Im Teufelskreis des Todes

Im Teufelskreis des TodesEs bleibt bitter und es bleibt wahr: Wer früher stirbt, ist länger tot, und je ärmer er zuvor war, desto größer sind seine Chancen. Nach einer Studie von Wissenschaftlern der Universitäten von Sheffield und Bristol wirkt sich die seit den großen Hungersnöten im Mittelalter beinahe unablässig auseinanderklaffende "Schere zwischen arm und reich" (Angela Merkel) inzwischen nicht mehr nur auf den Ausstattungsgrad von Wohnzimmern mit Flachbildfernsehern, iPods und Festplattenrecordern aus, sondern auch auf den Sterbezeitpunkt von Betroffenen. Nach den Untersuchungen der Experten hat die Ungleichheit zwischen Armen und Reichen auch beim Zeitpunkt des Ablebens zumindest in England und Wales wieder so weit zu, dass sie wieder der gleiche, die vor dem weltwirtschaftlichen Einbruch von 1929 geherrscht habe. Damit sei die Ungleichzeitigkeit des Sterbens seit 1990 stetig gestiegen.
Die Situation stellt sich derzeit aus Sicht der Forscher so dar: 1990 starben die ärmsten Briten im Vergleich zu den reichsten 1,6 mal frühzeitiger, zumindest wenn sie in einer eher ärmeren Gegend lebten. 2007 war die Wahrscheinlichkeit schon auf das Doppelte angestiegen, wobei gemeint ist, dass die Wahrscheinlichkeit, vor dem 65. Lebensjahr zu sterben, für einen Briten mit niedrigem Einkommen nunmehr ein Viertel höher lag als vor 20 Jahren und zugleich auf dem höchsten Stand seit 1921, als erstmals entsprechende Daten gesammelt wurden.
Unklar bleibt dabei, ein Viertel wovon gemeint ist. Fakt ist jedoch aber die doppelte schreiende Ungerechtigkeit: Ein armer Mensch erzielt nicht nur lebenslang weniger Einkommen, nein, nach den Erkenntnissen der Experten ist er durchschnittlich auch früher tot und kann dann gar kein Einkommen mehr erzielen, wodurch ihm die Mittel fehlen, sein leben zu verlängern.
Ein Teufelskreis, der umso mehr abzulehnen ist, als Briten ohnehin beharrlich immer noch viel früher sterben als Kontinentaleuropäer. Zwar hat sich auch auf der Insel die Anzahl der Todesfälle vor dem 60. Lebensjahr in den letzten 40 Jahren nahezu halbiert. Doch während in einigen westlichen Ländern heute nur noch 20 von 1.000 Einwohnern vor dem 60. Lebensjahr sterben, bringen es britische Frauen auf 58, Männer sogar auf 93 von 1.000.
Grund zur Warnung, Anlass für einen Appell, der Warnung und Mahnung zugleich sein muss. "Auch wenn die Lebenserwartung für alle Menschen weiter steigt", klären die englischen Wissenschaftler ein für alle mal auf, "wächst auch die Kluft zwischen den ärmsten und den reichsten Gebieten." Eines Tages wäre es so denkbar, dass alle Menschen 200 oder 300 Jahre alt werden, die ärmeren unter ihnen aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,3 oder sogar 2,5 bereits mit 260 oder gar 180 Jahren sterben, dahingerafft von bitterem Bier, 170 mannhaft ertragenen Ibiza-Sonnenbränden und dem täglichen Tee mit Milch und einem Zentner Zucker. Das wäre eine Ungerechtigkeit, nur noch knapp übertroffen von der, mit der eben eine andere britische Studie pietätlos herausplatzen musste. Danach verringert eine höhere Ausbildung das Risiko, an Demenz zu erkranken. Nach ihren Untersuchungen lag das Demenzrisiko pro zusätzlichem Ausbildungsjahr 11 Prozent niedriger - schon wer zehn Jahre Schule vollgemacht hat, ist also rein rechnerisch so gut wie völlig vor der Gefahr völlig. Wer danach noch ein bisschen rumstudiert, kann sogar noch Blutplasma als Serum gegen die Krankheit spenden.


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