In Iran wird gestreikt

In Iran wird gestreikt

08.07.2009Artikel zu Iran Politik & Gesellschaft erstellt von Reza Aslan

Reza Aslan berichtet von den Plänen iranischer Oppositionsführer einen dreitägigen Streik unter dem Mantel religiöser Ferien zu organisieren. Wie sich herausstellt, ist die Revolution noch lange nicht beendet.

In Iran wird gestreikt

Ein heftiger Sandsturm fegte am Montagmorgen durch Teheran und bedeckte Straßen und Häuser mit einer grauen, feinen Staubschicht. Die Dächer der Gebäude, wo vergangene Nacht zum 21sten Mal in Folge “Gott ist groß!”-Rufe ertönten, sind jetzt kaum zu erkennen. Große Teile der sonst so geschäftigen Innenstadt Teherans wirken verlassen. Leute berichten von einer Luftqualität, die einem den Atem raubt. Eine gespenstische Ruhe hat sich über die Stadt gelegt.
Das perfekte Wetter für einen Streik
Am Montag begann eine ungewöhnliche Periode von drei islamischen Feiertagen, die Itikaf heißen. Manchmal wird das als „Rückzug“ oder „Besinnungszeit“ übersetzt. Itikaf ist eine Zeit, in der besonders fromme Muslime sich in ihren Häusern oder Moscheen einschließen, um intensiv zu beten und sich gedanklich zu versenken. Es ist eine Praxis, welche das Regime im Iran seinen Bürgern lange Zeit nahe gelegt hat. Besonders junge Menschen wurden aufgefordert daran teil zu nehmen, gewöhnlich ohne viel Erfolg. 
In diesem Jahr jedoch planen die Anhänger von Mir Hossein Moussavi, der Herausforderer von Ahmadinedschad, den Aufruf der Regierung zur religiösen Einkehr aufzugreifen. Moussavi’s Webseite rief die Iraner auf, die staatlich verordneten Ferien für einen dreitägigen Streik im ganzen Land zu nutzen und Geschäfte und Banken zu boykottieren, in der Hoffnung die Massendemonstrationen, die zwei Wochen zuvor das Land in Atem hielten wieder in Gang zu setzen. 
“Das Regime schützt seine religiösen Praktiken mit großem Engagement,” sagte ein Mitarbeiter und enger Vertrauter (der zu seiner eigenen Sicherheit anonym bleiben möchte) von Moussavi. “Wir werden ihre Religion dazu verwenden, um einen landesweiten Streik auf die Beine zu stellen, um Moussavi zu retten und diese Wahl annullieren zu lassen. [Itikaf] ist etwas, das vom Regime jahrelang propagiert wurde, so dass sie es jetzt nicht bekämpfen können.“ 
Die Praxis von Itikaf erlaubt Muslimen von der Arbeit wegzubleiben ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen. Sie erlaubt den Leuten sogar ohne Erklärungen aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Sie erlaubt außerdem die Versammlung großer Menschenmengen in Moscheen, Häusern und anderen Versammlungsorten – geeignet für friedliche Sit-ins (so weit sind die Versammlungsorte noch geheim, doch teilen mir die Veranstalter mit, es bestehe Hoffnung, dass wenigstens Mehdi Karroubi, der andere Reformkandidat, eine der Versammlungen besuchen wird). Moussavi’s Facebook-Seite empfiehlt die religiösen Ferien nicht nur dazu zu verwenden, nicht bei der Arbeit zu erscheinen, sondern keinerlei Geld auszugeben und aus “religiösen” Gründen Geld von Konten staatlicher Banken abzuheben. 
Nach Informationen der Veranstalter des dreitägigen Streiks, planen die Demonstranten die religiöse Einkehr als Test für die Grenzen des Sicherheitsapparates im Regime. “Sollen sie uns doch in den Moscheen zusammenschlagen, wenn sie es wagen,” sagte einer. „Sollen sie uns schlagen, während wir fasten und beten.“
Es gibt Hoffnung unter den Anhängern Moussavi’s, dass sich das politische Glück, trotz der brutalen Vorgehensweise des Regimes gegen die Demonstranten und der Bestätigung von Ahmadinedschad‘s Wahl durch den Wächterrat, doch noch zu ihren Gunsten wenden kann. Einige mächtige Personen aus dem konservativen Establishment, wie drei Berater des Obersten Führers Ali Khamenei—Parlamentssprecher Ali Larijani, ehemaliger Sprecher Ali-Akbar Nategh-Nouri und der ehemalige Außenminister Ali-Akbar Velayati—beginnen Ahmadinedschad’s brutalen Umgang mit der Krise um die letzte Präsidentenwahl zu kritisieren.
Am Samstag veröffentlichte eine der einflussreichsten religiösen Institutionen Irans, die Vereinigung der Forscher und Lehrer aus Qom, eine Erklärung, in der sie das Ergebnis der Wahl widerrufen und die Regierung Ahmadinedschad‘s als illegitim bezeichnen. Diese Erklärung ist eine offene Herausforderung für die verfassungsmäßig verankerte Unfehlbarkeit Khamenei’s und ein Angriff gegen seine Autorität.
In der Zwischenzeit wagt der mächtigste Führer der Anti-Ahmadinedschad/Anti-Khamenei Koalition, der auch als Oberhaupt des Expertenrats (dieser darf den Obersten Führer von seinem Posten absetzen) fungiert, Hashemi Rafsandschani, seine Kritik am Umgang mit der Krise um die Wahl deutlicher auszusprechen. In einem Interview mit der Iranian Labor News Agency, brachte Rafsandschani zur Sprache, dass die Wahl und “die Ereignisse danach” einen bitteren Nachgeschmack für viele Iraner” hinterlassen hätten und er warnte, dass “das erwachte Bewusstsein” der Bürger durch die “Ergebnisse dieser Situation” nicht befriedigt sein würden.
Auch Mohammad Khatami hat sein Schweigen gebrochen. In einer Ansprache an die Familien derer, die verhaftet wurden oder anderweitig fehlen, beschuldigte Khatami “jene, die die Proteste der Menschen unterdrückt haben, den größten Wert und Rückhalt dieses Systems, das Vertrauen der Menschen“, zerstört zu haben. 
Mit einem brillanten politischen Schachzug kehrte Khatami die Spitze der häufigsten Anschuldigung der Regierung – die Proteste seien der Plan fremder Mächte, um das Regime zu stürzen – einfach gegen Ahmadinedschad und Khamenei, indem er sagte, die gestohlene Wahl sei eine “samtene Revolution, die gegen die Menschen und die republikanischen Prinzipien des Systems durchgeführt worden sei“. 
Wie erfolgreich der dreitägige Streik sein wird, werden wir sehen. Die Itikaf Ferien werden am Donnerstag, dem 9. Juli (18.Tir im islamischen Kalender) enden. An diesem Tag vor 10 Jahren wurde eine studentische Protestveranstaltung an der Teheraner Universität gegen die Schließung der reformorientierten Zeitung Salam gewaltsam beendet. Nach sechs Tagen friedlicher Demonstrationen, stürmten zivil gekleidete Milizionäre und militante Bassidschi in die Universität, durchsuchten die Schlafzimmer der Studenten, stürzten Studenten aus dem Fenster, verbrannten Bücher, verhafteten die Protestierenden und brachten sie durch heftige Prügel zum Schweigen. Die Ereignisse im Sommer 1999 bescheren diesem Tag die Bezeichnung “Das Massaker vom 18. Tir”. 
10 Jahre lang hat das Regime alle öffentlichen Gedenkveranstaltungen an das Massaker verboten. In diesem Jahr jedoch haben die Protestler vor die dreitägigen Ferien, in denen sie streiken wollen, als Vorbereitung für eine große Demonstration in Gedenken an den 18. Tir zu nutzen und das Regime offen zu Reaktionen herauszufordern. 
Wie sich herausstellt, ist die Revolution noch lange nicht beendet. Wenn es jetzt nur den Iranern gelingen kann, uns andere dazu zu bewegen, uns zu interessieren. 
Als ich mein Telefongespräch mit dem Mitarbeiter von Moussavi beenden wollte, bat er mich “die westlichen Medien einzuladen unserer Situation weiterhin Aufmerksamkeit zu schenken. Bitte lasse sie wissen, dass durch eure Aufmerksamkeit weniger von uns getötet werden. Wenn Amerika und Europa nicht mehr zuschauen, wird das Regime jegliche Zurückhaltung ablegen.“ 
Nun, Amerika; Europa? Schaut ihr weiter zu? 

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