Humat al-Hima – zwischen Schein und Sein; eine unbekannte Diktatur

Tunesische Flagge

“Manche verstehen Dich nicht aus Unachtsamkeit, andere aus Profit.” (Nesonic)

Ich schreibe aus dem Herzen aller Tunesier, die die Demokratie zwar kennen und gern mächtig wären, aber mit großen Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn sie sagen würden, was sie denken.

In Tunesien hat sich, wenn auch recht unauffällig, eine Stimmung innerhalb des Landes etabliert, die an die Tunesische Revolution von 1956 erinnert. Spätestens am Verkehrschaos lässt sich wiedererkennen, welchen Bedarf die Infrastruktur und die Gesetzgebung hat. Denn wo Autos sich die Straße mit Mofas, Fahrrädern, Eseln mit Wagen und Fußgängern teilen, ist weder von Respekt vor der Straßenordnung, noch von Vorfahrtsregeln die Rede. Kein Polizist ist da, um den Verkehr im Falle zu regeln. Kein Polizist ist da, wenn ein Haus beraubt, Passanten verprügelt oder nachts Chaos angezetellt wird.

Denn erst wenn die Leichen auf der Straße liegen, kommen sie. Und so entpuppt sich das schöne Land allmählich zu eine Art Schlachtfeld.

Ist der Präsident aber mit seiner Ehefrau, die allmählich die Kontrolle erlangt, im Fahrzeug unterwegs, befinden sich mehr Polizisten auf der Straße als Passanten und blockieren den ganzen Verkehr weiträumig. Muss ein Präsident mit einem angeblichen Stimmenanteil von 90% etwa Angst vor seinem wählenden Volk haben oder ist dort etwas, was verschwiegen wurde?

Die Presse schweigt definitiv, es sei denn sie bekommt Texte und Fotografien vorgelegt, die sie einarbeiten müssen, was nicht unbedingt etwas mit Demokratie zu tun hat.

Das Volk ist zum großen Teil arbeitslos, arm, existenzängstig, nur wenige Reiche gibt es; die Regierung untätig, verlogen und korrupt. Die folgenden Informationen in diesem Artikel entnahm ich Augenzeugen- und Opferberichten sowohl vor Ort als auch online von etwa 2008 bis 2010. Da die Wahrheit in den zensierten Medien und bei den untätigen Polizeistellen, die sich nur für eine Portion Reis mit Brik von ihrer Position am stark überfüllten Sandstrand erheben, keinen Zugang findet, ist dieser Artikel einer der einzigen, der über die Missstände dort berichtet. Schließlich sind nicht nur die Einwohner in Gafsa betroffen, sondern auch große Teile von den Regionen Tunis, des Cap Bon, Hammamet und Bizerte.

Inzwischen hat sich in Tunesien in vielen Gebieten eine Mafia etabliert, die vermutlich in Zusammenarbeit mit der Regierung, aber mindestens mit der Polizei steht. Vier Fälle, ob am Strand in Kelibia, in den Supermärkten Carrefour und Monoprix von Tunis, oder vor Grundschulen: ehe man sich versieht, sind die eigenen Kinder und Mädchen auf der Schulter eines Menschenhändlers. Wenn man dabei noch anmerkt, dass die Exekutive tatenlos dabei zusieht, wird man skeptisch, welche Stränge dabei im Hintergrund gezogen werden. Ähnlich verhält es sich bei Toten, die angeblich wegen dringend erforderlicher Autopsien zum Krankenhaus verpflichtet werden. Dabei steht in den meisten Fällen noch, das Krankenhaus umstellend, die Polizei, um folgende Ermittlungen nicht zu stören. Fehlanzeige. Der Tote wird zur Bestattung zurückgegeben: blutig, verbunden. Spätestens bei der Totenwaschung stellt sich dann heraus, dass der Tote ein Opfer vom Organraub der Mafia wurde, die die Organe der Toten unerlaubt entnehmen und weiterverkaufen. Ob dies aus gutem Geschäft geschieht oder lediglich die Staatskassen auffüllen soll, bleibt hierbei weiterhin unklar. Sicher ist in jedem Fall: Der Tote wurde um seinen Besitz bestohlen und die Betroffenen zusätzlich gedemütigt.

Es ist nicht nur die Kriminalität auf den Straßen in Form von Diebstählen und brutalen Morden, die ungerichtlichen “Säuberungen von politischen Feinden”, die sogar aus dem fahrenden Auto von der Polizei gezogen, grausam gefoltert oder getötet und als “vermisst” erklärt oder schwer behindert zurückgebracht werden. Es sind auch nicht nur die Verkehrsunfälle, die durch 12-jährige Kinder auf den Mofas ihrer Eltern mitten im Straßenverkehr verursacht werden. Und es sind ebenso nicht die Frauen, denen das Kopftuch mitsamt Haare entrissen oder die Männer, die vor Ort zum Bart-Rasieren gezwungen werden. Es ist von der Ökologie, Ökonomie, Politik, Sicherheit, Arbeitslosigkeit bis zur Freiheit ein sich ausbreitendes Loch, das nach Gerechtigkeit schreit.

Nach einem würdevollen, friedlichen und sorgenfreien Leben.

Etwa 70% aller Studenten in Tunesien finden nach ihrem Studium keinen Arbeitsplatz – und sämtliches Haus und Grundstück, das die Eltern für die Finanzierung des Studiums aufbrachten, ist verkauft. Die Folge ist eine Massenemigration von Studenten, die im Ausland auf eine bessere Zukunft hoffen, wenn auch unter schwierigen Umständen. Und wo das Land sich allmählich von den Inländern verabschiedet, häufen sich Algerier, die auf billigere Tarife hoffen und ihre Freude darüber auf den Straßen übermäßig zur Schau stellen. Den übrigen Tunesiern wird an den weißen Stränden von Kelibia und Nabeul mehr und mehr der Sand unter den Füßen geraubt, denn die anliegenden italienischen oder französischen Hotels beherbergen ebenso die umliegenden Strände, die folglich kostenpflichtig für die eigenen Urheber werden. Es erkranken und sterben mehr und mehr Menschen nach der Verzehrung, durch Bespritzung vergifteter, Lebensmittel oder durch den übermäßigen Stress bei der Arbeit, Existenzängsten und den heftig gewordenen Witterungen. Eine neue Bauernweisheit besagt: “Dem die Nerven blank liegen, bleibt das Herz stehen.” Die Zufluchtsstätte vieler Jugendliche, Facebook, ist von der Regierung ebenfalls bedroht, da dort immer häufiger negative Äußerungen gegen Regierung und Mißstände vorkommen. Schließlich könnte Facebook, wie in China, in Tunesien bald eine Tabu-Seite werden. Youtube jedenfalls musste dort bereits passen. Dagegen helfen auch nicht die miserablen und verkümmerten Geldscheine, bei denen das Auge eines “Nabeulesen” oder “Yasmine Hammametlers” eifrig flimmern.

Es zeigt sich, dass die Regierung ihre Hand aktiv bei jeder Angelegenheit zur Kontrolle hat und gleichzeitig die andere Hand bei jeder sozialen Angelegenheit zurückzieht. Hauptsache ist für diese doch, dass der 73-jährige Präsident Zine El Abidine Ben Ali an jedem Plakat, in jedem Geschäft, in jeder Bank, vor jedem Eingang in goldenem Rahmen zu sehen ist, und das von 1987 bis mindestens 2014 mit 90% Stimmanteil bei den Wahlen. Eine fragliche Angelegenheit.
Dass die Scharia seit 1959 abgeschafft wurde und dass ein Bürgerkrieg derart oft in Volkes Munde ist, war vermutlich nie derart sichtbar.


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