Herr Röttgen wird diskursiv

Eine der vielen Wahlen dieses Jahres, die eigentlich gar nicht stattfinden sollten, ist in NRW. Die letzte NRW-Wahl hat quasi meinen Blog getragen, weil die gesamte politische Klasse darauf starrte wie die Schlange auf das Kaninchen und gleichzeitig wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie war der Grund dafür, dass schwarz-gelb gleich am Anfang seiner Erfolgsgeschichte jede Politik verweigerte; danach hatte das Projekt keine Bundesratsmehrheit mehr und war letztlich bereits gescheitert.

Problematisch daran war und ist, dass die Opposition das für ihren eigenen Verdienst hielt, vor allem natürlich meine Partei. Danach wurde mir mitgeteilt, wir wären wieder da. Hannelore Kraft ist seitdem eine Ikone in der SPD, wie man zuletzt bei den Wahlen der stellvertretenden Vorsitzenden gesehen hat (knapp 100 Prozent). Wir haben nicht die Wahlbeteiligung gesehen und unser eigenes, absolut mieses Ergebnis, und die Tatsache, dass wir nachzählbar nur Zweiter geworden sind, ist ziemlich schnell vergessen worden.

kraft

Heute wird Hannelore Kraft nach nur zwei Jahren als Ministerpräsidentin von gestandenen Journalisten als Kanzlerkandidatin gehandelt, unter anderem – wortwörtlich – weil sie im Gegensatz zu den drei gehandelten Männern "schon mal eine Wahl gewonnen hat". Hat sie gar nicht. Eigentlich ist es auch nicht so, dass die Implosion der eigenen Koalition jetzt die denkbar beste Voraussetzung wäre, um eine Wahl zu bestreiten, aber man liest entschieden mehr darüber, wie bewundernswert sie eben diese Koalition bis dahin im Amt gehalten hat. Und wieder glaubt meine Partei, das wäre irgendwie ihr Verdienst – der meiner Partei und natürlich der von Hannelore Kraft. Dabei war diese Minderheitsregierung nur aus einem Grund stabil, und das waren Umfragen, die den Oppositionsparteien genau den Kopfschuss versprachen, den sie sich jetzt wohl auch abholen wird, und zwar genau wegen dieser Umfragen.

Das ist alles total falsch. Aber es wird wunderbar funktionieren.

Deshalb:

Röttgen kanzelt Merkel mit drastischem Machtwort ab

Auf die Frage, ob es einen Dissens zwischen ihm und Angela Merkel gebe, weil sie von ihm ebenfalls eine frühzeitige klare Entscheidung für Nordrhein-Westfalens verlangt habe, schickte Röttgen voraus, seine Antwort richte sich "nicht gegen irgendwen". Herr Röttgen wird diskursiv

„Teil meiner Ansage und unseres Selbstverständnisses ist, dass wir unsere Fragen ganz allein entscheiden und keinen Ratschlag erbitten. Wir entscheiden selbstständig.“ Herr Röttgen wird diskursiv

Wow. Drastisch. Mächtig. Sogar drastisch mächtig. Die Merkel wird sich nicht mehr raustrauen, davon dürfen wir mal ausgehen.

Womit wir dann bei Herrn Röttgen wären. Eine solche Fehlbesetzung hat das Amt des Bundesumweltministers nicht mehr gesehen, seit Kohl abgewählt wurde. Seine letzte Meisterleistung ist mir wie so oft bei ihm vor allem noch in Erinnerung, weil er nicht in Erscheinung getreten ist: Als mir meine Traumregierung erklärte, sie werde in Zeiten der großen Energiewende als nächsten Schritt erst mal die Förderung der Solarenergie faktisch beerdigen, hatte mein Bundesumweltminister dazu schlichtweg nichts zu sagen. Überhaupt ist er, seit er gleich zweimal von Angela Merkel überrannt wurde, nicht mehr wirklich vorhanden: Erst verlängerte sie die Laufzeiten für unsere AKW's, dann schaltete sie sie ab, und Röttgen saß an der Seitenlinie und war sichtbar dankbar, wenn wenigstens die Medien so taten, als hätte er dazu irgendwas zu sagen.

Es ist auch nicht so, dass man von ihm oder irgendjemand anderes in dieser Koalition seitdem einen Plan präsentiert bekommen hätte, wie denn die Energiewende ablaufen würde: Scheinbar sieht die nämlich so aus, als würden wir einfach nur von heimisch produziertem Atomstrom auf importierten umsteigen; gleichzeitig töten wir die wahrhaftig nicht sehr breit aufgestellten Unternehmen, die im Bereich der regenerativen Energien unterwegs sind, systematisch ab, damit die vier Stromriesen ihren Rückstand an dieser Front möglichst mühelos aufholen können.

Es mag also sein, dass Hannelore Kraft wenig Ergebnisse aufzubieten hat, wenn man mal genau hinsehen wollte, aber verglichen mit diesem ihrem größten Kontrahenten ist es natürlich nicht schwer, zu glänzen. Das macht mir auch Spaß, weil vor allem Springer sich nicht zu schade war, beim künstlichen Aufblasen des Profils des neuen christdemokratischen Superstars hervorzuheben, dass es sich hier um den Kronprinzen von Angela Merkel handele.

Es macht mir Spaß, weil Hannelore Kraft auf jeden Fall sowas ist wie die Kronprinzessin der neuen SPD-Troika. Und der Teilzeitkandidat und Teilzeitumweltminister ist also ihre Nemesis: Das werden einige glückliche Jahrzehnte für meine Partei werden.

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