Hunde können die Perspektive des Menschen verstehen

Als hochsoziale Wesen können wir Menschen uns in andere Menschen ein stückweit hineinversetzen. Wir können das Erleben des Anderen miterleben. Hier unterscheiden wir zwei Fähigkeiten: Empathie und TOM. Empathie ist das gefühlsmäßige Miterleben mit den Gefühlen anderer Menschen. TOM ist eine Abkürzung für "Theory of Mind" was die kognitive Fähigkeit meint, die Perspektive eines Anderen einzunehmen, quasi dessen Erkennen, Denken, Absichten nachzuempfinden. Die Wissenschaft beharrte lange Zeit darauf, dass diese beiden Fähigkeiten ausschließlich dem Menschen vorbehalten seien. Inzwischen ist mehrfach nachgewiesen, dass auch Tiere wie Schimpansen, Raben oder Hunde Empathie empfinden können. Hunde leiden mit, wenn Herrchen oder Frauchen leiden, entsprechend freuen sie sich. Die Kognitionsbiologen der Veterinärmedizinischen Universität Wien um Ludwig Huber haben nun einen sehr starken Beleg geliefert, dass Hunde auch zu TOM in der Lage sind.
Ich weiß, ob du was gesehen hast!
Neuere Untersuchungen, die auf die Fähigkeit von TOM bei Hunden hinwiesen, waren bisher sehr umstritten. Huber und seine Mitarbeiter haben sich einen cleveren Versuchsaufbau ausgedacht, um diese Fähigkeit überzeugend auszuforschen. Wie verwendeten das Guesser-Knower-Paradigma, ein Standardtest in der Erforschung der Wissenszuschreibung, den sie weiterentwickelten.
Empathie und Theory of Mind bei Hunden?
In der Standardversion gibt es immer zwei Personen, einen "Wissenden", der das Futter - für den Hund unsichtbar - in eine von mehreren Schalen platziert oder weiß, wo es von jemand anderem platziert wurde, und einen "Unwissenden". Der Unwissende war beim Verstecken des Futters in Futterschalen entweder nicht im Raum oder hielt sich die Hände vor das Gesicht. Eine undurchsichtige Wand versperrt den Tieren die Sicht auf das Verstecken des Futters. Danach werden die beiden Menschen, der Wissende wie der Unwissende zu Informationsgebern, indem sie mit der Hand auf unterschiedliche Futterschalen zeigen. Etwa 70% der Hunde folgen dem Hinweis des "Wissenden". Das belegt, dass die Hunde beobachtet und erkannt hatten, wer die richtigen Informationen überhaupt haben konnte und dieses Wissen gezielt nutzten. Eine solche Untersuchung hatten neuseeländische Forscher bereits 2014 publiziert. Dies kann man als ersten Hinweis auf TOM werten. Eine solche Interpretation bleib aber in der Fachwelt umstritten.

Hunde können die Perspektive des Menschen verstehen

Die Vierbeiner übernehmen die Perspektive, also die Blickrichtung des richtigen Informanten, um an verstecktes Futter zu kommen. Ludwig Huber/Vetmeduni Vienna

Ich weiß, was du gesehen hast!
Die Wiener Forscherinnen um Prof. Huber bestätigten zunächst einmal das Ergebnis aus Neuseeland. Dann setzten sie noch einen drauf. "Wissende" und "Unwissende" waren nun Menschen, die in zwei verschiedenen Ecken standen. Von der einen Ecke konnte der potenzielle Informant das Verstecken beobachten, von der anderen nicht. Wieder war es so, dass das Verstecken selbst für die Hunde nicht einsehbar war. Sie konnten auch nicht unmittelbar sehen, ob ein Informant das Verstecken beobachten konnten. Doch sie konnten offenbar berechnen, welcher Informant das Verstecken beobachten konnte und wer nicht. Das heißt, sie mussten die Perspektive beider Menschen einnehmen können, um dann aus der Geometrie erschließen zu können, was wer sehen kann. 70% der Hunde hatten offensichtlich genau das getan und folgten dem "Wissenden".

Hunde können die Perspektive des Menschen verstehen

Hunde beobachten uns genau und können erkennen, welcher Mensch einen Hinweis auf verstecktes Futter geben kann. Ludwig Huber/Vetmeduni Vienna

Coevolution von Mensch und Hund als Sozial- und Arbeitspartner
Aus Sicht des Autors dieses Artikels ist das eine großartige Bestätigung für die Fähigkeit zu TOM. Die Hunde konnten sich in die Sichtweise des Menschen hineindenken und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Dabei gingen sie wie selbstverständlich davon aus, dass der Mensch sein Wissen an den Hund korrekt weitergibt. Der Versuch ist auch ein weiterer Beleg für die besondere Qualität der Bindung zwischen Mensch und Hund. Der Hund ist eben nicht lediglich ein an der Müllkippe zahm gewordener Wolf. Der Hund hat eine weit über 15.000-jährige Geschichte der Coevolution mit dem Menschen hinter sich, ist dessen Sozial- und Arbeitspartner geworden. Der Hund hat sich freiwillig und aktiv domestiziert und domestizierte dabei auch ein stückweit den Menschen, so dass dieser neurobiologisch in die Lage versetzt wurde, höhere Kulturen und größere soziale Strukturen zu entwickeln und das noch lange vor seiner Sesshaftwerdung.
Ein Beitrag von Christoph Jung
zu den Hintergründen und Studien des Autors zum Thema Coevolution:
  • Vortrag:
    3. Rostocker Vierbeinersymposium "Wissenschaft trifft Hund - Der Wolf. Der Hund. Der Mensch." am 17.Juni 2017 (in Zusammenarbeit des Vierbeinerforums mit dem NABU und der Universität Rostock)
  • Artikel in der aktuellen Ausgabe 27 von SitzPlatzFuss
    "Koevolution von Mensch und Hund"
  • Bericht im Spiegel 11/2017 und online (Spiegel Plus)
  • "Tierisch beste Freunde - Mensch und Hund - von Streicheln, Stress und Oxytocin" von Daniela Pörtl und Christoph Jung
  • Poertl D., Jung C. "The domestication from the wolf to the dog is based on coevolution." Dog Behavior Vol 2, No 3 (2016) DOI: http://dx.doi.org/10.4454/db.v2i3.44 (peer-reviewed)



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