Cover
In der säkularen Szene dürfte dieses Buch einen ähnlichen Bekanntheitsgrad aufweisen wie Dawkins “Gotteswahn” oder Schriften von Michael Schmidt-Salomon. Es wird meinen Hauptkommentatoren hier im Blog sicherlich freuen, dass ich das Buch nun endlich auch gelesen habe…
Der Jesuswahn ist kein leicht lesbares Buch. Das sollte man wissen ehe man sich daranmacht, zu verstehen, wie sich das Christentum seinen eigenen Gott erschuf. Kubitza ist Wissenschaftler und genau so liest sich sein Buch an einigen Stellen. Aber er ist einer von denen, die auch Humor besitzen. Und das lockert das Buch dann doch erfreulich auf.
Das Buch unternimmt den – meiner Meinung nach gut gelungenen – Versuch, anhand der historischen Gestalt des Jesus von Nazaret (soweit das überhaupt möglich ist) zu ergründen, wer der Mann war und was die christliche(n) Kirche(n) aus ihm machten. Das mündet – wen wundert’s? – in einer Fundamentalkritik an der christlichen Religion.
Wenn uns Uwe Lehnert erklärte, warum er kein Christ sein will; Kubitza erklärt, weshalb niemand guten Gewissens ein Christ sein kann. Denn das, was die Kirchen von den Kanzeln predigen, hat wenig bis nichts mit dem gemein, was der jüdische Wanderprediger Jesus meinte. Das dies keine reine Behauptung ist, beweist Kubitza. Und das mit Wissen und teilweiser Brillanz der Gedanken, dass es kaum nötig scheint, erklärende Einschübe ins Buch einzubauen.
Das Buch ist auch eine Anklage(?) gegen die uns Regierenden, die noch immer meinen, dass zum Beispiel die zehn Gebote irgendetwas mit der gesellschaftlich gelebten Ethik zu tun hätten, die in unserer Zeit angemessen ist. Im Gegenteil verdanken wird der Aufklärung gegen die Bibel all die Humanität, die die Menschenrechtscharta der UN und das Grundgesetz bilden.
…man darf geradezu froh sein, dass unsere Gesellschaft nicht auf den so oft beschworenen biblischen und christlichen Grundlagen beruht.
so Kubitza schon am Beginn seines Buches. Um anschließend die ganze Verlogenheit des sog. “heiligen Buches” Stück um Stück zu zerpflücken.
Viel Raum im Buch nimmt die Diskussion um die In-Group/Out-Group-Relevanz der Bibel ein. Wo von Nächstenliebe die Rede ist, wird diese immer und vorrangig nur denen, die in der gleichen Sekte sind, gegeben. Anderen, Ungläubigen gar, wird diese nicht zuteil. Denn diese müssen mit Feuer und Schwert bekämpft werden. Darin unterscheiden sich das Neue und das Alte Testament nur in Ansätzen. Und selbst innerhalb der eigenen Sekte gilt die Nächstenliebe nicht uneingeschränkt:
Die propagierte Liebe gilt nicht ungeteilt dem Nächsten. Immer ist sie mit dem Gebot der Gottesliebe verbunden. Man soll Gott lieben und den Nächsten lieben. Und oft wird die Menschenliebe aus dem Gottesglauben hergeleitete und suggeriert, dass nur der die Menschen lieben kann, der auch Gott liebt. Vertreter der Kirchen [und viele Politiker (Anm. Nic)] betonen dies heute immer noch süffisant in Talkshows und von Kanzeln. Wer ohne Gottesbezug lebt, lebt nur ein defizitäres Menschsein… Als ob es andererseits nicht viele Menschen gäbe, die ethisch verantwortlich leben auch ohne religiöse Bindung. In Deutschland z.B. habe die Religionslosen doch fast schon eine Mehrheit in der Bevölkerung, in Ostdeutschland schon längst. Herrscht deshalb das Chaos und ethische Anarchie?
An anderer Stelle sagt er:
…die letzten Kapitel dieses Buches haben gezeigt, dass auch der ethische Ertrag des Christentums heute eher marginal ist und von Christen wie Nichtchristen überschätzt wird. Man braucht das Christentum nicht, um verantwortlich zu leben
Alles in Allem ist das Buch eine sachlich-kritische, ja wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem, was Christen und die Kirche(n) als ihre Glaubensinhalte bezeichnen. Allerdings bliebt davon nicht viel übrigen, wenn Kubitza damit durch ist:
Es sind Luftgespinste, es passt alles nicht. Zu offensichtlich sind die historischen Unzulänglichkeiten, zu wunschgesteuert der dogmatische Bau der Kirchen, zu hilflos die modernen Versuche, zu retten, was zu retten ist. Ein solches Gebäude muss einstürzen wie alle weltanschaulichen und religiösen Gesamtkonzeptionen bisher.
Nic
Heinz-Werner Kubitza, Der Jesuswahn (Kindle Edition), Tectum Wissenschaftsverlag; Auflage: 1 (19. Juli 2012), ASIN: B008UPCE3S, 14,99 Euro