Feste soll man ja bekanntlich Feiern, wie sie fallen – und Reservierungen tätigen, wie sie sich ergeben. So kam es, dass ich zur Feier eines ganz besondern Jubiläums kurz vor Heiligabend im Il Giardino in Bad Griesbach landete. Das Gourmetrestaurant im Hotel Columbia gilt bereits seit einigen Jahren als kulinarischer Geheimtipp im Rottaler Bäderdreieck und wurde für 2013 erstmals mit einem zweiten Stern im Guide Michelin ausgezeichnet. Obwohl ich oft in der Gegend bin, war ich bisher nie im Il Giardino. Die Aufwertung durch den wichtigsten Gastronomieführer war Anlass genug, dieses Versäumnis endlich auszuräumen.
Untergebracht in einer separaten Villa inmitten des Hotelparks umfängt mich das Restaurant vom ersten Moment an mit Eleganz, Zuvorkommen und Freundlichkeit. Zur erholsamen Atmosphäre trägt neben der stimmigen und klassischen Einrichtung ohne Kitsch und Schnörkel auch das absolut professionelle und hochkonzentrierte Serviceteam um Kathrin Feix bei. Bei einem Glas Brut Rosé von Duval-Leroy stöbere ich in der Menükarte. Dazu gibt es eine kleine Tüte salzig-sauer-scharfen Popcorns. Ich entscheide mich für die “Naturreise” in acht Etappen. Zur Auswahl steht außerdem eine “kleine Reise” in drei Etappen, außerdem können alle Gänge auch einzeln bestellt oder kombiniert werden.
So darf es weitergehen!
Die Weinauswahl begleitet eine kleine Auswahl an Snacks von Gans und Papaya. Die kalte Lebermousse mit krosser Haut und Papayaragout schmeckt klar und erfrischend, die Leber drängt sich nicht zuletzt aufgrund der gewählten Serviertemperatur nicht in den Vordergrund. Außerdem wird eine kleine Tasse Gänse-Tea mit würfeln von der Gänsebrust und Papayakugeln gereicht, der mir sogar noch etwas besser schmeckt. Nachdem mit dem Wein die einzige schwere Entscheidung des Abends gefallen ist (die Weinkarte ist gut sortiert und sehr fair bepreist), folgt ein Amuse Bouche, das es in sich hat: Das Verhackerte vom Mangalitza mit Sauerkraut und Topinambur ist schlichtweg genial. Sauerkrauteis und -sauce, gehacktes Schweinefleisch, hausgemachte Ravioli mit Mangalitzafüllung und einige Topinamburchips nebst -pürree vereinen sich zu einem herrlich süffigen Gericht, das die Seelentröstereigenschaften von Surfleisch und Kraut geschickt mit der Spannung von Texturen und Temperaturen zu kombinieren weiß. Bravo, Herr Feix, so darf es weitergehen!
Und das tut es mit dem ersten Gang dann auch. Jakobsmuschel / Wirsing / Verjus steht auf der Karte. Die schriftliche Erläuterung, die jeden Gang begleitet, offenbart dann weitere Zutaten des Gerichts. Die Jakobsmuscheln werden gebraten, beziehungsweise im Wirsingmantel pochiert und mit einem Avocadomus, rehydrierten Trauben und einer Verjus-Sauce serviert. Das Resultat ist aromatisch eher als leise zu beschreiben, was zu diesem frühen Zeitpunkt im Menü genau richtig ist. Ein weiteres mal fällt auf, was sich wie ein roter Faden durch den Abend ziehen soll: Feix’ Küche ist hochkomplex, ohne mit sich selbst anzugeben und aromatisch ausgefeilt, ohne überdreht zu wirken.
Der zweite Gang, Loch Duart Lachs / Apfel / Linsen, setzt dieses Thema fort. In Öl pochierter Lachs, Lachstatar, rote und Schwarze Linsen und Apfelsalat sowie Apfelgel ergeben ein ausgesprochen frisches Gericht ohne die häufig vom Lachs ausgehende fettige Schwere. Von der Güte des Fischs kann man sich nicht zuletzt anhand des Tatars im Knusperröllchen, garniert mit einigen schwarzen Linsen und geliertem Apfelsaft, überzeugen. Der nun folgende Gang zeichnet sich bereits früh als einer der Favoriten des Abends heraus: Kaisergranat / Avocado / Quinoa ist Meeresfrüchteküche der alten Schule, aber so modern und fokussiert verpackt, dass sie unerwartet viel Spaß macht. Der Kaisergranat kommt gegrillt mit einem Topping aus mariniertem Quinoa und als Tatar in einer Hülle aus geliertem Krustentierfond und einer Haube von gebackenem Quinoa auf den Teller. Zwischen beiden Mini-Gerichten vermittelt ein Avocado-Kaviarkompott und ein Stückchen Ume. Wie schon zuvor wird hier eine einzige Idee in zwei Varianten präsentiert, wobei ich keine von beiden missen möchte, entsteht doch ein nicht unerheblicher Teil der inneren Spannung eines jeden Tellers, der uns aus der Küche gebracht wird, durch eben diese Doppelinszenierung.
Il Giardino: Fisch kann, Fleisch kann
Die Fleischgänge werden eingeleitet von Wachtel / Blumenkohl / Grapefruit. Wachtelbrust und -keule sind selbstredend perfekt gegart und werden durch ein pochiertes Wachtelei ergänzt. Für weitere Cremigkeit in verschiedenen Aggregatzuständen sorgt der Blumenkohl. Die Grapefruit in Form von Marmelade und gefrorenen Segmenten bringt eine in diesem Gericht dringend nötige Frische ins Spiel. Ein großartiger Teller, nicht zuletzt für all jene, die nicht glauben können, wie sehr eine einzige Komponente ein ganzes Gericht beeinflussen kann.
Das nun folgende Kalbsbries / Kürbis / Mohn gibt es nur für mich, meine Begleitung wählt stattdessen eines der Signature Dishes des Hauses: Poltinger Lamm / Kichererbsen / Koriander. Das Kalbsbries kommt als Roulade und Röschen daher und wird von eingelegtem, beziehungsweise gebratenem Kürbis und zweierelei Mohn begleitet. Auch hier handelt es sich um einen großen Klassiker der französischen Küche, der feixtypisch entstaubt und in zwei Variationen präsentiert wurde. Diesen Gang könnte ich mir auch als einzelne Mahlzeit vorstellen. Das Lamm vom Gutshof Polting wird als Rücken und Schulter serviert und mit Humus, glasierten Kichererbsen, Korianderblättern und -krokant garniert. Eine kleine Sensation in Form eines kleinen Salats vom Lammhals ist nirgends vermerkt, begeistert uns aber beide umso mehr.
Der Hauptgang des Abends heißt Rottaler Reh / Thaimango / Madrascurry. Der Rehrücken wurde sous vide gegart und mit einer Currykruste gratiniert. Für Säure und Leichtigkeit sorgt etwas frische Mango. Die Rehkeule wiederum kommt mit Mangoravioli (deren “Teighülle” sich als hauchdünne Mangoscheibe herausstellt) und knusprigen Currykugeln auf den Teller. An dieser Stelle ist es eigentlich überflüssig, zu erwähnen, dass das Gericht handwerklich perfekt und köstlich war. Dass die Annäherung an ein Gericht von zwei Standpunkten aus aber auch nach sechs Gängen noch so enorm spannend ist, spricht für die Küchenphilosophie von Denis Feix.
Patisserie im Il Giardino
Die Patisserie eröffnet mit Schokolade / Milchreis / Rotkohl. Für mich ist hier besonders das Rotkohleis hervorhebenswert, weil es das mit Schokoladenmousse und Zimtmilchreis ansonsten sehr süß orientierte Dessert optimal abpuffert. Der letzte Gang, Süße “Flaschen” /, entpuppt sich als kleiner Milchflaschenträger mit dreilerei Füllung: Birnensekt mit getrocknetem Eichenschwamm, Eichenmilch mit Clementine und Clementinensaft mit Birnenkorken. Besonders die Eichenmilch, deren Grundzutat, ein aus Eichenrinde gewonnener, sirupartiger Extrakt, der speziell für das Il Giardino hergestellt wird, bleibt mir im Gedächtnis. Die Texturen aller drei Flüssigkeiten sind unterschiedlich genug, um keinen Schluck dieses Desserts banal wirken zu lassen.
Zum Kaffee reicht man mir noch zweierlei Schokoladen-Eiskonfekt. Im Il Giardino lohnt es sich übrigens, auf Tee statt Kaffee zu setzen, denn so kommt man in den Genuss einer Teezeremonie von Kathrin Feix, die nicht nur Sommelière, sondern auch Tea Taster ist. Nach einem langen und kulinarisch hochintelligenten Abend mache ich mich auf den Heimweg – begleitet von einer kleinen Packung Weihnachtsplätzchen, die man mir auf dem Weg hinaus in die Hand drückt. Was bleibt, ist die Erinnerung an eines der besten Menüs, die ich 2012 genießen durfte. Die jüngste Aufwertung durch den Guide Michelin scheint mir absolut angemessen. Wir sehen uns wieder, Il Giardino!
Der Artikel Il Giardino: Die Naturküche des Denis Feix ist zuerst auf Stilschreiber erschienen.