Ich atme tief ein. Noch ein Schritt. Eine Bewegung. Mit dem Schlüssel sperre ich die Tür auf und betrete die Wohnung. Sie ist kalt geworden. Leer. Es fühlt sich seltsam ein. Etwas fremd und ungewohnt. Ja, beinahe unheimlich. Noch vor kurzer Zeit hättest du mich jetzt umarmt. Mir über den Kopf gestreichelt und mich mit einem Lächeln im Gesicht gefragt, wie mein Tag war. Stattdessen starre ich an das Foto von uns an der Wand. Du bist nicht hier. Mal wieder nicht. Dabei waren wir uns nah. So nah. Ich atme tief durch und schließe die Tür hinter mir. Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle sie dorthin, wo sie immer stehen. Neben deinen. Doch der Platz ist leer. Plötzlich spüre ich es wieder ganz deutlich. Alles, was ich doch bereits verarbeitet hatte. Trauer. Enttäuschung. Schmerz. Wie ein Schatten gehe ich in die Küche. So viele Erinnerungen. Alles voller Erinnerungen. Wie oft saßen wir hier mit unserem Lieblingsessen in der Hand und haben uns die tollsten Geschichten erzählt. Diese vielen "Weißt du noch"-Momente. Zukunftspläne. Trauer und Freude. Unsere Welt war hell. Bunt und voller Freude. Kleine Schmetterlinge tanzten umher und waren so glücklich wie wir. Denn wir hatten uns. Uns für immer.
Als die Dinge angefangen haben sich zu verändern, hast du dich auch verändert. Du wolltest nicht mitgehen. Nicht mehr meine Hand halten. Nicht mehr an meiner Seite sein. Mir nicht mehr zuhören. Die Dinge die mir wichtig sind, interessieren dich nicht. Wir sitzen da und schweigen uns an und mit jeder Minute des Schweigens entfernen wir uns noch mehr voneinander. Zwei Eisschollen auf dem offenen Meer. Wir begegnen uns. Sehen uns. Aber wir berühren uns nicht. Stattdessen treiben wir nur weiter hinaus aufs offene Meer. Ins Ungewisse. Kein Lachen mehr. Keine Freude und keine Zärtlichkeiten. Es herrscht Kälte zwischen uns. Eisige Kälte. Loslassen können wir beide noch nicht. Dafür steht zu viel im Raum. Eifersucht. Neid. Lügen. Wir haben uns eine Fassade zugelegt. Die wirklichen Gefühle irgendwo tief vergraben. Es fehlt uns der Mut, die Schaufel rauszuholen und sie wieder hervorzuholen. Wir haben Angst. Angst uns noch mehr zu verletzen. Uns noch mehr zu verlieren. Geht das überhaupt noch? Für dich galt schon immer: Entweder Ganz oder gar nicht! Volle Kraft voraus. Voll und Ganz für eine Sache stehen. Nur eine Meinung haben. Nur in eine Richtung gehen. Entweder schwarz oder weiß. Entweder Oder. Kein Und. Genau das scheint uns jetzt zu zerstören. Kein Grau. Nur schwarz oder nur weiß. Es war deine Entscheidung, die Dinge ins Negative zu verändern. Einen anderen Weg einzuschlagen. Deine Entscheidung, nicht mehr an mich zu glauben. An Uns zu glauben. Deine Entscheidung. Die Schmetterlinge sind schon lange weg. Sie haben aufgehört zu tanzen. Wir können nicht mehr zurück. Ich glaube, wir wollen es auch nicht mehr. Lass mich gehen und halt mich nicht fest. Halt nicht fest an unseren Träumen. An unserer Zeit. Hier gibt es nur noch Schweigen und Enttäuschung. Der Regen prasselt an die Fenster unserer kalten Wohnung, die einst unser zu Hause war. Er nimmt uns die Sonne. Die Wärme und die Freundlichkeit. Ich schließe die Augen und küsse den Regen. Ich atme tief durch und weiß, dass es Zeit ist, zu gehen. Der Sonne hinterher. Das müssen wir beide tun. Jeder für sich. Allein.