Hey, Staat, wir woll’n noch mehr Geld!

Die Mitglieder des thüringer Verfassungsgerichts

Die Mitglieder des thüringer Verfassungsgerichts

Das Thüringer Verfassungsgerichtshof mit Sitz in Weimar hat am 21. Mai 2014 ein Urteil zur Finanzierung der “freien Schulen” in diesem Bundesland gefällt. Hinter dem wertneutralen Begriff “freie Schulen” verbergen sich auch in Thüringen überwiegend Schulen in unterschiedlicher kirchlicher Trägerschaft.

Das Gericht hatte jedoch nicht über eine kirchliche Klage, sondern über eine Normenkontrollklage der Grünen-Landtagsfraktion zu befinden. Sofort nach der Urteilsverkündung forderte aber die Evangelische Schulstiftung vom Staat zehn bis zwölf Millionen Euro mehr pro Jahr ein. Doch was auf den ersten Blick nach einem Sieg für kirchliche Schulträger aussieht, ist es auf den zweiten Blick ganz und gar nicht.

Denn festgestellt hat das Verfassungsgericht nur, dass lediglich die Festlegung der staatlichen Zuschüsse für “freie Schulen” durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur verfassungswidrig sei, nicht aber das entsprechende Gesetz selbst.

Es reiche, so die Verfassungsrichter, nicht aus, dass allein das Ministerium über die Höhe der Zuschüsse für die Schulen in freier Trägerschaft entscheidet. Da die genehmigten Ersatzschulen einen Anspruch “grundrechtlicher Natur” hätten, müsse der Landtag die Bedingungen der Förderung festlegen. Es reiche daher nicht aus, die “wesentlichen Parameter” der Förderhöhe nur in einer Verwaltungsvorschrift des Ministeriums festzulegen. Die Richter trugen mit ihrem Urteil dem Land auf, die Zuschüsse und ihre Berechnung bis zum 31. März 2015 neu zu regeln.

Bemerkenswerter an dem Urteil ist jedoch dies: Die Verfassungsrichter ließen offen, ob die bisherige Höhe der Finanzhilfe ausreichend ist. Vor allem eine, von den Kirchen und kirchenfreundlichen Landespolitikern beklagte, Existenzgefährdung der “freien Schulen” wegen der derzeit geltenden Höhe staatlicher Zuschüsse sahen die Richter nicht gegeben. Oder wie es im Juristendeutsch heißt: “nicht hinreichend vom Kläger belegt”.

Worum ging es bei der Grünen Normenkontrollklage? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Minister ist der evangelische Pastor Christoph Matschie (SPD) – hatte im Jahre 2010 eine Neufassung des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft vorgelegt, die im Dezember des Jahres vom Landtag mit den Stimmen der Regierungskoalition von CDU und SPD – Ministerpräsidentin ist die evangelische Pastorin Christine Lieberknecht (CDU) – verabschiedet wurde. Allein dieser Umstand, dass ausgerechnet eine von zwei Pastoren geführte Landesregierung das Ansinnen kirchlicher Schulträger nach mehr Geld ablehnte, sorgte damals im Freistaat Thüringen für großes Aufsehen. Wird doch ansonsten jeder kirchliche Geldwunsch pflichtschuldigst und grosszügigst bewilligt.

Mit dem Gesetz von 2010 änderte sich die Berechnung der Zuschüsse für freie Schulen, was zu einer Kürzung dieser Zahlungen führte. Das Verfassungsgericht bemängelte jedoch nicht diese Kürzung, sondern ausschließlich, dass das komplexe Berechnungsverfahren für die genaue Höhe der Zuschüsse nur in einer Verwaltungsvorschrift des Ministeriums festgehalten ist, nicht aber im Gesetz selbst. Das und nur das verletzte nach Auffassung des Gerichts das Rechtstaatsprinzip.

Und was ebenfalls sehr bemerkenswert ist, was aber von kirchen- und kirchenfreundlicher Seite nach der Urteilsverkündung, kaum erwähnt oder sogar unterschlagen wird: Die Richter betonten ausdrücklich und dies ganz entgegen der Auffassung der klagenden Grünen Landtagsfraktion, dass der Staat keinesfalls dazu verpflichtet sei, staatliche und freie Schulen in gleicher Weise zu finanzieren. Für diese sogenannten Ersatzschulen müssten lediglich Zuschüsse gezahlt werden, um die Genehmigungsvorschriften zu erfüllen und den Fortbestand zu sichern. Eine generelle Bestandsgarantie für jede einzelne freie Schule ergebe sich daraus aber nicht.

Das Votum der neun Verfassungsrichter war jedoch nicht einstimmig. Drei Mitglieder des Senats stimmten gegen das Urteil und reichten Sondervoten ein. Sie kritisierten unter anderem, die Entscheidung sei eine verfassungsrechtliche Verzerrung der Lage und wecke bei den Trägern freier Schulen unbegründete Erwartungen und Ansprüche. Was sich noch am Tage der Urteilsverkündung bestätigen sollte, siehe die harsche Forderung der evangelischen Schulstiftung in jährlicher Millionenhöhe.

Gegen die Zuschusskürzung hatten “freie” Schulträger – eigentlich nur die kirchlichen – in den vergangenen Jahren heftig protestiert. Sie verwiesen darauf, dass sie Elternbeiträge erhöhen müssten, um Einnahmeausfälle auszugleichen. Das aber sei, hieß es immer wieder demagogisch, unsozial und erschwere Kindern aus finanziell schlechter gestellten Familien den Zugang zu Schulen in “freier” Trägerschaft. Die Landesregierung sah die “freien” Schulen hingegen nicht gefährdet. Bis heute ist auch keine einzige Schließung einer Thüringer Schule in kirchlicher Trägerschaft bekannt. Im Gegenteil, es wird eine nach der anderen gegründet. Nebenbei bemerkt, “freie Schulen” sind keine gemeinnützigen Organisationen, sondern nichts anderes als private Unternehmungen, die daher in unterschiedlicher Weise von den Eltern ihrer Schüler Schulgeld verlangen…

Aber die reichen Kirchen stellen sich nun mal gerne als arm hin (Stichwort “arme Träger”), um mit fremder Leute Geld ihre angeblichen eigenen Wohltaten zu finanzieren. Wie gesagt, die unter Aufsicht der beiden christlichen Kirchen stehenden allgemeinbildenden Schulen finanzieren sich zu 80 Prozent aus staatlichen Mitteln (nach alter Regelung waren es 85 Prozent). Und nur zu 20 Prozent aus eigenen Mitteln und den elterlichen Schulgeldern…

Wohl deshalb verstecken sich kirchlichen Schulträger gerne hinter Gremien wie der “Landesgemeinschaft der freien Schulen in Thüringen”. Sprecher dieser Landesarbeitsgemeinschaft sind übrigens Kirchenrat Marco Eberl, der Vorstandsvorsitzende der evangelischen Schulstiftung, und Ordinariatsrat Winfried Weinrich, der Leiter des “Katholischen Büros Erfurt” (dieser Lobbyist hat ganz nebenbei auch Sitz und Stimme im MDR-Rundfunkrat!).

Man muss den pastoralen SPD-Minister Christoph Matschie nicht mögen, aber seiner Erklärung zum Urteil des Verfassungsgerichtshofes kann man aus laizistischer Sicht nur zustimmen. Denn Matschie hob nochmals das eigentlich wesentliche im Urteil hervor: Dass das Urteil die Höhe der staatlichen Zuweisungen in keiner Weise in Frage gestellt habe und dass deshalb davon auszugehen sei, dass die “freien” Schulen “auskömmlich” finanziert seien.

Siegfried R. Krebs

[Erstveröffentlichung hpd]


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