Heimathafenpop – The Shins “Port of Morrow”

Heimathafenpop – The Shins “Port of Morrow”

The Shins – “Port of Morrow”

VÖ: 16.03.2012 (Columbia Records/Sony)

Die meisten unter euch werden sich an die Szene erinnern (und so nicht: unbedingt ‘Garden State’ anschauen, es lohnt sich): Natalie Portmann setzt Zach Braff im Wartezimmer eines Psychologen ihre Kopfhörer mit den Worten auf: „Diese Band wird dein Leben verändern!“ Diese Band, das waren und sind ‘The Shins’, die Band um Mastermind James Mercer.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien nun ‘Port of Morrow’, der Nachfolger zu ‘Wincing the Night Away’. Im Vorfeld war viel über Veränderungen zu lesen. Man ist nicht mehr bei ‘Sub Pop’ sondern hat sich in die Hände des Majors ‘Sony’ begeben. Von der alten Besetzung ist nur James Mercer übriggeblieben und der Rest wurde ausgetauscht, was sich, soviel vorweg, nicht weiter bemerkbar macht. Außerdem war da noch das Projekt von Mercer und Danger Mouse namens ‘Broken Bells’, dass, vor nun auch schon zwei Jahren, bewies, wie gut sich Mercer im Bereich rythmuslastiger Popmusik mit Sixtiesfaible macht. Aber was heißt das nun für das neue Album? Space-Pop, Noise, Akustik-Folk?
Die äußerste Rille knackst etwas und ‘The Rifle´s Spiral’ beginnt mit einem Piepsen, dann setzt ein dumpfer, leicht verschobener Rhythmus ein. Der Rezensent ist glücklich: etwas Veränderung, aber nicht zu Lasten des Pop-Appeals. Das erinnert zwar an den ‘Broken Bells’ Stil, liefert aber auch das alte Shins-Gefühl und damit die erste Entwarnung: Mercer kann ihn noch, den großen Pop-Song. Und den einfachen? Simple Song, die Vorab-Single, holt den Fan da ab, wo er es gewohnt ist. Schlicht (Haha, der Titel), eingängig, mit Chören, Gitarrenspielereien und dem, was die Shins immer am besten konnten: jubilierenden Bridges und Refrains. Das dazugehörige Video (siehe Lazy Sunday) soll an dieser Stelle explizit nochmals Erwähung finden, da es in seinem ausgestellten Indiependent-Kino-Stil und der großartigen Tragikomik an die Familienporträts von Wes Anderson erinnert und gleichzeitig so ist, wie man sich ein Shins Video vorstellt (Wer macht eigentlich den Soundtrack zu seinem neuen Film ‘Moonrise Kingdom’?).
Heimathafenpop – The Shins “Port of Morrow”Es folgt „It´s only life“ und leider klingt der Song genau so, wie man sich die Gestik eines Menschen vorstellt, der dies ausspricht: ein Schulterzucken. Ist Pop, ist nett, passiert eben! Überhaupt geht der Platte im Mittelteil die Puste aus. Ja, es sind noch immer gute Songs, ja, es ist klarer Folk-Pop (und der ist nicht des Rezensenten Liebstes), dennoch hat man das von Mercer schon zwingender gehört. Seine Stimme lullt ein, umspielt den Hörer, aber Unterscheidungen zwischen den Songs werden schwerer. Schade. Nach dem fulminanten Beginn hatte man doch die Hoffnung auf ein neues Meisterwerk gehabt. Eines, dass liebgewonnene Elemente des alten Sounds in einem neuen Gewand weitergedacht hätte. So stehen die Songs im direkten Vergleich mit denen der Großtat ‘Chutes to Narrow’, und dem halten sie nicht stand.
Zum Ende hin dreht die Gang allerdings nochmals auf. ’40 Mark Strasse’ versetzt den Hörer zum High-Noon in einen Portland-Western. Vom Dach eines Veganen Cafes pfeift eine kleine Melodie, Ennio Morricone lehnt am LED-Schriftzug eines Strickbedarfsladens und kaut zufrieden auf einem Sojasteak. Und mit dem Einmarsch der Wasserpistolenhelden ist sie wieder da, die Eingangs erwähnte Aufbruchstimmung. Aber bevor jemand abdrücken kann, ist es schon wieder vorbei. ‘Port of Morrow’ schließt bittersüß mit einem elektrischen Xylophon, um die Wette pfeifenden Synthies und Flöten, Mercer-Falsett und Klavierakzenten aus dem Saloon. Dieser Soul-Ausflug steht Mercer und seiner Begleitkombo sehr gut und liefert zusammen mit ‘Rifles Spiral’ die Fortschrittsklammer um das Album.
Mercers Worte „And there are flowers in the garbage, and a skull under your curls“ treffen das Problem der Platte: Alles hat zwei Seiten, das Schöne und Hässliche, Leben und Tod, Brillianz und Langeweile. Die Shins sitzen zufrieden im Hafen, aber die „Sturm-und-Drang“ legt ohne sie ab.

 

Johannes Hertwig

 

The Shins online

und auf Soundcloud.

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