In der Spießigkeit des Pyjamas

Kontinuierlich kommt ans Licht, was an Sarrazin wirklich dran ist. Nicht seine harten Fakten, die sich nun abermals als weicher Käse abzeichnen, sind damit gemeint - nein, die Worte seiner Frau, die sich nun ebenfalls ins Blitzlichtgewitter der Medien drängelt. Eine arme geschundene Prominentengattin sei sie, die ihrer Arbeit als Grundschullehrerin kaum mehr nachkommen könne, weil man sie despektierlich behandelte.

Sarrazin und die Seine, so wird sichtbar, gehören der verarschten Schicksalsgemeinschaft an - der eine ist deren Sprachrohr, die andere tut es ihrem Gatten nun gleich. Sie weilen in einem Zustand fortwährend empfundener Benachteiligung und Ausbeutung; sie fühlen sich ausgepresst und verschaukelt, in ihnen ruht die Empörung von Habenichtsen und Fremden überrumpelt zu werden. Mit dieser Einstellung fischt Sarrazin bei gesellschaftlich Bessergestellten - bei denen, die sich ebenfalls veräppelt wähnen, die Steuererleichterungen unter Aufgabe des Sozialstaatsgedankens fordern und sich dabei auch noch betrogen vorkommen. Ursula Sarrazin ist hierbei nur die richtige Frau an der Seite ihres richtigen Gatten: eine andere als eine sich empörende, eine sich beschissen und abgezockt fühlende Frau, wäre an der Seite des Stammlers überhaupt nicht denkbar.

Angeekelt stellt man sich beide im Pyjama vor, sich keusch im Bett aalend, wie sie sich gegenseitig die Entrüstungen ihres Alltags beichten. Von bösen Arabern wird da wahrscheinlich berichtet und die Frau des Hauses schiebt nach, dass Araber auch schlechte Eltern sind, wie sie aus ihrer langjährigen Praxis erfahren durfte. Beide nicken gedankenschwanger, starren sich dabei mit bedrückter Miene an. Dann ergreift sie das Wort, säuselt im Schlafzimmerton, dass sie heute einen Disput mit einem Vater aus der Unterschicht hatte - ja, so ist das Pack!, antwortet er, dabei irgendwelche Statistiken im Kopf verschiebend, die diese seine Abneigung unterstreichen könnten. Möglicherweise diskutiert man die gemeinschaftliche Empörung bis in den Schlaf hinein; irgendwann nuschelt Thilo halb in Schlaf versunken nur noch etwas von Genen und Vererbungsregeln...

In der Spießigkeit des Pyjamas gedeiht die verarschte Schicksalsgemeinschaft; dort raunen sich betrogene Ehepaare ihren Unmut zu; dort floriert die Abscheu gegen Ausländer und Unterschicht. Da wird aus der Ecke bessergestellten Lebens heraus auf das Schwächliche gekotzt. Die Sarrazins sind in ihrem selbstgerechten Eifer nur Symptom, sind exemplarische Eheleute, die sich in ihrer Selbstgefälligkeit beistehen. Der Grundstock einer solchen Geisteshaltung sprießt in Schlafanzügen, dort bestärkt man sich gegenseitig in seiner Paranoia, spricht sich Mut zu, läßt die Welt außerhalb der Kissen an sich abprallen und schöpft neuen Elan, um seinen Verfolgungswahn neu anzukurbeln. Dort stärkt man seinen Eifer, dort ist die Basis der Schicksalsgemeinschaft zu finden: bevor emsige Journalisten Empörungsschlagzeilen ersinnen, die der verarschten Schicksalsgemeinschaft unter die Achseln greifen sollen, hat sich dieser an der Schulter seiner Gattin oder seines Gatten ausgejammert. Bevor sprachunbegabte Ex-Senatoren den Griffel ansetzen, lagen sie im Ehebett und lauschten den Geschichten ihrer Herzensdamen.

Der Hass auf all jene, die man als Ballastexistenzen bezeichnet, er keimt im Kreis seiner Lieben - und wehe dem, diese denken genauso: dann fasst sogar die Dummheit Mut, die eigene Begrenztheit in die Lande zu tragen...


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