Idles: People and politics

Idles: People and politicsIdles
„Brutalism“

(Balley Records)
Wo anfangen bei dieser Platte? Vielleicht beginnt man am besten damit, daß die Idles, fünfköpfige Band aus Bristol, London und Newport, zu der Sorte wütender, weißer Männer gehören, die das disparate, leicht panische England zur Zeit trotz allem spannend machen. Musiker wie die Sleaford Mods oder Fat White Family, die sich nicht abfinden wollen mit der Tatsache, daß ein Haufen korrupter Politiker und Geschäftemacher gerade dabei sind, den Karren ihres ohnehin schon ziemlich angeschlagenen Heimatlandes noch tiefer in den Dreck zu fahren. Sozialstaatsabbau, Nationalismus, Spießbürgertum, Erosion der Grundrechte, eine frustrierte Jugend, vor Monaten von den Anhängern unbelehrbarer Separatisten und Populisten zum Brexit verdammt, eine Jugend, die nun langsam realisiert, daß Cool Britannia nicht mehr als ein gut verkäuflicher, aber kaum nachhaltiger Werbeslogan ist und war. Nicht, daß es anderen Ländern so viel besser erginge, daß auch uns nicht bald ein ähnliches Schicksal drohen könnte, nur erinnert das Inselleben viele gerade an die Zeiten, als eine gewisse Margaret Thatcher dem Wirtschaftsliberalismus, passenderweise eine Erfindung aus Manchester, zur fröhlichen Urständ verhalf.

“It’s not like we’ve tapped into a Zeitgeist, it’s more that the Zeitgeist has tapped into us,” so Sänger Joe Talbot in einem Interview. Jede Zeit hat also ihre Musik, damals waren es The Clash, die Pistols und die Buzzcocks, heute sind es eben die Idles. Politisch, nicht weil sie, wie sie betonen, die Welt verändern wollen, sondern weil Politik und deren Verirrungen ihren Alltag unmittelbar bestimmt, sie umtreibt und – ja, wütend macht. Um das zu unterstreichen, haben die fünf für den Titel ihres Debütalbums einen Begriff aus der Architektur der Fünfziger gewählt, als ungeschönte Betonbauten unter dem Stichwort Brutalismus für Aufsehen, Befremden und auch Faszination sorgten. Es ging und geht dabei um Radikalität, Kompromißlosigkeit, um den schmucklosen Kern – ergänzen wir für die Platte noch roh, laut und direkt. Vom noch unentschiedenen, vielschichtigeren Post-Punk ihrer ersten EP „Welcome“ aus dem Jahr 2015 haben sich die Idles über die folgenden „META“ resp. „MEAT“ bis hin zum aktuellen Langformat geradewegs in Richtung Punk entwickelt, klingen sie auf „Brutalism“ noch härter, unnachgiebiger, straighter.

Stücke wie die erste Single „Well Done“ lassen kaum Platz für Interpretationen, mach was, zeig was, Leistungsgesellschaft galore („Why, don’t you get a job, … win a medal, … get a degree, why don’t you like reggae?“) Talbots Meinung dazu: „I'd rather cut my nose off to spite my face!” Die bissigen Texte, die originellen Videos – die Idles sind nicht nur zornige, sondern darüberhinaus sehr humorige Männer: Wenn Bassist Adam Devonshire durch die Ausstellungsräume der Tate Britain ruckt und zuckt, um für "Stendhal Syndrome" die Universalität der Kunst zu betonen, dann ist das ebenso großes Kino wie Talbot als Porzellan-Smasher vor dem Jugendbild der Mutter. Die der Platte ja irgendwie auch ihren Stempel aufdrückt. Nicht nur, weil ihr in eben jenem Song „Mother“ und vielleicht auch ihren Ermahnungen gedacht wird („The best way to scare a Tory is to read and get rich!“). Talbot hat erzählt, daß er die kränkliche Frau über Jahre gepflegt hat, nachdem sie sich lange von ihrem Mann, seinem Vater, getrennt hatte. Um diese Erfahrung reicher, baute er nach ihrem Tod zusammen mit dem Vater eine Skulptur, quasi als eine Art gemeinsamer Trauerarbeit, ebenjene, die nun auf dem Cover abgebildet ist. Auch deshalb ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Album. http://www.idlesband.com/


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