In dicken Flocken schneite es vom Himmel, als wir uns backstage im Fritz Club mit Alex Brown Church trafen, der in diesen Tagen bereits durch sein solides Auftreten als Support-Act für Kashmir und Tusq Anerkennung einfahren durfte.
So kalt und ungemütlich es draußen auch war – Alex brachte mit seinem freundlichen Wesen unsere Herzen zum Schmelzen. Wir sprachen mit dem Folk-Musiker über seine Werk, Literatur und den vermeintlichen Verrat an der Indie-Musik.
Wir würden gerne mit einer Standardfrage beginnen – nämlich der nach deinen musikalischen Einflüssen.
Das ist eine schwere Frage (lacht). Als ich mit dem Songschreiben anfing, das war Mitte der Neunziger beziehungsweise Ende der Neunziger, da habe ich gerne Popmusik aus den Sechzigern gehört, z.B. The Kinks oder the Velvet Underground… Aber auch Sachen aus den Siebzigern, Crosby, Still & Nash, Leonard Cohen, all das. Ich würde sagen, diese Musik begleitet mich bis heute. Aber ich wurde auch von Künstlern wie Belle&Sebastian, Pavement oder Neutral Milk Hotel beeinflusst. Im Moment versuche ich jedoch, mich von niemandem beeinflussen zu lassen.
Deine Musik war ja auch auf dem Soundtrack für die Verfilmung eines Titels aus der Twilight-Reihe (Bis(s) zur Mittagsstunde). Du hast damit ein Publikum erreicht, das du sonst wohl nicht hättest erreichen können. Gleichzeitig scheint ein Teil deiner alten Fan Base das als Verrat am Geist der Indiemusik zu werten. Was sagst du dazu?
Wer sagt denn sowas? (lacht) Was denn für ein Verrat ? Die Qualität der Twilight Filme nimmt ja keinen Einfluss auf meine Persönlichkeit. Ich sehe das eher als Möglichkeit, ein breiteres Publikum zu erreichen. Wenn das Verrat an der Indiemusik ist, dann sei es so. Ich hatte ja nur die besten Absichten dabei und für mich steht im Vordergrund, dass ich so meine Musik an mehr Menschen herantragen konnte.
Du hast einst als Filmstudent begonnen, jetzt machst du Musik. Fällt es dir leichter, dich auf dem musikalischen Wege auszudrücken als visuell?
Ich finde es leichter, mich auf dem musikalischen Wege auszudrücken, denn Musik ist definitiv sehr viel persönlicher. Bei der Musik hat man die Stimme und die Musik, das funktioniert einfach besser, wenn es um Emotionen geht. Beim Film dagegen würde ich sozusagen nur schneiden und Szenen zu einer Geschichte zusammenführen. Also, wenn es um mich geht, dann dient mir die Musik wesentlich besser dazu, mich selbst auszudrücken.
Was uns auch aufgefallen ist: Deine Musik scheint eine gewisse Bindung zur Literatur zu haben. Sea Wolf selbst ist nach einem Roman Jack Londons benannt, du hast einen Song für ein literarisches Hörspiel geschrieben und dann ist da natürlich noch die Sache mit dem Soundtrack. Glaubst du, dass deine Musik gut zur Literatur passt, oder ist das ein Zufall?
Es könnte ein Zufall sein, aber es könnte genauso gut aber auch keiner sein, das weiss ich nicht. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist dass ich viel lese und auch immer viel gelesen habe. Ich hatte nie einen Fernseher, also habe ich stattdessen Bücher gelesen. Als ich jünger war, wollte ich Schriftsteller werden. Damals wollte ich Romane schreiben, dann kam die Sache mit dem Film ins Spiel, da habe ich dann Skripte geschrieben, und jetzt schreibe ich Songs. Ich schätze, ich habe schon eine gewisse Neigung zum Schreiben, aber wenn ich Songs schreibe, denke ich nicht unbedingt an Literatur – macht das jetzt Sinn? (lacht)
In deiner Musik spielen Naturmotive eine große Rolle. Meinst du, dass Folk eher eine ländliche Musik ist oder versteht sich die Musikrichtung auch mit dem urbanen Leben?
Ich denke, Folkmusik passt sehr gut zum Stadtleben. Ich versuche ja auch tatsächlich forlaufend, in meinen Liedern das Stadtleben zu beschreiben, aber ich finde nun einmal die Bildsprache der Natur am attraktivsten. Ein Großteil der Liedinhalte spielt sich in der Stadt ab, aber ich benutze dennoch gerne diese Natursymbolik.
Wenn es darum geht, deine Musik mit der anderer Künstler zu vergleichen, fallen oft die Namen von Künstlern wie Bright Eyes oder Band of Horses. Glaubst du, dass diese Reaktion etwas mit deinen Produzenten zu tun hat?
Wahrscheinlich (lacht). Ich würde sogar sagen, dass diese Reaktion sehr viel mit der Wahl meiner Produzenten zu tun hat. Mike Mogis, der mein zweites Album “White Water White Bloom” produziert hat, produziert auch viel für Bright Eyes. Er ist ein Multi-Instrumentalist, er spielt viele verschiedene Instrumente. Bei Bright Eyes hat er eine große Rolle gespielt, wenn es darum ging, den Sound der Band zu prägen. Ich habe bei dem Album viel mit Mige Mogis zusammen erarbeitet, daher klingt dort auch dieser Mike-Mogis-Sound mit. Natürlich fällt Leuten dann eine Ähnlichkeit auf, wenn sie lesen, dass Mike Mogis auch bei Bright Eyes mitwirkt. Dasselbe gilt dann auch für Phil Ek, mit dem ich davor zusammengearbeitet habe und der ja als Produzent der Band of Horses fungiert. Naja, ich würde gerne wirklich wie die Band of Horses klingen (lacht).
Du bist das einzig konstante Element von Sea Wolf, deine Begleitmusiker unterliegen einem ständigen Wechsel. Findest du das schwierig?
Es kann durchaus etwas schwierig sein. Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich den ein oder anderen Musiker wirklich schätze und auch versuche, ihn sozusagen festuhalten.
Dein zweites Album unterscheidet sich von deinem ersten. Wie kam es dazu, dass du deine Richtung etwas geändert hast?
Ich weiß nicht, Ich habe die Songs auf die exakt gleiche Art und Weise geschrieben, wie ich es bei meinem ersten Album tat. Allerdings gab es bei der Produktion unterschiede. Beim ersten Album habe ich immer sehr lange herumgewerkelt. Das wollte ich dann bei der zweiten Platte anders machen. Ich wollte einfach ins Studio gehen und wie eine normale Band einfach spielen und aufnehmen.
Dein neuestes Album ist noch nicht sehr lange in Deutschland erhältlich. Hast du diesbezüglich schon Feedback erhalten können?
Ja, doch, in der Tat. Nach jeder Show hier in Deutschland kommen Leute zu mir und sagen mir, dass sie Sea Wolf mögen. Darüber freue ich mich natürlich sehr.
Das Konzert heute ist der vorletzte Termin deiner Tour mit Tusq und Kashmir. Wie hat dir die Tour gefallen?
Die Tour war großartig. Ich wünschte nur, ich hätte meine ganze Band dabei. Es ist ein bischen schwierig, alles alleine machen zu müssen. Nur ich und meine Gitarre… Aber trotzdem habe ich es sehr genossen.
Alex, wir danken dir für das Interview.
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Sea Wolf: White Water White Bloom / VÖ: 22.09.2010 / Dangerbird