Hinter feindlichen Linien (Teil 4)

Ich musste gähnen. Es war ja schließlich mitten in der Nacht. Die Heiligen in der Ecke hatten sich auf leise Gesänge verlegt, die wohl irgendwie unterstützend wirken sollten. Herr Kleinschmitt trat unruhig von einem Bein aufs andere. Sein Kanarienvogel schien im sehr am Herzen zu liegen. Ein paar Mal hörten wir Geräusche, als würde jemand ein Fenster öffnen und wieder schließen, was mich in Zusammenhang mit einem Kanarienvogel nicht gerade hoffnungsfroh stimmte. Ich überlegte gerade, ob ich es mir auf der Couch bequem machen sollte, da ging die Tür wieder auf. Heraus kam Herr Moselbach, der ein wenig zerzaust aussah. Auf seinem Arm trug er – eine schwarze Katze.
“Nein!” rief ich. Mit Katzen hatte ich in letzter Zeit eindeutig schon zu viel zu tun gehabt.
“Doch!” rief Herr Moselbach enthusiastisch.
“Nein!” rief auch Herr Kleinschmitt. “Das ist nicht mein Hansi. Das ist eine Katze.”
“Zweifelsohne.” bemerkte einer der Polizisten trocken. Der Gesangsverein schwieg dankenswerterweise und sah Herrn Moselbach erwartungsvoll an. Dieser reckte die Arme und damit auch die Katze, welche sich verzweifelt gegen seinen Griff zur Wehr setzte, in den Himmel und rief: “Oh seht! Der Herr hat ein Wunder vollbracht! Aus einem Kanarienvogel hat er eine Katze gemacht!”
“Sollen wir ihn einweisen?” fragte ich Maurice. Dieser starrte gebannt auf die Hände des selbsternannten Propheten und antwortete mir gar nicht.
“Das ist nicht mein Hansi.” sagte Herr Kleinschmitt wieder.
“Doch, das ist Hansi!” rief Herr Moselbach nachdrücklich. “Er hat die nächste Entwicklungsstufe erklommen und lebt nun als Katze!”
Ich konnte nicht recht glauben, was ich da hörte. “Meinst du, er könnte auch was anderes verspeisen? Den Ungut vielleicht, dann nimmt der auch endlich die nächste Entwicklungsstufe!” fragte ich Maurice. Jetzt sah er mich endlich an.
“Der Typ hat voll den Hau. Den sollten wir in der Psychiatrie abliefern!” zischte er mir zu.
“Ach was.” Ich war verärgert. Und eigentlich hatte ich auch keinen Bock, Herrn Moselbach in die Psychiatrie zu begleiten.
“Kann der neue Hansi auch fliegen?” fragte Herr Kleinschmitt skeptisch.
“Natürlich nicht, er ist jetzt ja eine Katze.” blaffte Herr Moselbach ihn an. Herr Kleinschmitt sah enttäuscht aus. Dann trat er ein wenig näher an den neugeborenen Hansi heran.
“Den kenne ich. Das ist Moritz. Der Kater vom Erwin, der wohnt zwei Häuser weiter!” rief er schließlich aus. “Das ist definitiv nicht Hansi!”
“Nein, also wie ein Kanarienvogel sieht er echt nicht aus.” bemerkte Maurice.
“Das ist der Moritz, ganz sicher! Der hat da so einen weißen Fleck an der Hinterpfote!” rief Herr Kleinschmitt empört. Herr Moselbach versuchte hektisch, die besagte Hinterpfote zu bedecken. Hansi alias Moritz nutze die Gelegenheit, sich aus dem Griff von Herrn Moselbach zu befreien und sprang mit einem lauten Miau aus dessen Amen und verschwand  im Nebenzimmer.
“Also, fassen wir einmal zusammen.” erbarmte sich schließlich einer der Polizisten. “Der Kanarienvogel ist verspeist worden und der Kater gehört einem Nachbarn. Herr Kleinschmitt, sie können den Herrn Moselbach anzeigen, wegen der Tötung Ihres Kanarienvogels.” begeistertes Nicken von Herrn Kleinschmitt. “Aber das machen wir dann bitte schön morgen Früh auf der Dienststelle und nicht jetzt.” Dann drehte er sich zu Herrn Moselbach. “Und Sie, Herr Moselbach. Brauchen Sie nach dem Genuss des Vogels einen Arzt?”
“Aber ich habe…” protestierte Herr Moselbach. Der Polizist unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
“Ja oder nein?” fragte er in einem scharfen Tonfall. Es war offensichtlich, dass er keine Lust mehr auf diese absurde Szenerie hatte.
“Nein.” gab Herr Moselbach kleinlaut bei.
“Gut, dann können wir ja eigentlich alle gehen.” stellte der Polizist zufrieden fest. Dankbar für dieses Stichwort griffen wir unsere Ausrüstung und marschierten wort- und grußlos zur Tür. Moritz folgte uns und rannte schnell auf die dunkle Straße hinaus.

“Mit dir fahre ich nie wieder.” sagte Maurice, als wir endlich im Auto saßen. “Hörst du? Nie wieder. Die sollen mich nie wieder mit dir einteilen!”
“Ich dich doch auch.” sagte ich und tätschelte ihm beruhigend den Arm, während wir langsam wieder in unser Wachgebiet zurückfuhren.


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