Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt

Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt
Ich war so gerne schwanger!
Die Schwangerschaft mit meiner Tochter, einerseits war sie eine der schönsten Zeiten meines Lebens, andererseits aber auch eine sehr schwere Zeit.
Ich hatte mit den üblichen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen, die ich aber sehr gerne in Kauf nahm, die Freude auf unser Baby ließ mich alles heroisch ertragen.
Die allmorgendliche Übelkeit durfte ich kennenlernen, ebenso die sedierende Wirkung der Schwangerschaftshormone. Ich war dauermüde und hätte im Stehen einschlafen können!
Ich konnte meine Stamm-Metzgerei im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr riechen und fiel vor der wunderbar sortierten Verkaufstheke samstags vormittags, als der Laden proppenvoll war, in Ohnmacht.
Und Italo musste nicht nur einmal nachts zum nächsten McDonalds fahren, um mir auf der Stelle einen Cheeseburger zu holen, weil ich unbedingt diese läpprige heiße Gurke im Geschmackszusammenspiel mit dem Schmelzkäse haben musste.
Ich konnte es nicht abwarten, bis man "etwas" sehen konnte und kaum fingen meine Klamotten an, ein klein bisschen eng zu werden, da trug ich bereits stolz Umstandsmode, das war so ungefähr ab der 10. Woche. Dass meine Klamotten nur deshalb bereits eng wurden, weil ich zugenommen hatte (immer dieser Heißhunger mitten in der Nacht!), das wollte ich nicht wahr haben. Insgesamt nahm ich während der Schwangerschaft mehr als 30kg zu.
Unzählige Male stand ich vor dem Spiegel und schaute meinen wachsenden Bauch mit wachsender Begeisterung an, die wachsenden Fettpölsterchen hingegen blendete ich einfach erfolgreich aus.
Welches Wunder geschah da gerade mit mir? Da wuchs ein neues Leben in mir heran! Das war ja so faszinierend! Ich wollte alles darüber wissen und verschlang unzählige Bücher über Schwangerschaften.
Auch zählte ich ungeduldig die Tage von einer Vorsorgeuntersuchung zu nächsten. Die erste Ultraschalluntersuchung! Ich weinte vor Glück, obwohl ich auf dem Bildschirm eigentlich kaum was erkennen konnte. Nur das kleine Herzchen sah ich schlagen, und das war überwältigend!
Gesundheitlich ging es mir blendend, bis zum Tag der standesamtlichen Trauung, davon berichtete ich ja bereits.
Die ersten Kindsbewegungen bemerkte ich´ungefähr  in der 20.Woche! Es war bereits spätabends und wir waren schon zu Bett gegangen. Da... plötzlich...irgendetwas klopfte zart in mir, so zumindest fühlte es sich an. Ich war total angespannt und wagte kaum zu atmen! Bitte, liebes Baby, bitte machs nochmal, so sprach ich leise und sanft mit meinem ungeborenen Kind und streichelte zärtlich meinen Bauch. Da! Wieder! Ohne Zweifel, das Baby hatte sich bewegt und ich hatte es gespürt! Begeistert machte ich Italo darauf aufmerksam. Er legte seine Hand auf meinen Bauch und wollte es auch spüren, aber unser Baby verweigerte jegliche weitere Zusammenarbeit, Italo bekam an diesem Abend nichts mehr zu spüren.
Geburtsvorbereitungskurse gab es zwar bereits, ich besuchte jedoch keinen. Ich war der Meinung, dass eine Geburt die natürlichste Sache der Welt wäre und man automatisch alles richtig machen würde.
 Ich glaube, keine Schwangere stellte ihren Babybauch stolzer zur Schau, keine Schwangere freute sich mehr auf ihr ungeborenes Kind wie ich. Schwanger sein, das bedeutete für mich einfach nur Frau zu sein, mehr Frau geht nicht. Ich fühlte mich dazu geboren, schwanger zu sein. Von mir aus hätte die Schwangerschaft und die Vorfreude aufs Baby ruhig noch ein paar Monate länger dauern können!
Alles hätte so schön sein können.
Wenn da nicht Italo's Alkoholproblematik gewesen wäre. Er konnte sein Versprechen, mit dem Trinken aufzuhören, nicht einhalten. Die Sucht war stärker. Immer öfter kam er bereits angetrunken von der Arbeit, immer öfter war ich deswegen traurig und wütend. Immer öfter machte ich ihm deswegen Vorwürfe und immer öfter hatte er wegen der andauerden Vorwürfe immer weniger Lust, pünktlich nach der Arbeit nach Hause zu kommen. Wir befanden uns in einem Teufelskreis.
Ich wollte nicht, dass unser Kind mit den Alkoholproblemen seines Vaters aufwachsen musste, Außerdem kostete seine Sucht viel Geld. Geld, das wir gut für unser Kind hätten gebrauchen können. Ich wurde immer gereizter und eines Abends, als er mal wieder viel zu spät und mit einer ekligen Bierfahne nach Hause kam, da war ich sowas von enttäuscht von ihm und holte zum verbalen Schlag aus:" Es fehlt nicht mehr viel, dann bist Du wie Dein Vater!" hörte ich mich sagen.
Ich hatte recht damit, denn den Bruchteil einer Sekunde später spürte ich einen kräftigen Schlag. Er kam so schnell und so überraschend, ich konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Italo hatte mich mit voller Kraft geohrfeigt! Ich war fassunglos, hielt mir die brennende Backe, schaute ihn an. und erschrak zu Tode. Italo stand vor mir, beide Hände zur Faust geballt, sein ganzer Körper war angespannt, seine Augen waren voller Hass. Er baute sich mit vorgestrecktem Brustkorb vor mir auf.und schubste mich immer wieder mit seinem ganzen Körper vor mir her. Ich hielt mir meinen Babybauch und wimmerte nur noch.
"Sag das noch einmal! SAG DAS NOCH EINMAL!" schrie er mich mit einer Stimme an, die mir immer mehr Angst machte.
Ich brachte vor lauter Angst zuerst kein Wort heraus, dann sagte ich mit zitternder Stimme:"Italo, bitte, denk an das Baby!"
Da hielt er inne, schaute mich voller Abscheu an, drehte sich um und verließ die Wohnung. In dieser Nacht kam er nicht mehr nach Hause.
Ich weinte mich in den Schlaf. Ich konnte nicht verstehen, was da passiert war, Sicher, ich hätte ihn nicht mit seinem Vater vergleichen dürfen, aber durfte er deshalb so die Beherrschung verlieren? Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich große Angst: vor ihm, vor der Zukunft.
Diese Angst war begründet, das sollte ich im Laufe unserer Ehe noch erfahren.


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