"Ich hab sie aber nicht vermisst!"

Ich tausche mich sehr gern über Situationen im Zusammenleben mit meinen Kindern aus, bei denen ich entweder nicht wusste, wie ich reagieren sollte, oder eindeutig falsch reagiert habe oder spontan irgendwie agierte und hinterher ins Grübeln kam, ob das denn nun so angemessen war. Durch den Austausch und die Gedanken, die andere äußern, werde ich mir oft selbst klarer und kann bestenfalls beim nächsten Mal zufriedenstellender reagieren. Heute ergab sich nun eine Situation, zu der ich mal ein wenig Gedankenaustausch brauche.
Der Große kam heute von 6 Tagen Urlaub bei den Großeltern wieder zurück bzw. wir übernahmen ihn auf halber Strecke. Wir hatten eine wunderbar ruhige Woche zu dritt und er verbrachte schöne Tage mit voller Aufmerksamkeit bei Oma und Opa. Die Kleine vermisste ihn von Zeit zu Zeit, er selbst hatte wohl kaum Heimweh. Bei der Übergabe und dann auch zuhause gab es natürlich schon wieder die ersten Geschwisterscharmützel. Er ärgerte sich über irgendwas und grummelte auf seinem Bett. Ich setzte mich dazu und redete ein wenig mit ihm. Die Kleine war auch im Zimmer und versuchte sich anzunähern. Er wollte aber nichts mit ihr zu tun haben.
 
Ich fand es herzzerreißend, wie sie sich um ihn bemühte, und sagte irgendwann zu ihm: "Sie hat dich so sehr vermisst!" Darauf meinte er: "Aber ich hab sie nicht vermisst!" Hätte sie nicht direkt daneben gesessen, hätte ich vermutlich gar nicht weiter reagiert, sondern das einfach zur Kenntnis genommen. Denn wenn seine Empfindung so ist, dann ist das so und es hilft nichts, ihm dies irgendwie auszureden. So aber fühlte ich mich bemüßigt, zu reagieren, um ihre Traurigkeit abzumildern und Partei zu ergreifen. Ich sagte also etwas Kurzes, aber Wertendes, und ärgerte mich im gleichen Moment über mich selbst. Gleichzeitig tat mir die Kleine leid, denn sie hatte sich wirklich total auf ihn gefreut und schaute mich nun mit traurigen Augen an. Sie hatte es einfach nicht verdient, so etwas hören zu müssen, selbst wenn es der Wahrheit entsprach.
Die Situation war relativ schnell wieder vorbei, aber ich grübelte noch länger darüber nach. Was wäre eine angemessene Reaktion gewesen, die die Empfindungen beider Kinder berücksichtigt? Weder möchte ich dem Großen seine Empfindungen absprechen noch zulassen, dass die Kleine durch solche Aussagen verletzt wird. Ich finde das richtig schwierig, denn mit einer wie auch immer gearteten Reaktion schlägt man sich automatisch auf die eine oder andere Seite. So unharmonisch wie die Beziehung der beiden zueinander ist (wie hier beschrieben), birgt das sehr viel Brisanz in sich.
Dazu kommt, dass ich ihn verstehen kann, wenn er sagt, er hätte die Kleine nicht vermisst. Ich bin auch ein Mensch, der eher selten Menschen vermisst, sondern mehr Umgebungen, Landschaften, Komfort, bestimmte Speisen usw. Das ist schon so, solange ich zurückdenken kann. Trotzdem war ich ein früher Heimweh-Kind. Das ist der Große eigentlich nicht, wenn er verreist, obwohl er im Alltag nicht gern die Wohnung und uns verlässt. Eine interessante Kombination. Würde er mich fragen, ob ich ihn vermisst habe, müsste ich auch mit "nein" antworten. Ich freue mich, wenn er woanders eine schöne Zeit verlebt. Er ist ja sonst immer da, so dass es auch mal schön ist, wenn er nicht da ist. Denn auch die liebsten Menschen brauchen ab und zu eine Pause voneinander. Der Abstand tat uns, glaube ich, allen gut.
Dass er die Kleine nicht vermisst hat, ist also sein durchaus legitimes Empfinden, was ich sogar nachfühlen kann. Ich möchte und darf das eigentlich nicht bewerten, denn sonst zweifelt er entweder irgendwann an seinen Gefühlen oder traut sich nichts mehr zu sagen. Andererseits ist da ein anderer Mensch, die Kleine, die wegen solch einer Aussage verletzt ist, da sie ganz anders empfindet und sich unheimlich auf das Wiedersehen gefreut hat. Sollte ich da eingreifen, um ihre Gefühle zu schützen? Sollte ich stumm bleiben, um seine Empfindungen nicht zu werten? Ich finde es sehr schwierig, da im Bruchteil einer Sekunde zu entscheiden, was eine angemessene Reaktion wäre. Ich habe mich in dem Moment auf die Seite der verletzten Gefühle, die Seite der Kleinen geschlagen, hatte damit aber hinterher Bauchschmerzen, weil ich es selbst unglaublich hasse, wenn Gefühle, in dem Fall das Nicht-Vermissen, negiert oder tabuisiert werden. Sie gehen davon ja nicht weg. Ich selbst habe sehr darunter gelitten, in meiner Kindheit und Jugend. Ich möchte das eigentlich in meiner Familie nicht. Andererseits möchte ich aber auch nicht sanktionieren, dass jeder alles sagen kann, was er denkt, auf Kosten der Gefühle anderer Familienmitglieder.
Ihr seht meinen Zwiespalt und nun, wo ich das niedergeschrieben habe, ist er noch eklatanter geworden, denn die Situation ist prototypisch für so viele andere Momente im Familienleben, mit Geschwistern bzw. mehreren Kindern. Sicherlich kann man hinterher im Gespräch einen Weg finden, Kindern eine bestimmte Sichtweise zu vermitteln. Das ändert aber nichts daran, dass man immer wieder spontan reagieren muss. Und wenn verschiedene Werte gleich viel wiegen, ist es schier unmöglich, sich "richtig" zu entscheiden. Denn es gibt dann kein "richtig" und "falsch". Mir sind Harmonie und Rücksichtnahme sehr wichtig. Dazu gehört, sich zu bemühen, nicht die Gefühle anderer zu verletzen. Mir ist aber auch das Wahrnehmen und Aussprechen der eigenen Gefühle sehr wichtig. Das geht manchmal nur auf Kosten anderer. Heute wusste ich nicht, wie ich das lösen sollte, bzw. war ich mit meiner Reaktion hinterher nicht im Reinen.
So, und jetzt bitte ich um eure Gedanken und Ansichten. Vielleicht nochmal kurz zur Erinnerung: der Große ist jetzt 6 1/2 und die Kleine 4 1/4. Wie würdet ihr so eine Situation lösen? Was ist euch wichtig? Was würdet ihr mir raten, für's nächste Mal?

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