"Integration" heute

 

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Von Stefan Sasse

Ganz ehrlich, ich kann es kaum beschreiben. Wie in den letzten kaum zwei Jahren eine Stimmung in diesem unserem Land entstanden ist, die den Aufschwung einer neuen und rapiden Ausländerfeindlichkeit markiert, ist beachtlich. Anfang der 1990er Jahre schrie alles Zeter und Mordio, als die Republikaner mit ihren Thesen von "Deutschland den Deutschen" in den Landtag Baden-Württemberg einzogen und nach einigen Demoskopen sogar Chancen auf den Bundestag hatten. Heute sind sie längst rechts überholt. "Wir brauchen keine Einwanderung aus fremden Kulturkreisen", hat Seehofer postuliert. Wenn man die offensichtliche Frage "Woher denn dann?" einmal beiseite lässt, dann muss einem doch auffallen, dass diese Phrase genausogut im Munde eines NPD-Politikers hätte liegen können, ohne das irgendjemandem auch nur das Geringste aufgefallen wäre. Dass die NPD verkündet hat, Sarrazin vertrete größtenteils ihre Positionen war nur ein Publicitygag, sicherlich. Doch leider ist es gleichzeitig schmerzhaft wahr. 


Ein neuer Fremdenhass hat sich in dieser Gesellschaft breit gemacht, der mit starkem Rückenwind fast des gesamten Mainstream-Journalismus von SZ bis FAZ zu BILD, Welt und Zeit mehrheitsfähig gemacht wurde. Das Zauberwort, das diesen Fremdenhass und den damit einhergehenden Rassismus möglich gemacht hat, ist "Integration". Wer sagt, die Ausländer hätten "sich zu integrieren", der sagt damit eigentlich nichts anderes als dass sie abhauen sollen, er drückt es nur anderes aus. Denn befragt man den Durchschnittsbürger nach seinen Vorstellungen von Integration wird schnell klar, dass diese letztlich überhaupt nicht zu bewerkstelligen ist. Der Migrant - und machen wir uns nichts vor, das ist nur das neuen politisch korrekte Wort für "Ausländer", das sich im Zeichen des neuen Rassismus sogar standardmäßig auf jene Migranten erstreckt, die einen deutschen Pass haben - darf effektiv nicht zu sehen sein, nicht bemerkt werden, dann wäre er "integriert". Das aber ist vollkommener Quatsch.


Ich habe meine grundsätzlichen Überlegungen zur Integrationsdebatte bereits dargelegt. Was mich so anwidert und was ich für so gefährlich halte ist diese Doppelbödigkeit der Hetze, die inzwischen im Namen Sarrazins und der Integration betrieben wird. Dieses beständige "Sarrazin hat ja Recht, er formuliert nur blöd" zeigt deutlich einen Schutzmechanismus, den der brave Bürger - und auch genügend Journalisten - seit Jahrzehnten gerne verwendet: er versteckt seine Ansichten hinter jemand anderem. Praktisch niemand weiß, was Sarrazin wirklich gesagt hat, das ist mir immer wieder aufgefallen. Stattdessen behauptet jeder, dass er gesagt habe, was man selbst als fremdenfeindliche Thesen vertritt. Das wirkt wie ein Testballon. Man kann so Sarrazin vorschieben, und wenn der Gegenüber negativ reagiert war es er und nicht ich, der das gesagt hat. Sarrazin wird so zum Schild, der allerdings wegen des breiten Konsenses dieses neuen Fremdenhasses immer überflüssiger wird. Er degeneriert zum Chiffre. 


Die Gesellschaft wird durch diesen neuen Rassismus, diese neue Fremdenfeindlichkeit vollkommen gespalten. Es befinden sich zahllose Muslime im Land! Diese haben ein grundgesetzlich garantiertes Recht auf Ausübung ihres Glaubens! Die CDU ist örtlich so weit gegangen, Geert Wilders einzuladen, der die Theorie vertritt dass ein Muslim die Hälfte der Seiten des Koran ausreißen müsse um zu beweisen, dass er in die niederländische Gesellschaft integriert werden könne. Eine solche Sicht ist bei uns bereits weit verbreitet. Das Ausschließen dieser Menschen, das absurderweise mit der verschärften Forderung nach "Integration" verbunden ist, wird Deutschland und unsere Gesellschaft noch teuer zu stehen kommen. "Integration" ist eine Idee, die kaum sechs, sieben Jahre alt ist, und sie ist bereits vollkommen pervertiert, zu einem politischen Kampfbegriff verkommen. Selbst die SPD gibt sich dieser neuen Form des Rassismus hin, wohl in der Angst, Wähler zu verlieren, und die CDU hat es schon immer als ihr Kernthema ausgemacht, rechte Thesen bügerlich zu präsentieren. Ein Zusammenleben aber wird so nie entschieden. Die neue Integrationstheorie, wie sie von den heutigen Meinungsführern vertreten wird, ist eine negative, ausgrenzende. Sie erklärt ständig, warum man nicht dazugehört, bleibt es aber schuldig zu erklären, wann man denn dazugehöre. Dass unter diesen Auspizien noch so viele Muslime in Deutschland so geduldig und friedlich sind ist das eigentliche Wunder. Sie hätten allen Grund, sauer zu sein, und ich fürchte, dass die gefährliche Hetze bald zu einer self-fulfilling-prophecy wird.


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