Warum ist das Carbonthema momentan so gefragt? Woher kommt diese Carbon-Lobby und was ist eigentlich mit andern Materialien, zum Beispiel mit Magnesium, das ja auch sehr interessante Materialeigenschaften hat? Panasonic hat ein Laptop aus Magnesium hergestellt. Vielleicht übersehen wir da in der Forschung etwas. Was ist mit dem CO2-Footprint von vielen Produkten?

EK:  Was kann Design also Ihrer Meinung nach heute leisten?

Frenkler: Design muss leisten, das Leben einfacher zu machen und zwar in der Gesamtbetrachtung. Design ist immer auch politisch und muss sich immer mit gewissen Funktionen in der Gesellschaft auseinandersetzen. Warum sehen die neuen e-Autos genauso aus wie die Autos, die wir schon haben? Wie viele und wofür brauchen wir überhaupt Autos? Sind diese für die Mobilität überhaupt notwendig?

EK: Was bedeutet das für die Technologieentwicklung?

Frenkler:  Technologie muss immer auf die Gesellschaft bezogen entwickelt werden. Mit Gesellschaft meine ich auch verschiedene Kulturen. Da stellt sich dann die Frage, wie ich technologische Funktionen mit gesellschaftlichen Anforderungen und Bedürfnissen verbinde.

EK: Was konkret ist dabei die Aufgabe des Designs?

Frenkler: Design hat die Aufgabe Produkte zu entwickeln, die eine langlebige und selbsterklärende Funktion haben. – er legt ein iPhone auf den Tisch – Das ist Design, weil es sich nicht verändert hat, sondern nur technologisch optimiert wurde. Das iPhone-Design wird sich zum Beispiel erst verändern, wenn es aufgrund der technologischen Möglichkeiten nur noch halb so groß ist. Es besteht keine Notwendigkeit die Form ständig zu verändern, wie es in der Mode oder bei den Autos ständig passiert. Wenn etwas langfristig Bestand hat, ist es Design. Das ist eine Herausforderung für Gestaltung, die in letzter Zeit oft vergessen wurde. Die Design-Perspektive ist eine völlig andere als die Marketing-Perspektive. Deshalb heißt es ja auch Apple-Design und nicht Apple-Marketing. Es geht meiner Meinung nach nicht darum, ständig neue Bedürfnisse zu wecken und für tausende von Menschen verschiedene Formen zu entwickeln. Es geht darum, dass Design die Aufgabe hat, den Prozess einer Produktentwicklung zu moderieren. Und das Ziel von Design ist es, sinnvolle Produkte für Menschen zu machen. Da müssen wir so manche unserer Handlungsweisen überdenken. Ich habe zum Beispiel an einem Bürogestaltungsprojekt den Gutschein für das Fitness-Studio gestrichen und habe stattdessen den Aufzug abstellen lassen. Manchmal sind Lösungen viel einfacher und Ressourcen schonender als man denkt.

EK: Wie lässt sich das alles zusammenfassen?

Frenkler: Weniger ist mehr, wenn es das Richtige und richtig gemacht ist. Dieter Rams hat diese Haltung der Ressourceneffizienz, das „as less as possible“, geprägt.

(das Interiew führte Elke Kuehnle)

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