„Reiten wie die Rittersleut“? Okay, also da bin ich dabei. Dieses Jahr ist es wirklich geballt: Working Equitation, Rinder und nun Ritter. Wir lassen nichts aus und vor allem ist es hervorragend geplant in der Reihenfolge. Es ist November, der sich bisher ja recht frühlingshaft gezeigt hat – und nun doch mit dicken Wolken und kühlem Wind aufwartet, der sich am Sonntag zu starkem Föhnwind steigert, aber dafür gibt es auch ein bisschen Sonne.
Doch der Reihe nach! Und das ist ganz schön viel. Nach dem Warmreiten am Samstag morgen (und ohne Frühstück, weil Beginn so, dass zwar die Tiere satt sind, aber keine Uschi) und einer theoretischen Einführung in das Ritterturnier an sich, beginnt gleich die erste Exerzitie: Das Ringestechen. Zuerst mit Spieß, dann mit Lanze. Bin ich froh, dass ich im Sommer bei der Working Equitation mitgemacht habe! So erwische ich wenigstens ab und zu die Ringe, und vor allem ab und zu auch in schnellerer Gangart. Touch ist erst mal gemütlicher unterwegs, aber im Galopp geht das einfach am besten, weil der Trab zu sehr schüttelt. Aber was soll man machen mit dem Appaloosa und seinen zwei Hörnchen auf der Stirn: wenn er nicht will, will er nicht, punktum. Dennoch: Er schlägt sich tapfer und macht brav alles mit. Die anderen Mitstreitergespanne sind ebenfalls höchst motiviert. Ein großer Spaß! Und schon geht es weiter: Bechergreifen! Ja, hört sich leicht an. Aber wenn dann fünf Kieselsteine oder Weintrauben drin liegen, die auch nach dem Greifen drin bleiben müssen, ist das nicht so einfach! Erst mal nah genug an der Mittelbande sein (ich weiß doch nicht, wie man das Teil schreibt, also blamier ich mich mal nicht und bezeichne es halt so), dann den Stiel erwischen, mitnehmen und wieder absetzen. Jaaa, das schaffen wir! Nun ist das Schwert samt Hälseschlagen dran, oh wie schön, da kann man sich jeden vorstellen, dem man gerade gern eine vor den Latz geben möchte. Das untere Klötzchen weg, das obere muss unangetastet bleiben. Sinn: Der Hals ist im Gegensatz zum Kopf meistens ungeschützt, also haut man den durch. Steigerung davon: Am Ende ist ein Apfel, der zerschlagen muss. Weitere Steigerung: Der Apfel steckt hoch am Spieß. Ich hab ihn geschält. Auch was wert.
Nun noch die Sauhatz mit dem Spieß! Gehatzt wird natürlich keine echte Sau, auch nicht der Ferdinand, sondern eine Zielscheibe. Ran und druff mit dem Spieß ins Schwarze – und Uschi schafft das, und sogar im Galopp! Mir ist ganz schwindlig vor Freude, waaaas, ich treffe was, das kleiner ist als ein Scheunentor und dann auch noch mitten ins Schwarze? Gelingt natürlich nur einmal so perfekt, aber macht nix. Stirb, du Sau! Variante davon: Gefüllter Kartoffelsack an Schleppleine, und da ist nix mehr mit Gemütlichkeit, hinterher, überholen und: STIRB, du Sau! Ha! Die letzte Variante: Über die Bande. Okay, das klappt jetzt nicht ganz so gut, die Sau lebt. Hab ich das Teil überhaupt gestreift? Aber das nächste Mal ist der Spieß dann doch im Ziel, oder eigentlich am Holz, prallt aber ab. Zu schwach. Liegt an meinem inzwischen deutlich knurrenden Magen. Diese Sau soll leben.
So viele Exerzitien gleich am Vormittag – uff! Pferd und ich sind geschafft, aber glücklich. Es macht einen Riesenspaß, wir lachen viel, auch die Pferde haben ebenfalls ihren Spaß dabei.
Das Mittagessen haben wir uns mehr als verdient, es gibt lecker Gyros-Suppe, und dann Nachtisch – MUFFINS! Berge an Muffins mit Schoko, mit „rosa Zeugs“, Raffaelo, Nuss, Schoko, Mango, Müsli … dazu Kaffee … so jetzt bitte eine Liege und Chrrrrrr …… aber nein! Es geht weiter.
Jetzt ist der Ritter Roland dran, das Dings, das sich drehen muss und zwar ganz oft. Nicht bei uns, der ist zum üben und deshalb schwerer. Eine weitere hervorragende Disziplin, um Aggressionen loszuwerden. Lanze angelegt, Gas gegeben und mittenrein! Hat was, wirklich.
Nun das Bogenschießen. Wann habe ich das zuletzt gemacht? Mit 8? Oder 10? Jedenfalls, nachdem ich die Winnetou-Filme gesehen hatte? Erst mal Übung vom Boden aus, um Haltung und Prinzip überhaupt zu verstehen, und dann zu Pferde. Im Stehen, im Schritt, im Trab und dann Galopp. Und ganz zuletzt dann mehrere Pfeile auf Vorrat und so lange auf Runde, bis alle Pfeile verbraucht sind. Sehr coole Sache, das. Ich bin Legolas.
Inzwischen wird es dunkel, und nun kommt das allerallerallergrößte: Feuershow. Karlo, alias Ritter Gyso von Ebersberg, lässt uns aufstellen und geht erst mal mit Fackeln rum. Schwenkt sie ein bisschen. Dann mit Poi. Lässt es kreisen. Es faucht nur so. Und jetzt kommt der Moment, wo ich niemals stolzer auf mein Pferd war: er zuckt nicht mal mit der Wimper. Das Feuer interessiert ihn schlichtweg nicht, und das Fauchen und Brausen auch nicht. Ich nehme die Fackel in die Hand und reite los, und dann mit dem schwenkenden und kreisenden Poi. Ja, gut, und jetzt?, fragt Touch. Also dann: An der Mittelbande sind mit Gas gefüllte Luftballons befestigt, die mit einer stachelbewehrten brennenden Keule zum Platzen und damit zur Feuerexplosion gebracht werden sollen. Ein echt geiler Effekt für die Zuschauer. Wir machen das, und er wird nicht mal einen Tacken schneller. Läuft ruhig weiter. Kampf mit brennenden Schwertern, das ist eine tolle Sache und bringt auch schöne Effekte. Und dann zuletzt, die höchste Disziplin: die Feuerwand! Der Ritter reitet als erster durch, und wir sollen gesammelt hinterher. Durch und weiter, noch einmal und noch einmal. Beim zweiten Mal haben wir die anderen irgendwie verloren und sind ganz vorn. Ich stutze kurz, und sofort gehen die Öhrchen von meinem Touch hinter: soll ich? Ja, verdammt!!!!! Und durch sind wir. Wieder und wieder. Richtungswechsel, noch einmal von der anderen Seite. Am Ende umarme ich mein Pferd und bin der glücklichste Appaloosareiter aller Zeiten. Und die glücklichste „50+ Vital-Seniorin“ (-> nicht meine Erfindung, sondern vom Amt), dieses einmalige Erlebnis mitgemacht zu haben.
Klar, dass abends alle strahlen und feiern, außerdem gibt es noch eine bestandene Pferdewirtschaftsmeisterin zu beglückwünschen. Ein wundervoller Tag!
Sonntag begrüßt uns mit starkem Föhnwind. Da habe ich endlich mal keinen Muskelkater, und dann spüre ich den Wind in allen Knochen, bis in die Fingerspitzen hinein. Aber da muss man durch, das Pferd auch. Heute ist die Königsdisziplin dran, die Tjost! Ran an die Lanze und den anderen vom Pferd geschubst!
Tja, und hier zeigen sich die Grenzen. Touch will das nicht, und ich – auch nicht. Ich schaffe es nicht, auf einen Menschen anzulegen. Wir üben ein bisschen harmlos mit Abklatschen, nehmen auch noch den Schild mit dazu und fintieren, und dann ist Sense. Für uns beide. Diese Exerzitie schauen wir vielleicht gern an, weil sie natürlich optisch grandios ist, aber selbst – nein, wir beide nicht. Wir probieren Couverture und Wappenhemd und Helm aus (ich habe zusätzlich noch einen eigenen Helm dabei), wir reiten einmal durchs Dorf, und gut ist. Das ist aber völlig in Ordnung, unseren größten und wichtigsten Erfolg hatten wir mit dem Feuer. Touch hat einmal mehr gezeigt, wie furchtlos er ist, und wie sehr wir uns gegenseitig vertrauen. Nach fünfzehn Jahren mit vielen Tiefen und Höhen sind wir zusammengewachsen und ein Team.
So! Wann geht’s weiter?
Ringestechen erst mit Spieß
Dann mit Lanze
Kuuuurveee!
Das Gewicht der Lanze …
Ha! Schurke!
So, Roland, jetzt biste dran!
HA! Da hast du es.
Hälse sind ab, nun der Appel
Touch und Domingo
Feuer am Hintern, pah, wen kümmert’s
Poi? Hey, sieht toll aus, sagt Touch
Jetzt ich.
Der platzende Luftballon hinter uns
Flamenco zum Essen
Muffins!
Sonntag – jetzt geht’s durchs Dorf
Fehlt nur noch der Helm!
Touch und Nadin haben was zu bereden
Und so schaut es aus!
Die Zuschauer rasen vor Begeisterung
Wie die Rittersleut‘
Und herrliche Paella zum Abschluss!