Mit "Anonymus" brachte Roland Emmerich die lange Debatte um eine der brisantesten Fragen der Weltliteratur auf die Leinwand: Hat William Shakespeare seine Werke wirklich selbst verfasst?
Nun ist klar, dass nicht alles, was auf einer umstrittenen Theorie basiert, historisch korrekt sein kann. Doch abseits der Theorie, nicht William Shakespeare, sondern der Earl of Oxford hätte all diese weltberühmten Stücke verfasst, wieviel an "Anonymus" ist historisch korrekt? Kleiner Fun Fact zum Aufwärmen: Die junge und die alte Elizabeth I. wurden von Joely Richardson und Vanessa Redgrave dargestellt - im wahren Leben Tochter und Mutter.
Faktencheck "Anonymus"
- William Cecil hat James VI. von Schottland nicht die englische Nachfolge angeboten. Er ging davon aus, dass der Schottenkönig Cecil seine Verwicklung in den Tod seiner Mutter Maria Stuart nachtrüge.
- Der Poet Christopher Marlowe starb bereits fünf Jahre vor seinem zeitlichen Auftauchen im Film. Außerdem starb Marlowe, wie erhaltene Dokumente belegen, durch einen Messerstich über dem Auge.
- Die Essex-Rebellion hatte nicht das Ziel, Elizabeth abzusetzen, sondern ihren engsten Berater Robert Cecil. Das im Film dargestellte Niederschießen der Revoluzzer im Palasthof fand ebenfalls nie statt.
- Der Tower war zu jener Zeit keine königliche Residenz mehr, also ging von dort auch keine Regierungsgewalt mehr aus. Elizabeth dürfte den Ort, an dem ihre Mutter hingerichtet und sie selbst inhaftiert wurde, nicht gerade häufig aufgesucht haben.
- Man mag diskutieren, ob Elizabeth I. wirklich zeitlebens Jungfrau geblieben ist. Doch gleich mehrere heimliche Bastarde, die zudem in Adelsfamilien gemogelt wurden, sind absolut unwahrscheinlich.
- Die Tudorrose war ein heraldisches Emblem, keine echte Rosensorte. Sie entstand aus der roten Rose von Lancaster und der weißen Rose von York - die Familien, die die Ehe Heinrichs VII. mit Elizabeth von York vereinte, damit die Rosenkriege beendete und die Dynastie der Tudors begründete.
- "Ein Sommernachtstraum" wurde erst um 1596 geschrieben und konnte somit nicht der jungen Elizabeth vorgeführt werden. Und auch "McBeth" wurde erst für James I. und nicht schon zu Lebzeiten Elizabeths geschrieben und aufgeführt. Und zu guter Letzt: Das angeblich brandneue Gedicht, dass de Vere vor der Essex-Rebellion für Elizabeth schrieb, war bereits acht Jahre zuvor, und seitdem jährlich wiederholend, veröffentlicht worden.
- Das Stück, das zur Essex-Rebellion aufgeführt wurde, war "Richard II", nicht "Richard III". Letzteres erschien bereits vier Jahre vor der Rebellion. "Richard II" durfte zu Zeiten von Elizabeths Regentschaft auf ihre Anweisung hin nur ohne die Szene, die Richards Sturz vom Thron zeigt, aufgeführt werden. Die Aufführung zur Rebellion beinhaltete jedoch diese Szene, um den Mob gegen die Königin aufzustacheln.
- Als Elizabeth 16 war (und laut "Anonymous" ihren ersten Bastard zur Welt gebracht hatte), war keineswegs ihre Schwester Mary, sondern noch ihr Bruder Edward an der Macht.
- Elizabeth I. starb am 24. März. Nicht nur ging ihr Trauerzug eh über Land, aber zu jener Jahreszeit dürfte die Themse nicht komplett gefroren gewesen sein.