Quelle: Helmut Mühlbacher
Ihr Lieben,heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Raoul Follerau erzählen:
„Die leeren Hände“
„Ich hatte einen Traum:
Ein Mensch erschien vor Gott und sprach:
„Lieber Gott, siehe, ich habe mein ganzes Leben lang Dein Gebote beachtet, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, ich habe niemals etwas Unrechtes, Böses oder Frevelhaftes getan. Lieber Gott, meine Hände sind rein!“Und Gott antwortete ihm: „Ohne Zweifel, sie sind rein, aber sie sind auch leer!“
Ihr Lieben,
eigentlich ist das doch etwas Herrliches, wenn ein Mensch an seinem Lebensende sagen kann:
Ich habe alle Gebote Gottes gehalten und ich habe niemals etwas Böses getan.
Eigentlich müsste man vor einem solchen Menschen den sprichwörtlichen Hut ziehen.Aber dieser Mensch, der da vor Gott steht, hat nicht begriffen, was das entscheidende Merkmal für das Handeln des Menschen sein sollte:
Es ist nicht der Sinn der Gebote Gottes, dass sie gehalten werden, sondern die Gebote Gottes zielen darauf, ein Leben der Menschen untereinander in Liebe und Respekt zu ermöglichen.
Wer, wie unsere deutsche Sprache es formuliert, seine Hände in Unschuld wachsen will,
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wer sich nicht die Hände schmutzig machen will, wer sein ganzes Sinnen und Trachten nur darauf richtet, die Gebote Gottes zu erfüllen, damit er selbst ein besonders moralische hochstehender Mensch wird, der als besonders gläubig und gottesfürchtig einzustufen ist, hat gar nicht begriffen, worum es wirklich in den Geboten Gottes geht.Auch ich möchte wie jede und jeder von Euch, wenn ich einmal sterben werde, dass man vor mir sagt:
„Er hat nichts Unrechtes, Böses oder Frevelhaftes getan.“
Aber wenn wir uns in dieser Welt für Gerechtigkeit, für die Wahrheit, für die Liebe einsetzen, dann können wir nicht vermeiden, auch schuldig zu werden, Fehler zu machen, Irrtümer zu begehen.
Ein Mensch, der seinen Einsatz für eine bessere gerechtere Welt mit dem Leben bezahlt hat, war Bonhoeffer. Er stand als Mitglied des Widerstand gegen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten vor der für ihn sehr schweren Frage:
„Darf ich ein Gebot Gottes, in diesem Fall das Gebot „Du sollst nicht töten!“ übertreten um der Liebe willen, um unschuldige Menschen zu retten?
Bonhoeffer hat sich die Antwort auf diese Frage nicht leicht gemacht, aber dann hat er sich dafür entschieden, dieses Gebot Gottes zu übertreten, um mitzuhelfen, Hitler umzubringen.
Er hoffte darauf, dass Gott seine Beweggründe, aus denen er das Gebot Gottes „Du sollst nicht töten!“ übertreten hatte, verstehen würde.
Nicht der Mensch ist ein großartiger Mensch, der ängstlich sich an die Gebote Gottes klammert und aus Angst, ein Gebot Gottes zu übertreten, sich aus dem Geschehen der Welt heraushält.
Groß ist dagegen ein Mensch, der um anderer Menschen willen, der um andere Menschen zu retten, der um Liebe in diese Welt hineinzutragen, bereit ist, ein Gebot Gottes zu übertreten, selbst dann, wenn er dadurch vor Gott schuldig wird.
Bonhoeffer wird wegen seiner klaren Haltung immer ein großes Vorbild für mich bleiben. Selbst kurz vor seiner Hinrichtung war er ein fröhlicher Mensch, der Ruhe und Liebe ausstrahlte, wie auch Gefängniswärter, die ihn bewacht haben, später bestätigten.
Sehr berührt hat mich in diesem Zusammenhang ein Gedicht von ihm:
Wer bin ich?
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.
Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.
Manchmal, wenn ich an dem Himmel meines Lebens Wolken der Dunkelheit und der Traurigkeit aufziehen sehe, dann nehme ich mir das folgende Gedicht von Bonhoeffer zur Hand, um es zu lesen und zu beten:
Von guten Mächten
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach, Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das Du uns bereitet hast.
Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.
Lass warm und still die Kerzen heute flammen,
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch einen gesegneten und fröhlichen Sonntag und grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer heiterer Werner vom Weserstrand
Quelle: Karin Heringshausen