Interview mit dem DSV-Boss:
DSV-Boss Alfons Hörmann spricht im Interview über den bisherigen WM-Eindruck, seine Medaillenerwartungen und den Rücktritt von Magdalena Neuner.
Herr Hörmann, wie sieht ihr bisheriges WM-Fazit aus?
Hörmann: Bei den Damen ist es durch Lena leistungssportlich gut bis sehr gut, da sind wir in dem Bereich, der ungefähr unseren Erwartungen entspricht. Bei den Männern hat das Quäntchen Glück bisher gefehlt, aber das tolle Einzelrennen lässt auf die Staffel und den Massenstart hoffen. Dem Andi Birnbacher hätte ich es besonders gegönnt, da war ich sehr betroffen und gefrustet. Bisher passt die Medaillenbilanz, aber das hängt davon ab, was noch kommt. Wir wollen noch drei Medaillen.
Viele sagen, es sei die beste Biathlon-WM, die es je gab…
Hörmann: Wenn dem so ist, dann freut es mich. Aber das ist ein geflügeltes Wort, dass sich durch viele Großereignisse zieht. Ich würde sagen, Ruhpolding erfüllt die Erwartungen die wir intern hatten müstergültig und vorbildlich.
Haben Sie etwas auszusetzen?
Hörmann: Den klassischen Schwachpunkt gab es nicht, nur zwei Kleinigkeiten. Die Scheibe, die bei Björndalen in der Mixed-Staffel nicht gefallen ist war schon ärgerlich. Und der Zusammenstoß der beiden Damen im Verfolgungsrennen hätte auch schlimmer ausgehen können.
Im Biathlon jedes Jahr ein WM statt, leidet darunter nicht die sportliche Wertigkeit eines WM-Titels?
Hörmann: Da bekommen Sie eine salomonische Antwort: Diese Frage hat immer zwei Seiten der Medaille, es gibt kein richtig oder falsch. Aber eines ist klar: Auf IBU-Ebene wird sich das wohl nie wieder ändern, da müsste schon etwas ganz Besonderes passieren. Das Rad der Zeit wird im Biathlon nicht zurückgedreht. Der wertorientierte Ansatz steht hinter den wirtschaftlichen Interessen der Funktionäre, Sponsoren und Organisatoren zurück.
Aber wenn es weniger Weltmeisterschaften gäbe, würden Magdalena Neuners Rekorde vielleicht für die Ewigkeit bestehen…
Hörmann: Es wird der Tag kommen, an dem auch Lena eingeholt wird.
Wie bewerten Síe ihren Auftritt hier in Ruhpolding?
Hörmann: Im Grenzbereich des Zumutbaren für den Menschen und Athleten. Wenn ich vor dem WM kein Verständnis für ihren Rücktritt gehabt hätte, würde ich es jetzt verstehen.
Wie wird es ohne sie weitergehen?
Hörmann: Es ist immer ein Verlust, wenn herausragende Athleten zurückgetreten. Aber Biathlon war auch vor Lena schon eine verdammt populäre Sportart, das ging schon 2002 in Salt Lake City los. Man muss Lena durch neue Typen ersetzen, die Miri Gössner hätte das Potenzial dazu, das hat Lena ja selbst angedeutet.
Oder mit einem Talent aus den Reihen der Langläufer. Wird es zu dieser teilweise kritisch betrachteten Symbiose kommen?
Hörmann: Zu 100 Prozent, da wird auch Jochen Behle nichts ändern, auch wenn ihm das nicht gefällt. Wir werden in den nächsten Wochen klare und zielgerichtete Gespräche führen. Außerdem muss man sagen, dass Behle selbst schon von dieser Offenheit profitiert hat. Neuner und Gössner haben bereits Medaillenläufe in der Langlaufstaffel gemacht. Zum zweiten haben wir mit Kathi Wilhelm ein Musterbeispiel, auch sie hat damals gewechselt. Ich unterstütze die Linie von Thomas Pfüller zu 200 Prozent.
Sie machen sich also keine Sorgen?
Hörmann: Nein, ich würde auch erst mal abwarten wie Henkel, Bachmann und Gössner agieren, wenn Neuner weg ist. Ich würde eine Wette eingehen, dass wir zumindest in einem oder zwei Fällen höchst erstaunliche Entwicklung in den nächsten zwei Wintern sehen werden. Ein Michi Greis hat mir mit 26 Jahren erzählt, dass er aufhören will, weil die alten Athleten den Platz nicht frei machen – zwei Jahre später war er dreifacher Olympiasieger. Ich sehe die Zukunft optimistischer als sie oft bewertet wird.
Und wie steht’s mit der Zukunft von Magdalena Neuner beim DSV. Sie haben ihr zuletzt sogar Ihren Posten angeboten…
Hörmann: Ich sagte nur, wenn es in irgendeiner Form möglich ist, würden wir sie gerne für den DSV gewinnen. Aber ich habe ihr kein konkretes Angebot gemacht. Sie soll jetzt Abstand vom Biathlon gewinnen und sie später den inneren Antrieb dazu spürt, dann nehmen wir sie mit Handkuss.