Hinter Gittern – Der Frauenknast

Sich prügelnde, kreischende Knastweiber. Aufgepumpte Wachen, mit Schlagstock und Pefferspray bewaffnet, entschärfen die Situation. Die tattoowierten Ladies begeben sich unter Beifall zurück in ihre 2-Quadratmeter großen Zellen.

Dies ist das Bild, welches von den Medien transportiert wird – wir befinden uns in der Realität – und diese sieht definitiv anders aus. Normal gekleidete Frauen die ihre Kinder bemuttern, mit ihren Ehemännern und Kindern sprechen und sich ein angemessenes Mittagessen gönnen. Es fühlt sich nicht so an als würde ich mich inmitten eines Frauengefängnisses befinden, eher als wäre ich auf einem städtischen Markt – mit typischen Ständen, Leuten und Sonnenschein.

Seit einigen Tagen sind wir in Lima. Mit knapp 10 Millionen Einwohnern ist sie die größte Stadt des Landes und gleichzeitig Hauptstadt. Heute habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Gutes zu tun. Ich setze mich in den Bus und mache mich auf den Weg zum Frauenknast ‘Santa Monica de Chorillos’.

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Ich verlasse den Bus und werde von einer Frau eines kleinen Shops in Empfang genommen. “Do you wanna visit the jail?” fragt sie. Sie meint, ich bräuchte eine lange Hose und müsse all meine Wertsachen bei ihr lassen. Gegen eine Gebühr von 2.50 Soles leihe ich mir eine Jeans, kaufe ein paar Snacks und begebe mich zum Eingang des Gefängnisses. Die Wärter schauen mich ungläubig an und fragen was ich hier will. “Ich will eine Insassin besuchen, reden und ihr ein Geschenk in Form der Schokoriegel geben.” Mit 6 Unterarmstempeln, die beweisen, dass ich nur zu Besuch bin, durchlaufe ich eine letzte Sicherheitskontrolle und befinde mich plötzlich mitten im Innenhof des Frauenknasts.

WTF?

WTF?

Empfangen werde ich von Frauen mit aufgeritzten Armen, Frauen die ganz und gar nicht so aussehen als wären sie Insassen und ein paar bewaffneten, ernst schauenden Wärtern. Einer Insassin gebe ich ein paar Münzen, um mir jemanden zu holen der Englisch spricht. Schließlich will ich nicht nur gucken. 5 Minuten später sitze ich mit Francesca im Innenhof, wir trinken Wasser, rauchen Mentholzigaretten und unterhalten uns über ihre Geschichte.

Francesca ist 47, kommt aus Amsterdam und sitzt seit 12 Jahren in Limas Frauengefängnis.

So wie vielleicht auch ihr, frage ich mich, wie es eine Holländerin schafft, für so lange Zeit in einem Gefängnis in Südamerika eingebuchtet zu werden.

Die meisten Europäer, Amerikaner und Asiaten die in Lima sitzen hatten das gleiche vor. Schnelles Geld durch Drogenschmuggel. Bei Francesca waren es 47 Kilo pures Kokain. Ursprünglich sollte sie dafür 30 Jahre bekommen, durch Kooperation mit der Polizei schraubte man ihr Urteil aber auf 15 Jahre herunter. Ihr ganzes Leben lang war sie drogenabhängig. Alles was sie zwischen die Finger bekam, landete früher oder später in ihrer Nase, ihrem Mund oder direkt in der Blutlaufbahn. Sie rutschte immer weiter ab, bis sie irgendwann obdachlos wurde, immer mehr verzweifelte und den einzigen Ausweg darin sah mit Drogenschmuggel ein wenig Geld zu machen. Von den Drogendealern wurde ihr versprochen, lediglich 2 Liter flüssiges Kokain schmuggeln zu müssen. Bei der Gepäckübergabe am Flughafen ahnte sie nichts davon, dass sich in beiden Koffern zusammen fast 50 Kilogramm des weißen Pulvers befinden.

Was sie in diesem Moment zurücklässt, ist ein Leben auf der Straße, ihre Familie, ihre 2 Kinder. Ein Jahr wartet sie auf ihr Urteil. Für sie eines der schlimmsten Jahre ihres Lebens, so sagt sie.

In den nächsten 12 Jahren lernt Francesca mit der Situation hier drin umzugehen. Sie betreut die Katzen, sie putzt 4 mal am Tag die Toilette, um sich ein paar Groschen zu verdienen. Sie spielt Karten, lernt Spanisch und freundet sich mit den Insassen an – insgesamt 800. Von diesen 800 Insassen haben nicht mal die Hälfte ein Bett. Sie schlafen auf dem von Kakerlaken infizierten, harten Betonboden des Gefängnisses. Weil sie sich ein Bett schlicht nicht leisten können (Für ein Bett verlangt das Gefängnis 300-500 Dollar). Die meisten von ihnen gehen einem einfachen Job nach. So basteln sie Schmuck, stricken Hüte, schneiden Haare oder verkaufen an den Besuchertagen Kuchen und einfache Gerichte. Ebenso gibt es ein Hotel, in welches sich die Insassinen mit ihren Ehemännern zurückziehen können. Die Kids wachsen bei den Insasssinen auf und verbringen den Tag im Kindergarten. Es ist quasi eine Sadt in der Sadt.

Francesca überspielt ihre unglückliche Gemütslage immer wieder mit einem breit aufgesetzten Lächeln. Sie ist höflich, redet offen über das Leben hinter Gittern. Pro Jahr ist es tatsächlich nur 1 Besucher, der auf die Idee kommt Francesca zu besuchen, obwohl er sie nicht kennt. Wir unternehmen eine Wanderung über den kleinen Innenhof. Sie zeigt mir den Friseursalon, das kleine Theater, die Bücherei. Sie stellt mir ihre Mexikanischen, Amerikanischen und Australischen Freunde vor, zeigt mir die Schule und fängt immer wieder davon an von ihren Kindern zu reden, davon wie sehr sie sie vermisst.

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Sie hat nur etwa alle 3 Monate die Möglichkeit, Briefe zu senden. Ich sage ihr, dass Jennifer am nächsten Tag kommen wird, um sie zu treffen und die Briefe zur Post bringen wird.

Ich zaubere ihr ein Lächeln ins Gesicht. Nach knapp 2 Stunden öffnen die Wärter die Tore.

Zeit für mich zu gehen.

Francesca bleiben 3 Jahre.

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