Internationale Agrarkonzerne produzieren Hunger

In den vergangenen Wochen wurde immer wieder über die Hungersnot im Horn von Afrika berichtet. Auf vielen Zeitungs- und Internetseiten fallen Aufrufe ins Auge, mit denen Spenden für die Hungernden eingesammelt werden sollen. Hier greift nun so manches Geschäftsmodell, mit dem am Elend in der Welt noch verdient wird – auch Hilfe für die Ärmsten der Armen ist nicht kostenlos zu haben.

Aber weil unser sozialer und wohlmeinender Staat ja schon mit so vielen anderen unglaublich wichtigen und dringenden Ausgaben belastet ist, wird hier der Bürger direkt aufgefordert, hilfreich zu sein und Gutes zu tun, vom eigenen, mehr oder weniger schwer verdienten Geld. Wobei es vermutlich auch erfolgreicher ist, für Hungernde und andere Katastrophenopfer private Notgroschen einzusammeln als für andere Dinge. Wer würde denn für eine marode Bank spenden, für neue Panzer oder gar für die armen Atomkonzerne, die jetzt am Hungertuch nagen, weil sie ihre Atommeiler verschrotten müssen?

Gut, für die muss man auch nicht extra spenden, da wird das Geld, was der Staat per Steuer von uns allen eintreibt, einfach mal verwendet. Man kann ja nicht immer die Leute fragen, was sie denn gern dafür hätten. Denn die kapieren oft nicht, was wirklich wichtig ist und worauf man verzichten kann. Schulbücher und Nahrungsmittel sind jedenfalls weniger wichtig. Und noch eine kurze Bemerkung zu der oft zu lesenden Behauptung, dass Millionen armer Bundesbürger gar keine Steuern zahlen würden: Dreiste Lüge. Der Mindestsatz liegt bei 19 Prozent. Für alle. Auf alles. Außer Grundnahrungsmittel, Druckerzeugnisse und noch irgendwas.

Dabei gibt es in den bürgerlichen Medien es natürlich auch kritische Berichte, die durchaus zutreffend besagen, dass diese Hungersnot von Menschen gemacht wird – wie so viele andere Hungerkrisen auch. Und was wird da nicht alles ins Feld geführt, von einer rücksichtslosen Kolonialpolitik vergangener Jahrhunderte, mit der die Afrikaner einst ausgebeutet und ihre Gesellschaften zerstört wurden, über Stellvertreterkriege zur Zeiten der Systemkonfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt, falsch angegangene Entwicklungs- und Industrialisierungsprogramme, falsche Anbaumethoden, Stammesfehden, Konflikte um Wasser und seltene Erden, bis hin zur Klimaerwärmung, an der natürlich auch die Staaten des reichen Nordens schuld sind (und neuerdings auch die Chinesen).

Klar, das spielt alles eine Rolle, auch die weiterhin andauernde Zerstörung von Gesellschaften, die sich eigentlich prima an das meist sehr trockene Klima in diesen Gebieten angepasst hatten, die sich aber nun aufgrund neuer Eigentums- und Staatsverhätlnisse nicht mehr frei bewegen können – was ja der Witz an einer nomadischen Lebensweise ist. Denn genau diese ist daran angepasst, halt dorthin zu gehen, wo es genug Futter für die Tiere und damit Nahrung für die Menschen gibt. Denn globale Erwärmung hin oder her – in den Gegenden, in denen schon immer mal ein paar Jahre lang kein Regen fällt, dann aber doch wieder mal sehr viel und sehr heftiger Regen, da muss man halt flexibel sein. Das geht aber nur, wenn Mensch und Tier entsprechende Flächen zur Verfügung haben, und große Rückzugsgebiete.

Wann ist Land „ungenutzt“?

Riesige Gebiete in Afrika, die als Öd- oder Brachland gelten und deshalb von den jeweiligen Staaten oder Klans, die sich als Vertreter dieser Staaten aufspielen, an Investoren verkauft werden, die dort Landwirtschaft betreiben wollen, sind überhaupt nicht ungenutzt. Sie sind extensiv genutzte Weidefläche, Menschen sammeln dort Pflanzen oder Feuerholz und so weiter. Wenn einer kommt und einen Zaun drum macht, dann haben die Leute dort ein existenzielles Problem – sie verlieren ihren Lebensraum, ihre Lebensgrundlage. Das geschieht aber seit Jahrzehnten und derzeit verschärft sich diese Situation, weil internationale Nahrungsmittelproduzenten weltweit zunehmend auf der Suche nach Anbauflächen sind. Und damit produzieren sie vor allem Hunger.

Denn, soviel steht fest: Die Agrarkonzerne bauen nicht aus lauter Menschenfreundlichkeit Nahrungsmittel an. Sondern weil sie damit Geld verdienen. Und, so ist das nun mal in der Marktwirtschaft, mit knappen Nahrungsmitteln kann man höhere Preise erzielen und somit auch noch prima verdienen. Die Leute in Afrika sind eh zu arm, um sich das Zeug zu kaufen. Aber nun verlieren sie auch noch das Land, das sie bisher mit Nahrung versorgt hat: Statt sich selbst zu versorgen, sind sie nun gezwungen, sich Nahrung zu kaufen. Aber von welchem Geld? Auf einer Farm mit intensiver Landwirtschaft werden nicht so viele Arbeitskräfte gebraucht. Die Leute, die bisher als Nomaden mal hier und mal dort hin gezogen sind, und sich selbst versorgt haben, werden nun zu Hungerleidern, weil sie kein Land mehr haben, auf dem sie ihre Tiere weiden lassen können. Um die halbwegs brauchbaren Gebiete ist nun ein Zaun gezogen. Kommen dann noch ein paar besonders trockene Jahre dazu (die es seit Menschengedenken gegeben hat, womit ich aber auch nicht sagen will, dass die globale Erwärmung nicht existieren würde) sind die Folgen besonders fatal.

Übrigens nicht nur für die Nomaden, sondern auch für die Farmer. Denn die Kehrseite intensiver Landnutzung ist unter anderem, dass die Ernteausfälle stärker ins Gewicht fallen. Das Land in der Sahelzone kann halt gerade so noch landwirtschaftlich genutzt werden. In guten Jahren gibt es gute Ernten, dann gibt es wieder jahrelang nichts. Es ist auch nicht so, dass die Leute dort zu blöd wären, Vorräte anzulegen – das haben sie immer getan. Aber unter kapitalistischen Bedingungen können sie ja nichts mehr für sich selbst produzieren, sie müssen das, was produziert wird, verkaufen, um an Geld zu kommen. Oder sie müssen überhaupt an Geld kommen, um sich Lebensmittel zu kaufen. Viele sind schlicht zu arm, um sich Vorräte anzulegen. Oder besser: Sie wurden zu arm dafür gemacht. Das wird aber nicht erwähnt, wenn in der Tagesschau und im heute journal die Elendsbilder aus Afrika gezeigt werden.

Der Kapitalismus wird nicht infrage gestellt. Es gibt nur wieder zweifelhafte Appelle an die Moral: Wir sollten verzichten, unseren Konsum überdenken und Kohle auf das Spendenkonto überweisen. Aber nur als Privatmenschen, als gute Bürger. Und wenn der Ablass bezahlt ist, dann konkurrieren wir die anderen als Staat und Volkswirtschaft wieder in Grund und Boden.



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