Ich stehe auf und sie sitzt am Fenster. Berlin.

Ich habe Schluckauf, ich bin heute blöd. Ich sage, Kiss me, I’m electric*, und kaspere die Straße entlang.

Lass uns einfach son Künstlerpaar sein, sagst du.
Ich sage nichts, vielleicht runzle ich die Stirn. Zumindest muss ich irgendetwas machen, denn als du mich ansiehst, breitet sich, Zelle für Zelle ergeben, ein Lächeln über dein Gesicht.
Aha, denke ich.
Was kannst du denn, frage ich.
Na, schreiben, sagst du, als sei das selbstverständlich oder offensichtlich, als sei meine Frage Provokation gewesen, war sie nicht.
Hm, sage ich.
Ich strecke mich, vielleicht um Zeit zu gewinnen, die Decke ist warm, dein Zimmer ist warm, du bist warm.
Dein Knie streift meinen Rücken, du beugst dich über mich.
Du lächelst.
Immer noch oder schon wieder, frage ich mich.
Ich glaube, wenn man wirklich verliebt ist, merkt man die Ablehnung des anderen nicht. Ich reagiere nicht.

Staub in der Lunge, ein metallischer Geschmack im Mund.

Ich sehe mich als kleines Kind, bei meiner Oma am Tisch, auf der Terrasse, der Wein ist schon reif, reicht bis unter die Decke.
Mein Cousin und ich essen Luft am gedeckten Tisch, ich habe eine Gabel im Mund.
Dann springt er zur Bank, darauf ein Kissen, er schleudert es mir ins Gesicht.
Ich huste.
Ich spucke aus, Blut.
Ich atme ein, atme aus.
L., du blutest, sagt mein Cousin tonlos in mein Gesicht.

L., du blutest, sagt D., hält mir ein Taschentuch ans Gesicht.
Ich huste, noch einmal.

Nehme das Taschentuch, presse es an mein Gesicht, seine Hand weicht nicht.
Sage Danke, meine es nicht.
Schiebe die Hand weg, sehe zum Fenster, es ist Samstag Nachmittag und die Vorhänge noch immer geschlossen.

Stehe auf, schleiche barfuß ins Bad.

Was kannst du denn, dann blicke ich in den winzigen Spiegel über dem Waschbecken, das vollgestellt ist, über der Seife, die eine Spur hinterlässt, es ist ein weicher Geruch, über der Zahnbürste, von der du sagst, dass sie jetzt meine ist, extra für mich gekauft.
Aha, mein Leben.
Achso.

Als du zum hundertsten Mal mit einem zweiten Becher grinsend vor mir stehst, mich zum hundertsten Mal fragst, ob ich Kaffee will, dann zum hundertsten Mal, Ach nee, den trinkste ja nicht, sagst.
Grinsend.
Mitten im Gelächter des kategorischen Imperativs.

Es war keine Provokation, denke ich.

Später schiebst du heißen Kakao zu mir hin, wie einem zu groß geratenen Kind, vielleicht bist du einfach zu alt für mich, ich mag dieses Häusliche nicht.

Ich frage, Machst du ein bisschen Musik an.
Du antwortest, Ach nö, L., lass uns lieber unterhalten.
Du hast gute Laune.
Du bist fröhlich.
Du lachst manchmal, gluckst innerlich.
Du hast Mülltüten mit Griffen.
Du stellst Sachen auf den Tisch.
Du fragst, was ich will.
Ich beobachte dich. Ich brauche Zeit, aufzuwachen, die gibst zu mir nicht, du bist zu sehr da.

Das ist also unser Künstlerdasein, frage ich mich.
Ich drehe mich zum Fenster.
Was machen wir denn heute, fragst du mich.
Du planst.
Ich reiße mich zusammen, zucke die Schultern.
Ich denke, Ja, sage Nein, schüttel den Kopf, aber es fällt nicht ab.

Du sagst, Du bist der kreativste Mensch, den ich kenne.
Und ich denke, Du bist der Einzige, der nichts damit anfangen kann.
Hier sind wir also.
Künstlerisch.

Ich glaube, das ist einfach der Unterschied zwischen uns.

Wenn ich mich ausdrücken will, kotze ich Asche auf Papier, schmeiße Farben auf Stoff, alte Tshirts, Leinwand, trete Mülltonnen kaputt, rupfe wütend die Saiten, Buchstabenwirbel, Salto mortale, es muss alles raus.
Bei dir ist das anders. Wenn du schreiben willst, planst du das, du gehst du in die Buchhandlung, wälzt zig Abhandlungen darüber, wie man ein gutes Buch schreibt, siehst dir die Anfänge etlicher Romane an, such den perfekten Beginn, lieber D., den findest du in fremden Büchern nicht.

Ich sehe dich an, du schüttest Salz auf dein Brot, viel zu viel.
Du grinst mich an, Freu mich, dass du hier bist.
Atmen.
Husten.
Rascheln.
Hand auf Papier.
Deine Hand auf meiner.
In der Küche ist es heiß.
Du erzählst.
Irgendetwas.
Es rauscht.
In meinen Ohren klingt noch das Konzert von gestern Abend.
Ich höre nichts.
Zögern.
Unwirklichkeit.
Wirklichkeit.
Als ich am Kakao nippe, ist er kalt.

Eine halbe Stunde später stehe ich vor deinem Haus, Schluss gemacht, ich lehne mich gegen mein Fahrrad, rauche eine, gedreht.
Reden wollen wir später, es musste nur erstmal raus.

Ich strecke mich, um meinen Schatten gerade zu ziehen.
Mein Fuß macht Schlieren im Schnee.

Danach habe ich mein Fahrrad geschoben, die ganzen acht Kilometer zurück.
Ich möchte nach Hause und schlafen, der Schluckauf ist in den Bauch gerutscht.



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