Heute mal samstags, Erdmann. Und ich mache es relativ kurz. Nicht weil ich keinen Bock mehr hätte und dich abwürgen wollte. Nee, weil du das Ende dieser Folge aus unserer Serie ja offenbar schon kennst. Also lasse ich es weg.
Es ist ja nicht so, dass ich deinen Thesen eine generelle Abfuhr erteilen will. Gar nicht! Ich würde dir sogar attestieren, dass du richtig liegst. Es ist ja ein wenig so wie mit der Neuen Linken von früher, der man in der Theorie ja recht geben musste, aber in der Praxis sah das eben schon wieder ganz anders aus.
Ersetzten wir in unserem Diskurs das Sujet »Kapitalismus« zum Beispiel durch »Sex«, so würde dir eventuell die Rolle eines Günter Amendt zukommen, der für Leute wie Kolle oder Uhse nur Spott übrig hatte, weil er ihre Empfehlungen zur Auffrischung des Sexuallebens zwischen Ehepartnern nur für gymnastische Übungen hielte, die die systematisch begründete verloren gegangene Lust nie wieder beleben könnten. Die klassische Ehe sei nämlich eine repressive Institution und deshalb in Frage zu stellen. Amendt und seine studentischen Anhänger nannten Kolle und Uhse dann auch Scheinliberale ohne revolutionäre Ziele. Sie haben halt Kommerz betrieben und nie was anderes gewollt.
Und in etwa so gibst du dich auf asexuellen Pfaden bei unserem Thema. Schau, Erdmann, seinerzeit berief man sich auch auf Wilhelm Reich, der »grausame Charakterzüge« als Symptom »chronisch sexueller Unbefriedigkeit« attestierte. Befriedigte Menschen seien entspannter, war seine zentrale Botschaft. Der Ruf »Make love, not war« schien damit irgendwie wissenschaftlich fundamentiert zu sein, Ergebnis vieler einleuchtender Analysen. Nur vögelt eben niemand, wenn es an den Krieg geht. Keinem ist danach zumute. Man kann Gauck zwar empfehlen, dass er sich mal ordentlich du weißt schon was. Das provoziert, macht Spaß, schockiert und regt vielleicht manchen zum Nachdenken an. Aber weiter kommt man mit einer solchen in sich schlüssigen Parole halt dann doch nicht, weil sie eben nur in sich schlüssig ist und nicht nach Außen hin.
Du hast recht, das Profitstreben und der Wachstumszwang lassen sich nicht einfach wegreformieren. Du triffst auch ins Schwarze, wenn du sagst, dass jedes Wirtschaften in einer Sackgasse ende, wenn es weiterhin in der Wachstumsfalle sitze. Das sind Einsichten durch Analyse. Und genau für die stehst du ja nach eigenem Bekunden. Analysen hat die Neue Linke wie gesagt auch viele betrieben. Vieles klang logisch, richtig und bestechend. Auf dem Papier. In der Wirklichkeit scheiterten sie an der Wirklichkeit. Ich meine deshalb nicht, dass linke Analysen lediglich Folklore sind. Sie sind notwendig, werfen einen anderen Blick auf die Dinge. Aber sie sind eben auch papiernern. Um bei unserem Vergleich zu bleiben: So richtig die Untersuchung der Ehe als repressive Institution grundsätzlich sein mochte, so ist sie doch ganz offensichtlich in dieser oder ähnlicher Art als »Gemeinschaft exklusiver Zweisamkeit« menschlich, ja vielleicht sogar evolutionär begründet.
Damit will ich nicht den üblichen Käse absondern, den ich sonst so höre. Sätze wie »Der Sozialismus hat nie funktioniert« oder »Die freie Marktwirtschaft entspricht dem Menschen am ehesten«. Das ist Unsinn. Nein, wir leben nicht in der »besten aller möglichen Welten«. Es gibt viel zu viel zu tun. Aber wir werden aus der Spirale einer Wirtschaft, die sich qua Profit und Wachstum speist, auf absehbare Zeit nicht ausbrechen können. Wenn das der Mensch denn je kann und wird. Aber die Politik könnte und müsste im optimalen Fall die Rolle des Wächters übernehmen, Grenzen markieren, die Dynamiken bremsen. Sich von Wirtschaftsinteressen entfernen und verallgemeinernd gesagt: Reformen schmieden, umsetzen und einhalten.
Dann ist das daraus entstandene System sicher nicht krisenfest. Es wird auch an Grenzen, vor allem an Wachstumsgrenzen stossen. Irgendwann. Früher oder später. Wir werden trotz vieler kluger Analysen nichts finden, was die Zeiten überdauert. Und ohne Revolution ... an dieser Stelle breche ich, du kennst das Ende ja, werter Erdmann. Weil ich dich schon mal an der Strippe habe: Wer hätte gedacht, dass aus uns zwei Vögel nochmal Weltmeister werden! Gratuliere.
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Es ist ja nicht so, dass ich deinen Thesen eine generelle Abfuhr erteilen will. Gar nicht! Ich würde dir sogar attestieren, dass du richtig liegst. Es ist ja ein wenig so wie mit der Neuen Linken von früher, der man in der Theorie ja recht geben musste, aber in der Praxis sah das eben schon wieder ganz anders aus.
Ersetzten wir in unserem Diskurs das Sujet »Kapitalismus« zum Beispiel durch »Sex«, so würde dir eventuell die Rolle eines Günter Amendt zukommen, der für Leute wie Kolle oder Uhse nur Spott übrig hatte, weil er ihre Empfehlungen zur Auffrischung des Sexuallebens zwischen Ehepartnern nur für gymnastische Übungen hielte, die die systematisch begründete verloren gegangene Lust nie wieder beleben könnten. Die klassische Ehe sei nämlich eine repressive Institution und deshalb in Frage zu stellen. Amendt und seine studentischen Anhänger nannten Kolle und Uhse dann auch Scheinliberale ohne revolutionäre Ziele. Sie haben halt Kommerz betrieben und nie was anderes gewollt.
Und in etwa so gibst du dich auf asexuellen Pfaden bei unserem Thema. Schau, Erdmann, seinerzeit berief man sich auch auf Wilhelm Reich, der »grausame Charakterzüge« als Symptom »chronisch sexueller Unbefriedigkeit« attestierte. Befriedigte Menschen seien entspannter, war seine zentrale Botschaft. Der Ruf »Make love, not war« schien damit irgendwie wissenschaftlich fundamentiert zu sein, Ergebnis vieler einleuchtender Analysen. Nur vögelt eben niemand, wenn es an den Krieg geht. Keinem ist danach zumute. Man kann Gauck zwar empfehlen, dass er sich mal ordentlich du weißt schon was. Das provoziert, macht Spaß, schockiert und regt vielleicht manchen zum Nachdenken an. Aber weiter kommt man mit einer solchen in sich schlüssigen Parole halt dann doch nicht, weil sie eben nur in sich schlüssig ist und nicht nach Außen hin.
Du hast recht, das Profitstreben und der Wachstumszwang lassen sich nicht einfach wegreformieren. Du triffst auch ins Schwarze, wenn du sagst, dass jedes Wirtschaften in einer Sackgasse ende, wenn es weiterhin in der Wachstumsfalle sitze. Das sind Einsichten durch Analyse. Und genau für die stehst du ja nach eigenem Bekunden. Analysen hat die Neue Linke wie gesagt auch viele betrieben. Vieles klang logisch, richtig und bestechend. Auf dem Papier. In der Wirklichkeit scheiterten sie an der Wirklichkeit. Ich meine deshalb nicht, dass linke Analysen lediglich Folklore sind. Sie sind notwendig, werfen einen anderen Blick auf die Dinge. Aber sie sind eben auch papiernern. Um bei unserem Vergleich zu bleiben: So richtig die Untersuchung der Ehe als repressive Institution grundsätzlich sein mochte, so ist sie doch ganz offensichtlich in dieser oder ähnlicher Art als »Gemeinschaft exklusiver Zweisamkeit« menschlich, ja vielleicht sogar evolutionär begründet.
Damit will ich nicht den üblichen Käse absondern, den ich sonst so höre. Sätze wie »Der Sozialismus hat nie funktioniert« oder »Die freie Marktwirtschaft entspricht dem Menschen am ehesten«. Das ist Unsinn. Nein, wir leben nicht in der »besten aller möglichen Welten«. Es gibt viel zu viel zu tun. Aber wir werden aus der Spirale einer Wirtschaft, die sich qua Profit und Wachstum speist, auf absehbare Zeit nicht ausbrechen können. Wenn das der Mensch denn je kann und wird. Aber die Politik könnte und müsste im optimalen Fall die Rolle des Wächters übernehmen, Grenzen markieren, die Dynamiken bremsen. Sich von Wirtschaftsinteressen entfernen und verallgemeinernd gesagt: Reformen schmieden, umsetzen und einhalten.
Dann ist das daraus entstandene System sicher nicht krisenfest. Es wird auch an Grenzen, vor allem an Wachstumsgrenzen stossen. Irgendwann. Früher oder später. Wir werden trotz vieler kluger Analysen nichts finden, was die Zeiten überdauert. Und ohne Revolution ... an dieser Stelle breche ich, du kennst das Ende ja, werter Erdmann. Weil ich dich schon mal an der Strippe habe: Wer hätte gedacht, dass aus uns zwei Vögel nochmal Weltmeister werden! Gratuliere.
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