Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin...

Von Stefan Sasse
...das Märchen von 1975, es geht mir nicht aus dem Sinn. In der Süddeutschen Zeitung feiert Claus Hulverscheidt anlässtlich der Veröffentlichung seines Buches "Unterm Strich" einmal mehr Peer Steinbrück. Das geht bereits entsprechend los: 
Beim Hinausgehen begegnet ihm ein älterer Herr, der auf der Terrasse einen Kaffee getrunken hat. "Guten Tag, Herr Minister", sagt der Mann und nickt mit dem Kopf. "Nee, nee, nicht mehr Minister", antwortet Steinbrück. "Ach ja - schade", seufzt der Rentner und schleicht von dannen. Fast ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt ist Peer Steinbrück im Volk beliebt wie eh und je, beliebter jedenfalls, als er es in seiner eigenen Partei, der SPD, wohl jemals war. Die Menschen haben den ehemaligen Bundesfinanzminister im Gedächtnis behalten, ihn, den scharfzüngigen Redner und Tabubrecher, von dem manch Konservativer sagt, er sei der richtige Mann in der falschen Partei. 
Das gleiche wird seit den 1970er Jahren über Helmut Schmidt geschrieben. Die Begeisterung des "Qualitätsjournalismus" für Peer Steinbrück entzieht sich jedem rationalen Verständnis. Beharrlich hat Steinbrück 2008 die Existenz der Finanzkrise geleugnet und sie zu einem rein amerikanischen Problem erklärt, das Deutschland nicht betreffe. Erst als es schon fast zu spät war reagierte er endlich und schüttete zusammen mit Merkel in einer Panikaktion zig Milliarden in den Bankensektor, besonders in die HRE, und erklärte pauschal alle Banken für systemrelevant, ohne eine genauere Prüfung zu machen. Kein Wunder, dafür war dank seines vorherigen Nichtstuns keine Zeit mehr. Bei Hulverscheidt ist das allerdings nur ein kleines Missverständnis:
Auffällig ist auch, dass Steinbrück zwar andeutet, wie sehr die amerikanische Regierung das Ausmaß der Finanzkrise aus seiner Sicht zunächst unterschätzte, zugleich aber verschweigt, dass er selbst noch am 16. September, also am Tag nach der Lehman-Pleite, im Bundestag eine Rede hielt, die bei vielen Zuhörern den Eindruck hinterließ, der deutsche Finanzminister halte die Turbulenzen vor allem für ein amerikanisches Problem. Es war jedoch die Bundesrepublik, die unter allen Industrieländern die später folgende Rezession am härtesten zu spüren bekam.
Ja, sicher. Die Rede hinterließ bei Zuhörern den Eindruck. Dieser Eindruck ist vollkommen richtig, Herr Hulverscheidt! Steinbrück hat dem Kind fröhlich zugesehen, als es auf den Brunnen zulief, hat ihm sogar geholfen den Brunnenrand zu besteigen, um es nach dem Fall in die düsteren Tiefen und auf den schlammigen Grund dieses Brunnens mit großer Geste zu retten. Und die Journaille ging ihm damit auf den Leim und bejubelte ihn als den Manager jener Krise, die ohne sein aktives Zutun (bzw. Nichtstun) vermutlich nicht dieses Ausmaß erreicht hätte. Aber warum beteiligt sich der "Qualitätsjournalismus" so begeistert an dieser Legendenbildung um Peer Steinbrück als dem großen Könner und Macher der SPD, künftigen Lieblingskanzlerkandidaten und strammen Haushaltswächter? Die Lösung ist einfach:
Etwas deutlicher als der Buchauszug ist das parallel abgedruckte Interview, das Steinbrück dem Spiegel gegeben hat - vor allem allerdings in jenen Passagen, die sich um die SPD drehen. Den Kurswechsel der Parteispitze bei der Rente mit 67 etwa hält er für ebenso "problematisch" wie symptomatisch: Schon wieder begehe die SPD den Fehler, dass sie in Oppositionszeiten Versprechen abgebe, die sie bei einer späteren Regierungsbeteiligung werde brechen müssen.
Das Gleiche gelte für Gerhard Schröders Agenda 2010, die einmal "als eine der größten politischen Leistungen der Nachkriegszeit in die Geschichtsbücher eingehen" werde. "Aber die SPD schämt sich dafür. Das ist nicht nur grotesk, es ist auch politisch dumm." Endlich klare Worte, wie man sie sich von Steinbrück erhofft hat. Neu allerdings sind auch sie nicht.
 "Man" hat diese "klaren Worte" also von Steinbrück erhofft? Wer ist "man"? Dass Steinbrück die Agenda-Reformen verteidigen wird, die angeblich die "größte politische Leistung der SPD in der Nachkriegszeit" seien (nein, nein, nicht die Sozial- und Bildungsreformen der 1960er und 1970er Jahre, die die Abiturientenzahlen von rund 2% auf heute über 40% gesteigert haben, oder die "Demokratie wagen", ausgerechnet die Agenda!), dürfte wohl kaum jemanden überraschen, war er doch selbst maßgeblich daran beteiligt. Und genau darum geht es auch Hulverscheidt und seinen Spießgesellen: um jeden Preis verhindern, dass die SPD davon wieder abrückt, und sei es um den Preis ihrer Selbstauflösung.
Steinbrück ist einer der Felsen, die wie Frank-Walter Steinmeier einer Abkehr von der Agenda-Politik im Wege stehen. Er ist ein zu Stein erstarrendes Mahnmal der Seeheimer, die gerade ihre Felle davon schwimmen sehen, und der sie unverdrossen unterstützenden Presse, die fürchtet, dass die SPD wieder ein klein wenig mehr sozialdemokratisch werden könnte. Steinbrück lässt sich damit vor den Karren dieser Leute spannen, wie diese bereits Helmut Schmidt benutzt haben, um den damaligen Wandel der Wirtschaftspolitik besonders in der FDP zu forcieren. Die Mythologisierung Steinbrücks ist ein Baustein in der Mauer, vor die die SPD prallen soll, um die Rückkehr zu einer progressiven Politik zu verhindern.

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