Hohe Gangzahl auf demselben Fleck

Von Stefan Sasse
Es ist beeindruckend, welch professionelle Fassade Schwarz-Gelb weiter aufzuerhalten in der Lage ist. Nachdem Schäuble mehrfach verkündet hat, dass Steuererleichterungen nicht drin sind, gab es gestern den überraschenden Beschluss, im Januar 2013 (!) wegen der guten Konjunkturlage dieses Mal aber endgültig Steuererleichterungen durchzuführen, und weil man gerade dabei ist auch die Sozialbeiträge zu senken. Schließlich "soll der Aufschwung bei den Bürgern ankommen". Der Aufschwung, der bei den Bürgern ankommt: das ist eine Plastikphrase, die es in kaum einem Jahr zu einer solch monotonen Wiederholungsfrequenz geschaffen hat, dass das seinesgleichen sucht. Als der "Aufschwung" begann, hat man alle Vorstellungen entrüstet von sich gewiesen, dass er nicht überall "ankommen" könnte. Jetzt fordert man es gebetsmühlenhaftig. Aber das ist eigentlich nur ein kleines Detail in dem alltäglichen Chaos, das Schwarz-Gelb zu produzieren imstande ist. 
Nachdem nun (endgültig!) Steuer- und Abgabensenkungen beschlossen wurden - welch Einigkeit in der Koalition! - fordert Schäuble dieses Mal, die FDP solle Sparvorschläge auf den Tisch legen, oder er werde es nicht machen. Moment, ich dachte die Senkungen könnten wegen der guten Konjunktur gemacht werden? Warum jetzt sparen? Egal, damit liegt der Schwarze Peter erneut bei den Liberalen. Wenn sie die Senkungen nicht aufkommensneutral machen können - und das dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein - kann sich die CDU erneut gefahrlos quer stellen. Wenn man bedenkt, dass die FDP vor ihrer Wahl 2009 einmal den Ruf hatte, seriöse Haushaltspolitik zu machen! Das war schon damals ein Witz, aber jetzt haben sie ihn richtig zerlegt. 
Natürlich wäre nicht die Tigerentenkoalition unterwegs, wenn sie nicht noch eines draufsetzen würde: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat öffentlich vorgeschlagen, doch mal wieder mit der SPD zu koalieren. Die offizielle CSU-Reaktion war beißend: kommt ihr erst mal über 5%! Interessant war aber auch die Reaktion der Sozialdemokraten: Leutheusser-Schnarrenberger spreche nicht für die FDP (soweit richtig), und die sei ja total neoliberal, es "gibt dort keine Sozialliberalen mehr", und bevor die SPD großzügig über die Idee nachdenken könne müsse sich die FDP "radikal ändern". Moment: die FDP ist radikal neoliberal, nicht sozialliberal und kann deswegen nicht mit der SPD koalieren? Die gleiche SPD, die 2009 in fast kriecherischer Art die damalige, unangeschlagene und sicherlich deutlich neoliberalere Westerwelle-FDP umworben hat, doch bitte bitte mit ihr zu koalieren? Diese SPD? Was gerade auf der politischen Bühne abläuft ist unglaublich absurd, und es wundert mich keine Sekunde, dass die Grünen ständig Gewinne verzeichnen, denn sie sind die Einzigen, die sich nicht permanent blamieren (von der LINKEn und ihren PR-Desastern von DDR bis Israel fangen wir gar nicht erst an).
Wir müssen es uns noch einmal wirklich klar machen, denn das ist der Schlachtruf gegen die Schwarz-Gelben für die nächste Zeit: weil die Konjunktur im Augenblick etwas besser läuft als sonst, soll in zwei Jahren die Abgabenlast permanent gesenkt werden. Gegenfinanziert wird diese Senkung mit einer reinen Wette darauf, dass auch 2013 die Konjunktur gut sein wird, und übrigens auch die Jahre darauf. Es wird gewissermaßen nie wieder einen Abschwung geben. Aber nicht nur das: Schwarz-Gelb wird gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten und die Schuldenlast reduzieren! Und das noch ohne irgendwelche Kürzungen im Sozialbereich. Dieses politische perpetuum mobile nennt sich übrigens "seriöse bürgerliche Politik", und steht in krassem Gegensatz zu den fiesen Linken, die immer mit vollen Händen das Geld zum Fenster rauswerfen, indem sie beispielsweise Schulen bauen wollen. Merkt euch das.

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