oder: wie die Schulpsychologie die Kardinaltugenden des Kapitalismus fördert.
Lange hat es gedauert, bis er mit seinem etwas wunderlichen Gebrechen, bei seinem Hausarzt vorstellig wurde. Nachdem er im Sprechzimmer etwas herumgedruckst hatte, gesteht er diesem, dass er unter notorischem Egoismus leide und dass er sich dessen epochal schäme.
"Wie äußert sich dieser Egoismus denn", fragt der Hausarzt daraufhin und starrt seinen Patienten erwartungsvoll, nicht wenig amüsiert an.
"Ich gönne niemanden etwas. Am Arbeitsplatz, wenn es da mal freie Kost gibt, dann raffe ich so viel wie ich gerade in meiner Schreibtischschublade verstauen kann. Oder im Supermarkt, wenn es da Schnäppchen gibt, dann bekommt kein anderer Kunde mehr etwas ab. Alles meins! Alles mir! Ich billige niemanden etwas, selbst wenn jemand weniger hat als ich. Meine Gier, mein Egoismus ist fast schon politisch", räumt der Patient offen ein.
Was denn politisch bedeute, will der Arzt jetzt natürlich wissen, der nicht recht weiß, ob dieser Mann scherzt oder tatsächlich an seinem Egoismus Qualen leidet.
"Ich ärgere mich, wenn man Menschen etwas abgibt. Teilhabe ist ein Unwort für mich. Ich befürworte Hartz IV. Ich möchte keinen Mindestlohn, weil das für mich als Konsument teuer werden kann. Steuern sind ein Unding, denn das bedeutet, dass ich abgeben müsste. Ich will aber doch gar nicht so denken. Ich schäme mich so sehr für diese egoistische Haltung, Herr Doktor. Helfen Sie mir!"
Der Arzt schickt ihn letztlich zu einem befreundeten Psychologen, teils, weil er diesen Gierschlund schnellstens loswerden will, teils, weil er tatsächlich annimmt, dass dieser dort bestens aufgehoben wäre. Wenn nicht aufgrund seines Egoismus, so doch, weil er offenbar ein wenig verrückt sei, mit so einem Leiden zu einem Arzt zu wackeln.
Einige Monate später. Der Patient trifft, vielleicht auf dem Postamt, vielleicht beim Einkaufen - wo auch immer? -, auf seinen Hausarzt. Und obwohl der Arzt sich normalerweise diskrete Fragen außerhalb seines Sprechzimmers erspart, fragt er jetzt, im Anflug von Neugier, den Patienten doch, ob denn die psychologische Behandlung bereits erfolgreich sei.
"Ja", erwidert der Patient freudig entzückt, "die Behandlung hat wirklich Erfolge gebracht. Es geht mir gut."
"Das freut mich aber. Sie sind also nun kein Raffzahn mehr?", fragt der Arzt sodann.
"Dochdoch", antwortet der Patient, "aber ich schäme mich dessen nicht mehr."
Lange hat es gedauert, bis er mit seinem etwas wunderlichen Gebrechen, bei seinem Hausarzt vorstellig wurde. Nachdem er im Sprechzimmer etwas herumgedruckst hatte, gesteht er diesem, dass er unter notorischem Egoismus leide und dass er sich dessen epochal schäme.
"Wie äußert sich dieser Egoismus denn", fragt der Hausarzt daraufhin und starrt seinen Patienten erwartungsvoll, nicht wenig amüsiert an.
"Ich gönne niemanden etwas. Am Arbeitsplatz, wenn es da mal freie Kost gibt, dann raffe ich so viel wie ich gerade in meiner Schreibtischschublade verstauen kann. Oder im Supermarkt, wenn es da Schnäppchen gibt, dann bekommt kein anderer Kunde mehr etwas ab. Alles meins! Alles mir! Ich billige niemanden etwas, selbst wenn jemand weniger hat als ich. Meine Gier, mein Egoismus ist fast schon politisch", räumt der Patient offen ein.
Was denn politisch bedeute, will der Arzt jetzt natürlich wissen, der nicht recht weiß, ob dieser Mann scherzt oder tatsächlich an seinem Egoismus Qualen leidet.
"Ich ärgere mich, wenn man Menschen etwas abgibt. Teilhabe ist ein Unwort für mich. Ich befürworte Hartz IV. Ich möchte keinen Mindestlohn, weil das für mich als Konsument teuer werden kann. Steuern sind ein Unding, denn das bedeutet, dass ich abgeben müsste. Ich will aber doch gar nicht so denken. Ich schäme mich so sehr für diese egoistische Haltung, Herr Doktor. Helfen Sie mir!"
Der Arzt schickt ihn letztlich zu einem befreundeten Psychologen, teils, weil er diesen Gierschlund schnellstens loswerden will, teils, weil er tatsächlich annimmt, dass dieser dort bestens aufgehoben wäre. Wenn nicht aufgrund seines Egoismus, so doch, weil er offenbar ein wenig verrückt sei, mit so einem Leiden zu einem Arzt zu wackeln.
Einige Monate später. Der Patient trifft, vielleicht auf dem Postamt, vielleicht beim Einkaufen - wo auch immer? -, auf seinen Hausarzt. Und obwohl der Arzt sich normalerweise diskrete Fragen außerhalb seines Sprechzimmers erspart, fragt er jetzt, im Anflug von Neugier, den Patienten doch, ob denn die psychologische Behandlung bereits erfolgreich sei.
"Ja", erwidert der Patient freudig entzückt, "die Behandlung hat wirklich Erfolge gebracht. Es geht mir gut."
"Das freut mich aber. Sie sind also nun kein Raffzahn mehr?", fragt der Arzt sodann.
"Dochdoch", antwortet der Patient, "aber ich schäme mich dessen nicht mehr."