Choy Ka Fai stammt aus Singapur. Seit etwas mehr als einem Jahr lebt er nun in Berlin. Davor war er fünf Jahre in London. Mit seinen Shows, die er mit asiatischen Künstlerinnen und Künstlern zusammenstellt, ist er seit 2010 international unterwegs.
Im Sommer 2015 war er bei Impuls-Tanz mit der Reihe „Soft Machine“ vertreten und kommt nun, im Februar 2016 anlässlich des Kurzfestivals (Trans)Asia Portraits mit XiaoKe x ZiHan aus China hierher zurück. Für Soft Machine bereiste er Japan, China, Indonesien, Indien und Singapur und führte mit über 80 Personen aus dem Tanzbereich Interviews, die er zugleich auch auf Videos aufzeichnete.
In unserem Gespräch erzählte der weltgewandte Kreative über seine bisherige Arbeit.
Er begann ursprünglich mit der Aufzeichnung von Hirnströmen von Choreografen und Tänzern während ihrer beruflichen Tätigkeit. Dieses „digital master memory“ beeinflusst auch heute noch sein Tun. Dabei versucht er, die Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Körper im Tanz zu erforschen. Ein weiterer Ansatz dabei ist die Fragestellung, ob es möglich ist, mit digitaler Hilfe Bewegungen so sichtbar und nachvollziehbar zu machen, dass diese auch von anderen Menschen ausgeführt werden können. Wie kam es aber zu dem Großprojekt „Soft machine“?
Ich dachte mir bei einer Veranstaltung in London, die mit dem Titel „asiatischer Tanz“ beworben war, dass Asien ein großer Kontinent ist und genauso wie in Europa jedes Land seine Eigenheiten hat und man nicht generell von nur einem asiatischen Tanzstil sprechen kann. Bei meinen Nachforschungen habe ich bemerkt, dass es nur wenige Informationen zum zeitgenössischen Tanz aus dem asiatischen Raum gab. Deswegen dachte ich mir, dass das jemand machten müsste. So begann meine Arbeit als Forschungsprojekt.
Choy Ka Fai (c) Joachim KapuyBei seinem Soft Machine-Projekt nutzte Choi Ka Fai die Gelegenheit, mit einigen interessanten Künstlerinnen und Künstlern eigene Shows zu entwickeln, um diese dann einem internationalen Publikum zu präsentieren.
Sie sind so etwas wie ein Hybrid, arbeiten in unterschiedlichen Bereichen und treten in einigen Shows auch selbst mit auf. Als eine Art Conférencier, aber in der Gruppe mit den Japanern auch im richtigen, körperlichen Nahkampf. Fühlen Sie sich in allen Disziplinen gleich wohl?
Ich habe als Perfomance- Künstler begonnen, kam dann auf die Bühne und habe erst danach Multi-Media-Design studiert. Durch die Körperschwerpunkte in meiner Arbeit bin ich dann aber in die Tanzszene gekommen. Danach rutschte ich langsam in die Rolle eines Direktors. 2004 hatte ich eine Show in der ich performte, Videos machte und von der ich zugleich der Direktor war. Da wurde mir klar, dass ich auf Dauer nicht alles auf einmal machen kann.
Ich habe Videokunst studiert, von daher fühle ich mich im Video und all dem, was damit zusammenhängt, am wohlsten. In mir ist aber auch der starke Wunsch zu performen. Wenn ich mich nicht mit den Videos beschäftigt hätte, oder wenn ich mich nicht mit dem Körper so intensiv auseinandergesetzt hätte, könnte ich das, was ich jetzt mache, gar nicht machen. Das war so etwas wie ein Schneeball-Effekt. Ich habe immer danach gesucht, etwas zu tun, was andere Leute nicht machen.
Wenn man in so unterschiedlichen Bereichen arbeitet, hat man manches Mal Schwierigkeiten, von Profis aus den einzelnen Disziplinen anerkannt zu werden. Wird Ihre Arbeit akzeptiert? Choy Ka Fai lacht und antwortet prompt:
Nein! In Singapur bin ich definitiv nicht akzeptiert. Dort sind meine Shows nie ausverkauft. Aber außerhalb von Singapur ist man, was meine Arbeit betrifft, ganz offen.
Warum ist die Akzeptanz in Singapur nicht gegeben?
Das hat mehrere Gründe. Erstens ist die Geschichte von Singapur in dem Bereich noch sehr jung. Die Performer dort gibt es noch nicht lange, das ist eine kleine Community. Wenn man jetzt etwas Anderes machen möchte, dann wird man nicht sofort akzeptiert. Aber es ist ein guter Boden, um andere Dinge als hier in Europa zu finden, wo man mit Pina Bausch oder Sasha Waltz vertraut ist.
Die Shows, in denen der Künstler mitwirkt, sind zum Teil von sehr harter Körperarbeit geprägt. Blaue Flecken und sogar Verletzungen stehen im Auftritt mit Yuya Tsukahara beinahe an der Tagesordnung. Als er 2010 mit seinem Asien-Projekt begann, bemerkte er, dass niemand für das Publikum zu den verschiedenen Stücken Einführungen abhalten konnte. So entschloss er sich, das selbst zu übernehmen. Er startete anfänglich mit kurzen Demonstrationen und landete schon bald wieder als Performer auf der Bühne. Mitten in den körperlich überaus anstrengenden Aktivitäten.
Warum stehen Sie in einigen Produktionen auch selbst wieder auf der Bühne? Sie müssten als Direktor dieser Shows ja nicht mitmachen!
In der Vorbereitung bemerkte ich, dass ich die halbe Zeit in einer Produktion fast nur gesprochen habe, das war mir viel zu langweilig. Ich werde auch selbst sehr schnell unruhig. Und so begann ich, im japanischen Stück aktiv mitzumachen. Ich dachte mir, das wäre auch eine gute Gelegenheit, einer von ihnen zu werden. Um über diese Gruppe etwas zu erzählen, gibt es gar keine andere Möglichkeit, als das selbst auszuprobieren. Für die Leute aus der Gruppe ist das Verletzungsrisiko nicht so hoch. Sie trainieren ja ständig, sind daran gewöhnt und ihr Immunsystem reagiert anders darauf. Wenn ich mitmache, dann habe ich, wie es in Wien der Fall war, nur drei Tage, mich wieder hineinzufinden. Aber im Moment geht es schon wieder, ich habe mich schon wieder daran gewöhnt. Es spielt noch etwas Anderes eine Rolle: Wenn Tänzer ein Stück machen, nehmen sie sich für gewöhnlich sehr ernst. Ich habe fünf Jahre in London gelebt und den trockenen, britischen Humor kennengelernt. Das ist es, was ich in den Produktionen auch einsetze. Und tatsächlich ist das, was ich hier öffentlich mache, auch das, was fast immer hinter der Bühne passiert, wenn die Choreografen und Tänzer miteinander reden. Ich bringe die Backstage-Gespräche und die Produktionsideen sozusagen in einer kuratierten Fassung auf die Bühne. Der Spaß dabei ist für mich sehr wichtig und den kann ich mit meinen Auftritten mittransportieren.
Im Stück, das ich mit Surjit Nongmeikapam aus Indien gemacht habe, bin ich mehr so etwas wie ein Untersuchender. Es geht mir darin vor allem auch zu zeigen, wie das Stück zustande gekommen ist. Dabei bin ich auch eine Art Produzent der sagt: Probier vielleich mal das, oder das. Und am Ende des Stückes, wenn Surjit zu Musik aus seiner Heimat tanzt, fragen wir das Publikum, ob es das ist, was es sehen will.
Sie haben ja einen schönen Überblick darüber, was weltweit im zeitgenössischen Tanz los ist. Sowohl im westlichen als auch im östlichen. War es schwer, die Show in Europa unterzubringen?
Die Leute waren generell sehr aufgeschlossen und zugleich sehr neugierig auf das Projekt. Jemand hatte zum Beispiel großes Interesse an den 80 Interviews. Andere wiederum kannte ich schon von einer früheren Zusammenarbeit her. Es ist schon ok, wie es aufgenommen wurde, aber auch nicht überwältigend. Wir haben bisher nur 7 oder 8 Stopps. Die meisten wollen Rianto sehen aber ich finde, dass gerade die Gegenüberstellung der indischen und der indonesischen Performance toll ist. Im Februar werde ich eine chinesische Gruppe nach Wien bringen.
Sie müssen einen guten Draht zu den Künstlern haben, wenn sie mit ihnen so intensiv zusammenarbeiten.
Ja, aber ich fühle mich auch als Dokumentar, der ihnen folgt. Die japanische Gruppe hat zum Beispiel auch eine Vorstellung in New York, das heißt, ich fliege dort auch hin. Aber am Beginn unserer Zusammenarbeit sind wir erst einmal nur Freunde. Das geht auch gar nicht anders. Denn im Kreativprozess, der zwei bis drei Jahre dauert, zahle ich ihnen ja überhaupt nichts. Deswegen müssen wir ja auch touren, damit ich diese vorgeleistete Arbeit dann auch an sie zurückzahlen kann.
Was sind denn ihre neuen Projekte?
Wie ich schon sagte, bin ich immer auf der Suche nach etwas Neuem. Im neuen Projekt wird auch die Aufzeichnung der Hirnströme wieder einen wichtigen Part ausmachen. Heute hat man dazu einen leichten Zugang. Man kann das über das Internet abwickeln. Ich kann mich dann in die Aufzeichnung der Tänzer einwählen und mir das an meinem I-Pad ansehen.
Arbeiten Sie mit Wissenschaftlern zusammen?
Nein, aber natürlich arbeite ich mich zuerst in die Materie ein und befrage auch Neuro-Wissenschaftler. Es gibt außer meinem auch andere Projekte, die auf diesem Gebiet gemacht werden. Das sind dann entweder Wissenschaftler oder Künstler. Wenn Wissenschaftler das machen, dann veröffentlichen sie anschließend ein 200 Seiten starkes Werk, das keiner versteht. Wenn Künstler es machen, dann wird es ganz abstrakt. Ich versuche, da ein Mittelding zu finden. Ich benutze die wissenschaftlichen Erkenntnisse, um über Tanz zu sprechen.
Was machen Sie mit Ihren Asien-Kontakten?
Ich mache eine Website über dieses Projekt, sodass sich alle Leute, die daran teilgenommen haben, nicht nur dort finden, sondern miteinander auch kommunizieren können. Und ich wünsche mir auch, dass wir diese Stücke auch in Asien mehr performen können. Wir sind damit bisher nur in Singapur aufgetreten, weil dort eines der Stücke in Auftrag gegeben wurde.
Glauben Sie, dass ihre Arbeit und diese Performances auf die Leute hier in Europa einen Einfluss ausüben werden?
Ja, da bin ich ganz sicher. Ich glaube, was ich mit den Shows mache, ist grundsätzlich nicht neu. Aber wie ich die Dinge neu zusammenfüge, das ist dann ganz etwas Anderes als das Herkömmliche. Leute sind auch früher schon nach Asien gegangen. Aber sie kamen von Europa aus. Ich bin Asiate und bin nach Asien gegangen und habe schon allein deswegen einen anderen Ausgangspunkt.
Haben Sie eigentlich Träume für die Zukunft?
Träume? Eigentlich lebe ich meinen Traum! Ich habe mich in Berlin eingelebt, habe einen Weg gefunden zu produzieren und werde auch von Singapur sehr freundlich unterstützt. Mein Traum ist es, dass ich das weiter machen kann, was ich jetzt mache.
Weitere Informationen zum Impulstanz-Special (Trans)Asia Portraits auf der Webseite.