Ich weiß, was du damals gesagt hast

Ich weiß, was du damals gesagt hastKeine Leute, keine Leute! Weil die SPD den "Weg" zwar schon lange kennt, ihn aber mangels Rückhalt in der Bevölkerung nicht weiter gehen durfte, musste erst Angela Merkel von der CDU kommen, um die neue Arbeitereinheitsfront aus links und rechts und gefühlter Mitte zu vollenden.
Am kuscheligen Kachelofen des kollektiven Atomausstieges erzählen sich die Ehemaligen und die Derzeitigen nun deftige Witze Marke "ich weiß immer noch, was du damals gesagt hast". Hat nicht Merkel eben noch für die "Brückentechnologie" Atom gekämpft? Hat nicht Sigmar Gabriel seinerzeit dafür plädiert, Atomkraft einfach nur höher zu besteuern? War nicht Steinmeier ein deutscher Außenminister, der wie sein Nachfolger Guido Westerwelle nie nach der Menschenrechtssituation in Ägypten fragte? Hat nicht Horst Seehofer mal für drei Wochen Produkte der Firma Nokia boykottiert? Hatte nicht Andrea Nahles vor Jahren ein Strategiepapier vorgelegt, das der Welt einen "neuen Weg in eine gute Gesellschaft" skizzierte und danach nie wieder erwähnt wurde? Und die CDU, war die nicht ganz am Anfang für die Abschaffung des Kapitalismus? Während die SPD 1956 einen „Atomplan der SPD“ vorlegte, der Atomkraft als „unerschöpfliche Energiequelle“ pries, mit der „ein neues Zeitalter begonnen hat“?
In der "Gesinnungsrepublik Deutschland", wie sie Klaus Schröder nennt, gibt es nur noch eine Gegenwart, die nur eine Erklärung kennt. Gut war, was aus heutiger Sicht gut ist. "In den aktuellen Debatten um den schnellen Atomausstieg und eine neue, auf Gemeinschaftsschulen zielende Bildungspolitik sowie an der Kritik von Globalisierung und gesellschaftlicher Mobilität und Flexibilität wird deutlich, worauf das grün-linke Projekt langfristig zielt", schreibt Schröder, "die moralisch begründete Diktatur über die Bedürfnisse der Menschen."
Kanzler Helmut Schmidt, inzwischen als Säulenheiliger der deutschen Sozialdemokratie ebenso unangefochten wie als Politmaskottchen der restlichen Bevölkerung, trieb mit seiner SPD/FDP-Koalition den Ausbau deutscher AKWs voran wie kein zweiter. Eigentlich hatte er bis 1985 ganze 40 neue Atomkraftwerke bauen wollen, nur das Ende seiner Regierungzeit durch das plötzliche Umschwenken der FDP auf CDU-Kurs verhinderte die Umsetzung des großen sozialdemokratischen Kernkraftplanes.
Das war damals ein Projekt zum Besten aller Menschen, ein Unternehmen, das hätte mithalten können mit der heute ausgerufenen "Energiewende". Kein anderes Thema, hat Jan Fleischauer auf dem Kirchentag in Dresden beobachtet, entfaltet diese sich besser fühlende Richtigkeit, die jedem das Gefühl gibt, Geschichte nicht zu erleben, sondern sie zu gestalten.
"Nicht nur bei der Kirche mit Kindern gegen die Atomkraft, die sich gleich direkt an die Kanzlerin wandte", zählt Fleischhauer als Symptom für die schlussendliche Vermählung von Religion und diesweltlicher Regsamkeit, sondern auch die Forderung des Kirchentages nach einem "Ausstieg aus der Atomkraft innerhalb der kommenden fünf Jahre und, weil man so schön in Schwung war, auch gleich ein Verbot aller neuen Kohlekraftwerke".
Rettung durch Regression, Schwelgen im Sozialismus eines planmäßigen Ausbaus der Gesellschaft nach Reißbrettplänen, die der Wunsch mit Traumkreide auf Visionenpapier malt. "Wir kennen den Weg", annonciert die Partei August Bebels nun, 25 Jahre nach ihrem vom Machtverlusst verursachten und von Tschernobyl induzierten Umschwenken in der Kernkraftfrage. Sie haben es immer gewusst und nie dazugelernt. Folglich können und dürfen andere auch nicht dazulernen. Selbstbewusstsein resultiert hier vor allem aus Selbstverleugnung, Besserwisserei entspringt aus absurder Unkenntnis.
Wir alle kennen den Weg. Aber meistens eben nur bis zur nächsten Biegung.


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