Inflation der Medizinerunis: Neue Spielwiese der Provinzpolitiker?

Inflation der Medizinerunis: Neue Spielwiese der Provinzpolitiker?
Inflation der Medizinerunis: Neue Spielwiese der Provinzpolitiker?

Wir haben hier schon einmal (12/2010) darauf hingewiesen, dass die Frage, ob es einen Ärztemangel in Österreich gibt,
seit Jahren mehr über die Position des Sprechenden Auskunft gibt, als über die realen Verhältnisse: http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33160.
 
Wer leugnet, dass wir inzwischen wie viele andere Länder inzwischen Probleme haben, offene Turnus- und Facharztstellen, sowie Praktikerordinationen in weniger attaktiven Regionen zu besetzten, der möge sich nur einmal die Stellenausschreibungen in den einschlägigen Ärztezeitungen ansehen.

Der “bezahlte Gesundheitsrationalisierer” wird einwerfen, dass die Anzahl der Ärzte pro Einwohner in Österreich weltweit einen Spitzenplatz einnimmt, nur übersieht er hier bei seinen Rechenspielchen (absichtlich?) wie aktuell Herr Langbein im Falter, dass ein immer größerer Teil der Dr. med. univ. s nicht mehr an Krankenbett oder an der Ordinationsliege arbeitet, das heißt trotz abgeschlossenem Studium und oft trotz abgeschlossener postpromotioneller Ausbildung in andere Professionen abgewandert sind.
Auch Deutschland musste erkennen, dass die planwirtschaftliche Ärzteproduktion qua “Numerus clausus” fehlschlug, da etwa die Hälfte derer, die die umkämpften Studienplätze erlangt haben, nach Studienabschluß nicht mehr als ”Arzt” in de direkten Patientenversorgung arbeiten. Dies freut die österreichischen Studienabsolventen, die von deutschen Spitälern auch ohne abgeschlossenem Turnus mit offenen Armen aufgenommen werden und dann bei uns fehlen, oder auch nicht, je nachdem wer die Studie bezahlt hat …
 
In allen Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte wurde überdies gepredigt, dass wir in Österreich auch viel zu viele Spitalsbetten pro Einwohner haben und die Schließung mancher Spitäler gefordert.

 Dass kaum jemand angesichts dieser statistisch nicht abzustreitender Fakten die Frage stellte,
ob wir vielleicht auch soviele Spitalsbetten brauchen, weil der extramurale Bereich zu wenig versorgungswirksam ist
(weil die Ordis halt meist zu sind)
und die Altenversorgung nicht fuktioniert (und die verwirrte Oma monatelang (!) im Akutbett “abliegt”, weil kein Pflegeplatz frei ist), tut hier nun nichts zur Sache.
 
Unter dem Druck der klammen Kassen erleben wir zumindest in Wien  jetzt ohnehin ein Spitalssterben:
Kaiserin Elisabeth Spital, Sophien Spital, noch unklare Teile des Otto Wagner Spitals, … etc.
Der Druck des Rechnungshofs auf Österreichs verkanntesten Gesundheitspolitiker, den nur ein dummer Zufall zu Niederösterreichs Finanzlandesrat gemacht hat:
dem WESP http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=32557
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33803
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=42528
wird auch immer größer, so dass es auch hier nur mehr eine Frage der Zeit sein wird, bis hinterfragbare Doppelstrukturen fallen  ….
 
ABER,
 
die Junker aus der Provinz haben schon eine Alternative, wenn die Stadt- und Landesspitäler geschliffen werden: Die MEDIZINERUNI.
 

Auf die Bestrebungen die Stadt Linz mit einer Meduni zu veredeln haben wir hier schon verwiesen.
Die Protagonisten sammelten 136.000 Unterschriften (http://www.meduni-linzooe.at/home/) und setzen sich schon mit dem Segen von BuMin Töchterle in einer Expertenrunde zusammen: http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/landespolitik/art383,908750 
Niederösterreich, das in Gugging ja schon eine “Instant Eliteuni” gegründet hat (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=52689) vermeldet nun (mit Unterstützung der Meduni Wien) in Krems  die Gründung einer privaten Medizinuni: Die “Karl-Landsteiner-Privatuniversität”  (http://noe.orf.at/news/stories/2537636/ ; Studiengebühren bis 14.000 €).
Da kann Kärnten nicht zurück stehen und verkündet, dass die Meduni in Klagenfurt ab Wintersemester 2013 ”Ärzte produzieren” wird (gemeinsam mit Landesgeldern, der privaten Sigmund Freud Uni, Graz und dem zuletzt stark in Troubles befindliche Klinikum Klagenfurt). http://www.kleinezeitung.at/allgemein/video/multimedia.do?action=showEntry_VideoDetail&project=462&id=200041 
 
Der wichtigste Unterschied zu Krems
: In Klagenfurt wird die Unterrichtssprache Deutsch sein, no na net, in Krems soll in Englisch unterrichtet werden
http://kaernten.orf.at/m/news/stories/2537713/ 
Salzburg hat ja ohnehin schon seine Privatuni, nur über die Vorarlberger Bestrebungen, den eigenen Studenten die Reise nach Innsbruck ersparen zu wollen, ist es augenblicklich stiller.
 
NA UND?
 
Kann es den zu viel Ausbildung für den akademischen Nachwuchs geben, schließlich schielt man ja offenkundig auch auf (finanzstarke) Studienwillige aus dem benachbarten Ausland und das kann doch auch ein Geschäft werden?!
 
Gemach, gemach ….
Die medizinische Ausbildung, wie alle stark berufsorientierte Ausbildungen, wird zunehmend in drei Bereiche unterteilt: 
Kenntnisse – Erfahrungen – Fertigkeiten
 
Vereinfacht kann man sagen, dass man unter Kenntnissen überwiegend theoretisches Wissen versteht, das man durch Bücher, Frontalvorlesungen oder Multimedia praktisch einer unbeschränkter Zahl an Studenten vermitteln kann.
 
Erfahrungen setzen voraus, dass der Student eine bestimmte Krankheit, eine bestimmte Technik zumindest einmal erlebt hat. Ich habe zwar auch Universitätslehrer erlebt, die meinten, dass man Erfahrungen auch in der Bibliothek machen kann, jedoch verbietet es mir der Anstand “ein paar Anekdoten zu drücken”, welche Lachnummer der Mann am Krankenbett war (Sein Impact Faktor war übrigens beeindruckend).
Spätestens bei Fertigkeiten ist es unabdingbar, dass ein Arzt sein Handeln auch unter Aufsicht (besser Draufsicht eines Ausbildners) so weit übt,
dass es er es auch eigenverantwortlich zum Nutzen und nicht zum Schaden des Patienten ausüben kann.
 

Da sich in den letzten Jahrzehnten auch ein Paradigmenwechsel im Medizinstudium ergeben hat und nun gefordert wird, dass ein Student auch schon während des Studiums einige Fertigkeiten erwerben muss, kann eben nur eine bestimmte Anzahl an Studenten ausgebildet werden. 
Es existieren inzwischen sogar zum Teil detailliertere “Logbücher” für Studenten als für Turnusärzte. In Wahrheit hat man in Europa in  vielen Ländern mit den Studienabschluß das Recht zu ordinieren. In Österreich ist dies innerhalb des Sozialsystems verboten, außerhalb theoretisch möglich.
 

Und da werden sich alle Provinzpolitiker, die mit der eigenen Meduni renomieren wollen, scheiden, denn dazu braucht man
genügend qualifizierte Ausbildner und eine ausreichende Anzahl geeigneter Patienten.
 

Was soll ich sagen, ohne meine Deckung zu sehr aufzuheben

Diese Inflation an Medizinunis ist ein bodenloser Schwachsinn und gefährdet die Qualität der Medizinerausbildung stärker als die drei, vier Medizincurricula,
die ich bisher erleben, exekutieren und erleiden musste …
Unsere Landespolitiker sollten es dabei  belassen, noch ein paar Sommerfestspiele zu gründen und die Finger von Dingen zu lassen,
die ihren geistigen Horizon derartig sichtbar übersteigen.


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