Maskulines Schaulaufen zweier moralisch gegensätzlicher Asphalt-Wächter, der eine das verunsicherte Schaf, der andere der gefräßige Wolf, für den es keine verwaschenen Grauzonen jener fest fixierten Lösungsvorschläge seines reaktionären Gerechtigkeitsempfindens zwischen Draufgehen und Überleben und Töten und Laufenlassen gibt. Antoine Fuqua porträtiert diese beiden Hüter des Gesetzes einen Tag lang durch ein von Korruption, dreckig erworbenen Geldbündeln und weißem Schnee überschwemmtes, pittoreskes Moloch und zugleich Heimat Basketball, ebenso wie Drive-by-Shootings herumspielender Gangs in ihren schäbigen Regierungsvierteln, wo jeder hineingelangt, aber mindestens jeder zweite mit dem Leichenwagen wieder herausgeholt wird. Es ist das Hollywood-Gebräu vom abgefuckten Los Angeles knapp unterhalb des sozialen Verfallsdatums, das bedauerlicherweise auch Fuqua 1:1 nachstellt, ohne dabei den hoffnungslosen Tenor mit hoffnungsvollen Freundlichkeiten zu verwässern. "Training Day" inhaliert Fingernägelkauen und ein Mittendrin-Gefühl eher aus dem fesselnden Argumentationsduell beider, direkt nebeneinander sitzender Protagonisten auf ihrem fiebrigen Trip gen Sonnenuntergang. Denzel Washington in einer schillernden Schurkenrolle schießt im Sekundentakt zynische Allmachtsfantasien ab, während sich Ethan Hawke (zuweilen farblos) verbissen an der idealistischen Seifenblase festbeißt, die an der scharfkantigen Bordsteinkante bald zerplatzen wird. Station für Station hakt der Film verbrecherische Minidramen ab, durch die der persönliche Selbstzweifel bald alle anderen Gefühle überdeckt und seine eindrucksvollsten Geistesblitze hat, wenn latente Bedrohung von allen Seiten, etwa in einer Pokerrunde, die Spannungskurve bis zum Maximum dehnt. Doch summa summarum vermag Fuqua "Training Day" nicht über die fest etablierten Cop-Milieusausen hinweg zu hieven. Denn allzu deutlich und in seiner Schlusskonzeption geradezu beschämend banal tritt die Logik des Drehbuchs auf die Happy-End-Tür ein – und der Idealismus besiegt den wie ein Kartenhaus in sich selbst zusammenfallenden Zynismus, umso schneller der Tag schwindet. Heile, wunderbare Welt.
6/10
Der Maestro postmoderner Horrorstoffe, welcher ein Genre zuerst tötete und zerstückelte, aber alsbald neu reanimierte und erfand, lädt zur schaurigen Flugzeugreise. Zielstrebig direktes Genrekino ohne eine Geste zu viel oder zu wenig, mit dem Craven erneut den Beweis erbringt, unter welch' virtuoser Regiehand er begrenzte Räumlichkeiten multiperspektivisch in Szene zu setzen vermag, die urplötzlich zum schwindelerregenden Labyrinth mutieren. Symptomatisch: Der mehrminütige Showdown in den eigenen vier Wänden mit endlosen Türen, Gängen, Zimmern, Schalldämpfern und Messern erinnert überdeutlich an des Regisseurs organisierte Verfolgungsjagden zu Fuß aus der "Scream"-Trilogie, wohingegen der mit einem Stift im Hals malträtiere Cillian Murphy die psychedelisch-karikatureske Ripper-Version diverser Täter gleichnamiger Reihe übernimmt. Das ist sozusagen das selbstreferentielle Craven-Geschenk an seine Fans, immer bereit für eine kleine Verbeugung seines eigenen Schaffenswerkes. Auch das elegante Szenenbild im Flugzeug evoziert Dichte, Atmosphäre, Unentrinnbarkeit wie Ausweglosigkeit. Es wird geflüstert, getuschelt, gelästert, währenddessen Robert D. Yeoman darüber hinwegschwebt. Und es wird geweint und geschluchzt im einzigen hermetisch abgeschlossenen Rückzugsort, der Toilette. Dank zwei lockeren Hauptdarstellern gelingt die Prämisse, dass das Grauen auch im freundlichen Sitznachbarn einige Zentimeter weiter links oder rechts schlummern kann, einigermaßen. Einigermaßen. Denn wo Cravens handwerkliches Geschick gewohnt stilsicher abgerufen wird, gehen mit der eigentlichen Geschichte des Autors Carl Ellsworth heftige Turbulenzen einher. Übermäßig besessen folgt Klischee auf Klischee. Telefonverbindung fällt aus, Handyakku wird leer, Botschaften an Spiegel geschrieben – die Wendungen des Kammerspiels bleiben in ihrer genrehaften Durchschaubarkeit Makulatur und zusehends so etwas wie vorhersehbare Drehbuchdutzendware. Dazu passt folgerichtig der Sachverhalt, dass, sobald die mehrschichtigen Subtexte formuliert werden – der republikanische Politiker, die beruflichen Parallelen zwischen Lisa (Rachel McAdams) und Jackson (Cillian Murphy) – eben jene Metaebenen sind, die angesichts kurzer Erwähnungen denn tiefgreifender Gedankengänge als bloße, oberflächliche Behauptung entlarvt werden.
5/10